Drei Fragen
„Stimmung hat sich etwas aufgehellt“
Vor allem Wohlstandsverlust bestimmt die Sorgen der Deutschen, es fehlt an Grundsicherheit, das stellt Politikwissenschaftlerin Prof. Isabelle Borucki in ihrer jüngsten Studie über die Ängste der Deutschen fest.
Frau Professor Borucki, auf den allervordersten Plätzen Ihrer Angststudie werden Existenzängste genannt. Das verwundert, die Inflation ist so niedrig wie seit Jahren nicht.
Das ist richtig und man sollte denken, die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten und dass Wohnen in Deutschland unbezahlbar wird, wäre in den Hintergrund gerückt, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Das liegt daran, dass die Menschen beim Einkaufen merken, die Lebensmittelpreise sind weiterhin hoch und bezahlbare Wohnungen Mangelware. Vielen Menschen fehlt die Grundsicherheit, dass die Inflation auch weiterhin so niedrig bleibt. Laut der diesjährigen Umfrage hat sich zumindest die Stimmung bei den 2.400 repräsentativ Befragten aufgehellt, der Angstindex liegt unter dem langjährigen Mittel.
Was auffällt: Die Angst vor dem Klimawandel ist auf den 15. Platz bei den Ängsten abgerutscht. Spielt der bei den Menschen keine Rolle mehr?
Der Klimawandel ist weiterhin Thema, aber in den vergangenen Monaten auch in den Schlagzeilen nach hinten gerückt, momentan bestimmen andere Themen das Bewusstsein der Menschen. Nun soll das nicht heißen, die Medien schüren Ängste, aber wenn die Menschen plötzlich rechnen müssen, ob sie sich ihren aktuellen Lebensstandard noch leisten können, dann interessiert sie das nachvollziehbarerweise mehr als der Klimawandel. Wobei ich nicht ganz ausschließen kann, dass auch das teils militante Auftreten der Klimaaktivisten zu einer Ermüdung bei dem Thema geführt hat.
Aber woher kommen diese finanziellen Sorgen der Deutschen, die so im Vordergrund stehen? Der Klimawandel kann auch existenziell werden.
Die Bevölkerung ist mit multiplen Krisen konfrontiert, denen sie ohnmächtig gegenübersteht. Die Wirtschaftslage bleibt angespannt, genauso wie die geopolitische Lage. Dazu gehören auch die Folgen der laufenden Kriege, die nicht absehbar sind. Das verunsichert die Menschen. Genau dieses Ohnmachtsgefühl führt dazu, dass sich der Fokus auf persönliche Belange verschiebt, und dazu gehört nun mal zuallererst die Sorge um ihre individuelle finanzielle Sicherheit. Das zeigt auch Platz fünf unseres Angst-Rankings, dass der Staat aufgrund dieser ungewissen Herausforderungen die Steuern erhöht. Interview: Sven Bargel
Ölpest verhindert
Es hätte der Worst Case an der Deutschen Ostseeküste vor dem Kurort Kühlungsborn werden können. Ein Tankschiff, beladen mit 640 Tonnen Öl und Chemikalien, geriet kurz nach dem Auslaufen aus dem Rostocker Überseehafen in Brand und war manövrierunfähig. Doch die Mannschaft des Tankschiffs Annika hat alles richtig gemacht, bilanziert jetzt ein Einsatzleiter des Havarie-Kommandos. Sofort ankerte das Schiff, alle Seeleute konnten von der Küstenwache beinahe unverletzt gerettet werden. Innerhalb von nicht mal zwei Stunden begannen die Löscharbeiten, die sich allerdings auf hoher See schwierig gestalteten. Darum die Entscheidung, das noch brennende Tankschiff zurück in den Überseehafen zu schleppen. Warum das Schiff in Brand geriet, ist noch nicht eindeutig geklärt, da die Ermittler zwei Tage mit ihrer Arbeit warten mussten, damit giftige und explosive Gase aus dem Schiffsrumpf entweichen konnten. Selbst die Umweltorganisation WWF lobte den kombinierten Einsatz von Havarie-Kommando, Seenotrettung und Feuerwehr vor der Ostseeküste, damit konnte eine Naturkatastrophe verhindert werden.
Rundfunkbeitrag umstritten
Ende Oktober sollen sich die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer im Bundesrat darüber verständigen, ob es ab dem ersten Januar zu einer erneuten Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ARD, ZDF und Deutschlandradio kommt. Vorgeschlagen wurde von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung um 58 Cent, von derzeit 18,36 auf 18,94 Euro pro Monat. Doch dagegen gibt es von mehreren Ländern Widerstand. Erst Mitte Oktober hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erneut klargemacht, dass er bei seinem Nein zur Rundfunkbeitragserhöhung bleibt: „Eine Beitragserhöhung halte ich derzeit für nicht vermittelbar und sehe auch keine Mehrheit dafür.“ Haseloff plädiert ganz im Gegenteil für eine Pause. „Ich bin dafür, dass wir bei dieser Frage jetzt eine Auszeit nehmen und abwarten, wie die Sparreformen wirken. Es ist davon auszugehen, dass diese zu einem sinkenden Aufwand und zu einem geringeren Finanzbedarf führen.“ Die GEZ-Gebühren können nur mit den Ja-Stimmen aller Länder erhöht werden.
Linke uneins über Antisemitismus
Im Vorfeld des Bundesparteitages der Linken in Halle Ende Oktober trafen sich die Berliner Delegierten zum Landesparteitag. Die Berliner Genossen debattierten dabei über einen Änderungsantrag, wonach der Antisemitismus generell von der Partei verurteilt, ein „linker Antisemitismus“ in den eigenen Reihen ausgeschlossen werden sollte. Genau dies forderten unter anderem die prominenten Berliner Links-Partei-Mitglieder Petra Pau und der ehemalige Kultursenator Klaus Lederer. Parteitagsdelegierte, denen Sympathien zu Organisationen wie Hamas und Hisbollah nachgesagt werden, votierten gegen den Vorschlag einer kritischen Auseinandersetzung mit antisemitischen Tendenzen in den eigenen Reihen. Daraufhin verließen viele Delegierte den Parteitag. Der anstehende Bundesparteitag der Linken dürfte also nicht einfach werden.
Sorge der Geheimdienste
Das Spitzenpersonal deutscher Geheimdienste warnte bei der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags die Bevölkerung vor Naivität: Russlands Präsident Wladimir Putin habe Deutschland längst zum Feind erklärt, betonten die Präsidenten der drei Nachrichtendienste Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst. „Wir beobachten ein aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste“, erklärte Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang. Besonders Spionage und Sabotage durch russische Akteure hätten in Deutschland zugenommen – und zwar „sowohl quantitativ als auch qualitativ“. BND-Chef Bruno Kahl erklärte: „Der Kreml sieht den Westen und damit auch Deutschland als Gegner.“ Russland werde spätestens ab Ende des Jahrzehnts personell und materiell in der Lage sein zu einem Angriff auf den Westen. Es sei zu erwarten, dass Moskau vor einer offenen militärischen Auseinandersetzung noch versuchen werde, die Nato zu spalten. Die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes, Martina Rosenberg, berichtet bereits von besorgniserregenden Ausspähversuchen fremder Nachrichtendienste gegen die Bundeswehr.
CDU
Kritik am Sicherheitspaket
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, kritisiert das in der Koalition beschlossene Sicherheitspaket der Ampel als „nahezu wirkungslos“. Die Regierung von Bundeskanzler Scholz bleibe weit hinter ihren vollmundigen Versprechungen zurück, stellte Throm in einer ersten Stellungnahme fest. Es fehlten von Anfang an wichtige Maßnahmen, die nun auch in der Gesetzesnachbesserung nicht ergänzt würden. Dabei nannte er unter anderem die Vorratsdatenspeicherung. „Jetzt wurde das Wenige, auf was sich die Minister einigen konnten, von den Koalitionen mehr oder weniger restlos entwertet“, sagte der Innenpolitikexperte der Union im Bundestag. Das Sicherheitspaket wurde nach dem Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht und sieht auch eine Verschärfung des Waffengesetzes vor. Gilt das Sicherheitspaket, könnten Personen in Waffenverbotszonen, die mit Hieb- oder Stichwaffen angetroffen werden, leichter des Ortes verwiesen und ihre Waffen umgehend beschlagnahmt werden.
Mehr Mitsprache
Junge Menschen im Saarland haben künftig deutlich mehr Einflussmöglichkeiten. Der saarländische Landtag hat ein „Junge-Menschen-Beteiligungsgesetz“ beschlossen, das die Mitwirkungsmöglichkeiten auf Landesebene verbindlich regelt. Bei Gesetzesvorhaben soll es einen „Jugendcheck“ geben, das heißt, alle Gesetze sollen auf ihre Auswirkungen auf Jugendliche hin überprüft werden. Außerdem soll ein Landesjugendforum mit direkter Mitwirkungsmöglichkeit junger Menschen eingerichtet werden, das mindestens alle zwei Jahre tagen soll. Mitwirkungsmöglichkeiten junger Menschen auf kommunaler Ebene sollen weiterhin von den Kommunen selbst mit entsprechenden Beteiligungsformaten geregelt werden. Das Gesetz hatte in den Anhörungen eine breite Zustimmung erfahren. Ein Antrag der AfD auf eine Absenkung des Wahlalters auf 16 wurde im Landtag abgelehnt. Da die CDU ohnehin gegen die Absenkung ist, hätte es keine Zwei-Drittel-Mehrheit gegeben, die für eine Verfassungsänderung erforderlich ist. Der AfD wurde vorgeworfen, den Antrag aus parteitaktischen Gründen erneut gestellt zu haben. Bei der Landtagswahl in Brandenburg, wo das Wahlalter 16 gilt, hatte die AfD in dieser Altersgruppe ein starkes Ergebnis erzielt.
Investition der Superlative
In der saarländischen Stahlindus-trie nimmt der größte Umbau in der Geschichte Gestalt an. Geplant sind Investitionen von 4,6 Milliarden Euro, davon kommen 2,6 Milliarden als Förderung von Bund und Land, die weiteren Milliarden vom Unternehmen selbst. Damit „erfinden wir uns komplett neu“, betont der Vorstandschef von Dillinger und Saarstahl, Stefan Rauber. Die ersten Großaufträge zum Umbau auf grünen Stahl sind jetzt unterschrieben. Eine Direkt-Reduktionsanlage und zwei Elektrolichtbogenöfen werden das Herzstück der Umrüstung. Läuft alles nach Plan, wird 2029 der erste grüne Stahl von der Saar geliefert. Die Investitionssumme ist die größte europaweit für ein solches Projekt, unterstreicht Rauber.
Mehr Soldaten
Bereits vor über einem Jahr wurde angekündigt: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine will die Nato sich mit neuen Brigaden verstärken. Eine Rolle darin spielt auch die Bundeswehr. Diese braucht für die neuen Anforderungen der Nato mindestens 35.000 Soldaten zusätzlich zu ihrem jetzigen Bestand von 180.000 Mann. Dies rechnet der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marcus Faber (FDP), vor und mahnt zum schnellen Handeln. Laut vorläufiger Nato-Planung soll in dem Militärbündnis die Zahl der Brigaden bis 2031 von derzeit 82 auf 131 steigen. Laut Faber benötige das deutsche Heer dann statt drei Divisionen mit 65.000 Soldaten in der kämpfenden Truppe eher fünf Divisionen, was insgesamt ungefähr 100.000 Soldaten entspräche. Für die Umsetzung sei zwar noch Zeit, aber mit den Planungen müsse jetzt begonnen werden. Um dieses Projekt umzusetzen, fordert der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, dass Deutschland seine jährlichen Ausgaben für Verteidigung von derzeit knapp zwei auf drei Prozent steigern müsse.
Bereitschaftsdienste neu organisiert
Die ärztlichen Bereitschaftsdienste im Saarland werden zum Jahreswechsel neu aufgestellt. Es wird dann zwar weniger Standorte geben, die werden aber personell besser ausgestattet, kündigte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Saarland an. Demnach wird es künftig statt zwölf noch sechs Bereitschaftsdienstpraxen geben. Die werden aber künftig mit drei statt bislang zwei Ärzten besetzt werden, wovon einer im Fahrdienst eingesetzt wird. Vorgesehen ist zudem, einen Telefondienst und Videosprechstunden anzubieten. Ein Grund für die Änderungen ist Personalmangel, sowohl bei Ärzten als auch beim medizinischen Fachpersonal. Zudem verändert sich die Struktur bei den Ärzten. Die Zahl der Teilversorgungsaufträge steigt. Das heißt, wenn ein Arzt nur eine Zulassung auf einem halben Arztsitz hat, kann er auch nur zur Hälfte im Bereitschaftsdienst eingeplant werden.
Rundfunkbeitrag
Erhöhung umstritten
Ende Oktober sollen sich die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer im Bundesrat darüber verständigen, ob es ab dem ersten Januar zu einer erneuten Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ARD, ZDF und Deutschlandradio kommt. Vorgeschlagen wurde von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung um 58 Cent, von derzeit 18,36 auf 18,94 Euro pro Monat. Doch dagegen gibt es von mehreren Ländern massiven Widerstand. Erst Mitte Oktober hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erneut klargemacht, dass er bei seinem Nein zur Rundfunkbeitragserhöhung bleibt: „Eine Beitragserhöhung halte ich derzeit für nicht vermittelbar und sehe auch keine Mehrheit dafür.“ Haseloff plädiert ganz im Gegenteil für eine Pause bei der Beitragserhöhung: „Ich bin dafür, dass wir bei dieser Frage jetzt eine Auszeit nehmen und abwarten, wie die Sparreformen wirken. Es ist davon auszugehen, dass diese zu einem sinkenden Aufwand und zu einem geringeren Finanzbedarf führen.“ Die GEZ-Gebühren können nur mit den Ja-Stimmen aller Länder erhöht werden.
„Oscar der Überwachung“ für Lauterbach und Polizei
Die diesjährigen Auszeichnungen der „Big Brother Awards“ gehen an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Deutsche Bahn AG und die sächsische Polizei. Dem Verein Digitalcourage gehe es bei den „Oscars der Überwachung“, wie der Preis auch genannt wird, um den Schutz und Umgang mit sensiblen, persönlichen Daten von Bürgern und Kunden. Die sächsische Polizei wird für ihren Umgang mit dem „videogestützten Personen-Identifikations-System“ (PerIS) kritisiert, mit dem Tatverdächtige ausfindig gemacht werden sollen. Gesundheitsminister Lauterbach wird für das von ihm ini-tiierte Gesundheitsdatennutzungsgesetz gerügt, das unter unzureichenden Schutzvorkehrungen die Verarbeitung hochsensibler Gesundheitsdaten ermöglicht. Die Deutsche Bahn kam unter die drei Erstplatzierten, da das Unternehmen immer mehr digitalisierte und personalisierte Fahrkarten ausschließlich über ihre App anbietet und die Kunden keine analogen und damit anonymen Möglichkeiten mehr hätten, diese Fahrkarten zu erwerben.
AfD-Verbot
SPD soll nicht vorpreschen
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will verhindern, dass Abgeordnete seiner Partei bei einem AfD-Verbotsverfahren vorpreschen. „Ich warne davor, schon jetzt ein Parteiverbot gegen die AfD auf den Weg zu bringen“, sagte Mützenich der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Seine Fraktion sollte „in dieser schwierigen Frage“ zusammenbleiben. Auslöser der erneuten Debatte ist ein Antrag für ein mögliches AfD-Verbot, der von Bundestagsabgeordneten aus SPD, Union, Grünen und Linken unterstützt wird. Ihr Ziel ist es, beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zum Verbot der AfD zu beantragen. Für die Initiative habe er zwar Verständnis, denn die AfD sei eine „große Bedrohung für die Demokratie“, sagte der SPD-Politiker. Doch ein Parteienverbot sei im Grundgesetz und auch beim Bundesverfassungsgericht mit großen Hürden versehen. Es seien noch nicht die kompletten Voraussetzungen gegeben, diesen Weg zu gehen. Zudem würde ein Verbotsverfahren laut Mützenich die Chance nehmen, die AfD politisch zu stellen –
die „Rechtsextremen“ könnten weiter den „Opfer-Mythos“ pflegen.
Waldinventur mit gemischter Bilanz
Der deutsche Wald wächst, aber es gibt weniger Bäume. Und das hat Folgen, wie die Waldinventur belegt.
Seit zehn Jahren machen Forscher diese Waldinventur und bewerten die Entwicklung anhand von rund 150 Kriterien. Die positiven Aspekte: Die Waldfläche ist gewachsen und umfasst ein Drittel des Landes. Es gibt wieder mehr Laubbäume, die Wälder wieder naturnäher und die Artenvielfalt ist wieder gestiegen. Die andere Seite: Seit 2017 gibt es weniger Holz im Wald. Stürme, Trockenheit und Schädlinge (Borkenkäfer) haben den Bestand reduziert, außerdem wachsen Bäume langsamer. Die Folge: Es wird weniger CO2 absorbiert. Im Gegenteil: Abgestorbenes Gehölz gibt beim Vermodern wieder gespeichertes CO2 frei. In der Bilanz ist der deutsche Wald in den letzten zehn Jahren damit CO2-neutral geblieben, das heißt, trotz mehr Waldfläche ist der Anteil von absorbiertem CO2 unterm Strich seit zehn Jahren unverändert.
Luxemburg
Weniger Schulden geplant
Luxemburgs Wirtschaft ist wieder auf Wachstumskurs. Entsprechend plant die Regierung für das nächste Jahr, weniger neue Schulden zu machen. Das Defizit soll mit rund 1,3 Milliarden um 500 Millionen geringer ausfallen als in diesem Jahr, kündigte Finanzminister Gilles Roth (CSV) an. Aufgrund guter Wirtschaftsentwicklung nach dem „schwierigen Jahr 2023“ sind die Steuereinnahmen bereits im laufenden Jahr gestiegen, für das nächste Jahr rechnet Luxemburg mit einem Wachstum von 2,7 Prozent. Roth kündigte Investitionen in so gut wie allen Bereichen, von der Infrastruktur über Digitalisierung bis zu Wohnungsbau und Innere und äußere Sicherheit, an. Rund 47 Prozent der Ausgaben sind für Sozialtransfers vorgesehen. Nicht umsonst „deen déckste Posten am Budget“, wie Roth betont, weil dadurch Ungleichheiten reduziert würden. Die Regierung stehe „für eine starke Sozialpolitik, kombiniert mit einer starken Wirtschaftspolitik“.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Gibt es noch Hoffnungen, dass die verlorenen europäischen Brüder und Schwestern nördlich des Ärmelkanals wieder echte Europäer werden? Kurz gesagt: Nein. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.
Manche hatten gehofft, der neue Mann in der Downing Street werde vier Jahre nach dem Brexit eine Renaissance der Beziehungen einleiten. Doch unter dem Druck eigener Antieuropäer und der Opposition hat sich Britanniens Premier Keir Starmer als weniger flexibel erwiesen als erhofft. Im Gegenteil, es droht neues Ungemach. Erneut ist die Fischereipolitik zum Fangnetz des britischen Europa-Dilemmas geworden. Schon zu gemeinsamen Zeiten lieferten sich Festland- und Insel-Fischer regelrechte Seegefechte um Jakobsmuscheln.
Eine Umfrage zeigt, dass nur 30 Prozent der Briten bereit wären, Fischereirechte an Nachbarn abzutreten. Doch genau das könnte 2026 nötig sein, wenn das Handelsabkommen ausläuft. Diverse EU-Staaten wollen dann den Zugang ihrer Flotten zu britischen Gewässern sichern. Darüber ist London „not amused“. Zwar arbeiten nur rund 10.000 Menschen in der Fischerei. Doch die vertreten ihre Interessen ähnlich impulsiv wie ihre Kollegen auf Getreide-, Milch- und Schafsfarmen.
Ein Neustart der Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ist nicht in Sicht. Früher sahen Brüsseler Diplomaten die Briten als geschätzte Partner. Heute sind sie nur noch Vertreter eines abgedrifteten Drittlandes. Ob vereinbarte Gipfeltreffen daran etwas ändern? Kaum, solange man sich nicht weniger „fishy challenges“ auf den Tisch packt.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.