Für die Resozialisierung spielt auch die Gefängnisseelsorge eine wichtige Rolle, betont Carmen Folz. Die katholische Gefängnisseelsorgerin ist seit knapp einem Jahr auch zuständig für die Polizeiseelsorge im Saarland.
Die Teilnahme an Vollzugsplankonferenzen gehört mit zu ihren Aufgaben. Auf Grundlage eines Diagnoseverfahrens wird der Vollzugsplan für die Inhaftierten besprochen und erstellt. Daran sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachdienste im Vollzug beteiligt, und eben auch die Gefängnisseelsorge mit Anstaltspfarrer Michael Müller und der Gefängnisseelsorgerin Carmen Folz.
Ihre Berufung war eine Premiere. Als Carmen Folz vor vier Jahren Gefängnisseelsorgerin wurde, war es für das Bistum Trier das erste Mal, dass eine Frau diese Aufgabe übernimmt. „Aus der Kirche in den Knast“ hieß die Schlagzeile zu ihrem Wechsel aus der Arbeit in der Pfarreiengemeinschaft Wadgassen in die neue Aufgabe.
Ende vergangenen Jahres folgte eine weitere Premiere für Carmen Folz, als sie zugleich die Aufgaben der Polizeiseelsorge im Saarland übernommen hat. Dies ist eine bundesweit wohl einmalige Konstellation. „Bis jetzt gelingt es mir sehr gut, beides in Einklang zu bringen“, sagt sie nach knapp einem Jahr.
Auf den ersten Blick mutet es ungewöhnlich an, dass sie sich zugleich um Inhaftierte kümmert als auch um diejenigen, die diese Menschen in die Justizvollzugsanstalt gebracht haben. Im Gespräch wird aber schnell deutlich, dass es teilweise auch Schnittmengen gibt.
Gefängnisseelsorge heißt nämlich mehr, als sich um die Inhaftierten zu kümmern und letztlich zu versuchen, einen Beitrag zur Resozialisierung zu leisten. „Begegnung und Begleitung der Bediensteten ist ein wichtiger Punkt in der Seelsorge“, erläutert Carmen Folz, „und was viele gar nicht wissen: Wir begleiten auch Angehörige.“
Bundesweit einmalige Konstellation
Zum Beispiel Eltern, die damit konfrontiert sind, dass ihr Sohn ein Straftäter geworden ist und in diesem Zusammenhang mit der Seelsorge ein Gespräch suchen. Opfer sind auch die, die die Täter unmittelbar durch ihre Tat hinterlassen; Opfer sind aber auch Angehörige in der eigenen Familie: Kinder die nicht selten in Pflegefamilien oder Heime kommen oder Ehefrauen, die plötzlich alleine dastehen und schauen müssen, wie sie als „Alleinerziehende“ ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. „Und die Täter kommen aus allen Schichten der Gesellschaft.“
Solche Begegnungen und Gespräche ergeben sich oft dann, wenn die Gefängnisseelsorger Inhaftierte in einer sogenannten Lockerungsphase begleiten. „Wenn Inhaftierte die Voraussetzungen dafür erfüllen, werden wir von der Seelsorge auch angefragt, ob wir begleiten. Dadurch lernen wir auch ihre Familien und ihr soziales Umfeld kennen.“
Carmen Folz betreut auch ein ungewöhnliches Projekt im Knast, was ihr als ausgebildete Kirchenmusikerin besonders am Herzen liegt. „Ich habe meinen Chor, die Schola“. Und dieser „Gefangenenchor“ probt nicht nur hinter Gittern. „Vier von ihnen haben auch die Möglichkeit, in Gottesdiensten von umliegenden Gemeinden gesanglich mitzuwirken. Der nächste Termin ist übrigens am 15. November 2024 in der Kirche Herz Jesu in Köllerbach.
Zu Folz‘ Aufgabe gehört auch, dass sie Gesprächskreise für Inhaftierte anbietet. Letztendlich steht alles unter dem Ziel der Resozialisierung. „Dazu tragen alle bei: Beamtinnen und Beamte sowie die Fachdienste Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Pädagoginnen und Pädagogen.“ Die schon erwähnten Vollzugspläne, an denen sie mitwirkt, sind nach ihren Worten so etwas wie „ein roter Faden für die Inhaftierten.“ In der Regel werden diese für ein halbes Jahr erstellt. Für lebenslang Inhaftierte gilt dieser Vollzugsplan oft für ein ganzes Jahr. Die Pläne werden je nach Entwicklung aktualisiert, „weil es viele gibt, die eine Ausbildung absolvieren oder einen Schulabschluss machen wollen. Andere müsse sich einer Therapie unterziehen. In der JVA gibt es eine Vielzahl pädagogischer Angebote, zum Beispiel Sprachkurse (Deutsch, Französisch, Englisch), Mathematik-Kurse, aber auch einen Philosophie-Kurs. Es gibt auch Angebote zur strukturierten Freizeitgestaltung, wie zum Beispiel Sport, Theater-Workshops und Musik.
Ein weiterer „wichtiger Punkt in der Seelsorge“ richtet sich an die Beamtinnen und Beamten im Vollzug. Diese sind durch ihre Aufgaben oft stark belastet. Sie sind unter anderem konfrontiert mit Inhaftierten im Ausnahmezustand psychischer und physischer Art. Die Belastungen für Bedienstete und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachdienste hätten auch aufgrund von Personalmangel zugenommen. Oft falle es bei aller Professionalität den Bediensteten auch schwer, damit umzugehen, was die Täter getan haben, weiß Carmen Folz. Auch deshalb bieten Anstaltspfarrer Michael Müller und sie selbst regelmäßig „Pilgertouren“ – „bei mir muss man gut zu Fuß sein“, betont Carmen Folz – und, „geistliche Auszeiten“ an. „Diese Angebote werden sehr gut angenommen und sind unmittelbar nach der Ausschreibung direkt ausgebucht. Hier ist eine Schnittstelle zur Polizeiseelsorge. In diesem Jahr fand ein gemeinsames Seminar für Polizei- und Justizvollzugsbeamte statt. Beamte und Beamtinnen sind in beiden Feldern mit Konflikten, Stress, psychischen Belastungen, Tod und vielem mehr konfrontiert. Besonders im Polizeidienst spielt das Unvorhersehbare eine große Rolle. „Sie kommen zum Dienst und wissen nicht, was auf sie zukommt“.
„Das ist kein Job, das ist Berufung“
Für Carmen Folz ist es wichtig, im Sinne einer „aufsuchenden Seelsorge“ die Dienststellen zu besuchen und auch bei Polizeieinsätzen mitzufahren und mit dabei zu sein. Sie zeigt sich beeindruckt: „Hut ab, was sie für unsere Gesellschaft leisten.“ Bei ihren Gesprächen kommt immer wieder ein Thema zur Sprache: „Die Verrohung und die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft haben zugenommen.“
Carmen Folz ist mit einer halben Stelle als Polizeiseelsorgerin für das ganze Saarland zuständig und wird in ihrer Arbeit als Polizeiseelsorgerin noch von ihrem rheinland-pfälzischen Kollegen Hubertus Kesselheim unterstützt. Die Vielfalt ihrer Aufgaben ist durchaus eine große Herausforderung. „Das ist kein Job. Das ist Berufung, bei der man mit Überzeugung und von ganzem Herzen dahinterstehen muss.“ Carmen Folz erwähnt auch, dass viele Beamte und Beamtinnen in beiden Arbeitsfeldern (Polizei und Vollzug) die Kirche verlassen, kirchenfern sind, aber die Seelsorge dennoch gefragt ist. Für sie spielen in ihrer Arbeit diese Faktoren keine Rolle. Grundsätzlich geht es ihr in ihrer seelsorglichen Arbeit immer primär um den konkreten Menschen.