Die deutsche Wirtschaftsleistung sinkt. In Europa sieht es nicht besser aus. Immerhin sinkt gleichzeitig die Inflation und damit auch der Leitzins. In den USA aber droht nun ein Verfechter von Zöllen die Wahl zu gewinnen – für Deutschlands Exporte wäre dies ein Desaster.

Es geht abwärts: Die Europäische Zentralbank reagiert auf die sinkende Inflation und die schwache Konjunktur im Euroraum. Die Notenbank senkt den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagenzins, den Banken für bei der EZB geparkte überschüssige Gelder erhalten, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent. Es ist bereits das dritte Mal dieses Jahr, dass die Zentralbank die Zinsen herabsetzt. Der Kampf gegen die Inflation wirkt, die Wirtschaft im Euroraum aber bleibe schwach, heißt es in einer Erklärung der EZB: „Die Inflationsaussichten werden zudem durch aktuelle Konjunkturindikatoren beeinflusst, die schwächer ausgefallen sind als erwartet.“ Man werde jedoch weiter datenabhängig entscheiden und lege sich nicht im Voraus auf einen Zinspfad fest, sagte Präsidentin Christine Lagarde. „Wir haben der Inflation noch nicht ganz das Genick gebrochen, aber wir kommen voran.“
EU nur mit Mini-Wachstum
Das sind gute Nachrichten für Unternehmen. Sinkende Leitzinsen stützen zeitverzögert die Konjunktur und sind eine gute Nachricht für die schwache deutsche Wirtschaft. Firmen können mit günstigeren Krediten leichter investieren und Verbraucher sich billiger verschulden – etwa Hausbauer. Sparer hingegen müssen mit niedrigeren Zinsen bei ihrer Bank auskommen und geringere Renditen etwa bei Lebensversicherungen hinnehmen. Die Zinssenkung kam nicht unerwartet, denn im September fiel die Teuerungsrate dem Statistikamt Eurostat zufolge auf 1,7 Prozent. Das war noch weniger als in einer ersten Schätzung errechnet und deutlich niedriger als im August mit 2,2 Prozent. Die Inflation lag damit erstmals seit Mitte 2021 unter der Zielmarke von zwei Prozent, die die EZB mittelfristig im Euroraum anstrebt. Vor allem billigere Energie drückte die Teuerungsrate und sorgte auch in Deutschland für einen deutlichen Rückgang der Inflation.
Zugleich macht die schwache Konjunktur in der Eurozone der EZB Sorgen. Sie erwartet nur ein Mini-Wachstum von 0,8 Prozent im laufenden Jahr– etwas weniger als im Sommer vorhergesagt. Dabei wirkt die schwache Wirtschaft in Deutschland als Bremsklotz. Erst in den Folgejahren soll sich die Konjunktur im Währungsraum erholen, so die Notenbank.
Und nun droht in den USA auch ein Sieg Donald Trumps, denn das Rennen um das Weiße Haus ist weiterhin eng. Mit Trump hält ein altes Wirtschaftsinstrument wieder Einzug in die wirtschaftliche Debatte: Zölle. Diese könnten auch Deutschlands Unternehmen hart treffen. Die USA sind weiterhin der größte Exportmarkt für deutsche Produkte. Hiesige Unternehmen haben im vergangenen Jahr Güter im Wert von 157,9 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten ausgeführt, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Das entspricht 9,9 Prozent sämtlicher Ausfuhren und ist damit der höchste Anteil der vergangenen 20 Jahre. Die USA sind das neunte Jahr in Folge der größte Abnehmer deutscher Produkte, an deren Spitze Pharmaprodukte, Maschinen und Autos stehen. Dieser Trend hat sich laut Bundesamt auch im ersten Halbjahr 2024 fortgesetzt.
Auf Exporte ausländischer Unternehmen in die USA könnten laut Trump zehn bis 20 Prozent aufgeschlagen werden. Dies verteuert Waren in den USA, um einheimischen Produkten einen Vorteil zu verschaffen. Unternehmen geben diese Teuerungen unter Umständen an die Kunden weiter. Die deutsche Wirtschaftsleistung könnten diese Zölle jedoch dämpfen, laut Untersuchungen des Instituts für Makroökonomie (IMK) um etwa ein Prozent. Sollten auch härtere Zölle gegen Waren aus China verhängt werden, Trump sprach von 60 Prozent, könnten entsprechende chinesische Vergeltungsmaßnahmen in Schockwellen bis zu deutschen Unternehmen durchdringen. Aber auch die US-Wirtschaft werde dadurch stark in Mitleidenschaft gezogen, heißt es in der IMK-Studie. Dort könnte die Wirtschaftsleistung um bis zu vier Prozent sinken. Auch von einer möglichen Präsidentin Harris werden Zölle erwartet, in ihrem Ausmaß und den wirtschaftlichen Konsequenzen jedoch deutlich geringer als die Trumps.
Unsicherheit beenden
Angesichts der aktuell sinkenden Wirtschaftsleistung Deutschlands um 0,2 Prozent in diesem Jahr sind dies keine ermutigenden

Aussichten. Den Ökonomen des IMK zufolge dürfte eine Investitionsinitiative der Bundesregierung gegen ein erneutes Sinken des Bruttoinlandsproduktes, ausgelöst durch mögliche US-Zölle, Erfolg haben – wenn sie sich dazu durchringen kann. Erwartet wird derzeit ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent seitens des IMK. Die hartnäckige Flaute sei auch Symptom veränderter weltwirtschaftlicher Gegebenheiten, auf die die Wirtschaftspolitik reagieren müsse, analysieren die Forschenden des IMK. „In der Vergangenheit hat sich die deutsche Wirtschaft meist über den Export aus der Wirtschaftsflaute gezogen“, schreiben sie. Dafür stünden die Chancen derzeit allerdings schlecht, was nicht nur an einer nur moderaten weltwirtschaftlichen Dynamik und nach wie vor relativ hohen Energiepreisen liege. Dafür verantwortlich seien auch die beiden wichtigen Handelspartner Deutschlands, China und die USA, deren Ziel es sei, die Produktion im eigenen Land durch massiven Mitteleinsatz zu stärken und auszubauen, sowie Tendenzen verschiedener Länder, Importe über Zölle zu verteuern.
Bislang verlässt sich die Bundesregierung auf ihre Wachstumsinitiative. Mit ihren gesetzlichen Änderungen sollen Haushalte 2025 mehr Einkommen zur Verfügung haben – die Unsicherheit im Konsumentenverhalten, die derzeit zu der wirtschaftlichen Flaute beiträgt, soll damit beendet werden. Auch die Exporttätigkeit soll dadurch wiederbelebt werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hofft auf eine zügige Umsetzung der Initiative, die industrienahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft pocht weiterhin auf Bürokratieabbau und geringere Energiekosten für die deutsche Industrie. Bleibt die Konjunktur im kommenden Jahr weiter schwach, wird die derzeitige Initiative der Bundesregierung nicht ausreichen. Die Diskussion um eine Änderung der Schuldenbremse wird weitergehen.