Innerhalb des deutschen Volleyballs gibt es einige Ideen, wie Talente am besten gefördert werden. Der VC Olympia ist eine davon, eine andere das Hauptstadt-Projekt der BR Volleys.

Der VC Olympia Berlin ist eine besondere Mannschaft der Volleyball-Bundesliga. Sie spielt mit einem Sonderstartrecht in der höchsten deutschen Spielklasse, ihre Spiele gehen vollständig in die Wertung ein. Absteigen kann sie aber nicht, obwohl die Mannschaft sehr wahrscheinlich und auch erwartbar die Hauptrunde auf dem letzten Platz abschließen wird. Bei den Auftritten des Teams, das aus dem Bundesstützpunkt für Nachwuchsförderung im Volleyball stammt, geht es aber weniger um Sieg und Niederlage. Sondern vor allem um die Entwicklung einiger der besten Nachwuchsspieler Deutschlands im Juniorenbereich. Und so dürfen die Youngsters mit VCO Berlin im regulären Ligaspielbetrieb der Erwachsenen mitspielen und „frühzeitig wichtige Wettkampfpraxis“ sammeln, wie es auf der VCO-Webseite steht. Unterstützt wird das Projekt vom Deutschen Volleyball-Verband, den Landesverbänden, der Bundesliga und den Clubs. Es sei ein „einzigartiges Projekt in der deutschen Sportlandschaft – mit Ziel Olympische Spiele“.
„Frühzeitig wichtige Wettkampfpraxis“
Damit die deutschen Nationalmannschaften den Schwung von Olympia in Paris mitnehmen und in vier Jahren in Los Angeles vielleicht noch besser abschneiden, soll der ein oder andere Spieler oder die ein oder andere Spielerin aus dem VCO-Team den Durchbruch schaffen. Dass es bis dahin ein weiter Weg ist und zum Entwicklungsprozess maßgeblich auch dazu gehört, Niederlagen wegzustecken, zeigt die aktuelle Saison. Das hochveranlagte, aber noch sehr unerfahrene und körperlich nicht so robuste Team von Trainer Grzegorz Rys verlor bei den Männern alle seine ersten sechs Spiele. Auch beim bis dahin ebenfalls noch sieglosen Team aus Königs Wusterhausen setzte es am vergangenen Wochenende ein 0:3. Lediglich beim 1:3 in der Partie in Dachau gelang ein Satzgewinn. Besonders eklatant ist der Leistungsunterschied, wenn VCO Berlin gegen die Topteams der Liga antritt. So wie bei der Niederlage gegen Ex-Meister VfB Friedrichshafen, als der mit fünf Punkten Differenz verlorene dritte Satz schon der knappste war. „Wir haben heute gegen eine der besten Mannschaften Deutschlands gespielt und Phasen gezeigt, in denen wir mithalten konnten“, sagte Trainer Rys hinterher: „Das müssen wir mitnehmen und weiter daran arbeiten, konstanter zu werden.“ Und auf der Internetseite war von einem „wertvollen Spiel“ die Rede, „aus dem die jungen Spieler viel lernen konnten“.
Ähnliche Sätze dürften nach dem Spiel im Stadt-Derby am Sonntag (27. Oktober) fallen. Gegner BR Volleys ist nicht nur Rekordmeister, sondern verfügt auch in dieser Saison über einen exquisiten Kader. Alles andere als ein glatter 3:0-Sieg für den Champions-League-Starter wäre eine große Überraschung. Zumal der Titelverteidiger hervorragend aus den Startlöchern gekommen ist. Nach dem jüngsten 3:0-Erfolg bei den SWD Powervolleys Düren ist der deutsche Vorzeigeclub schon wieder klar auf Titelkurs – mit einer makellosen Bilanz von fünf Siegen aus fünf Spielen. Einzig beim SSC Karlsruhe und gegen Erzrivale VfB Friedrichshain gaben die Volleys jeweils einen Satz ab.
Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass sich der Trend ausgerechnet gegen das Tabellenschlusslicht VCO Berlin ändert. Die Volleys werden in dem Spiel nicht an ihre Leistungsgrenze gehen müssen, und Manager Kaweh Niroomand bezweifelt sogar den großen Lerneffekt für die jungen Talente in so einem ungleichen Kräftemessen. „Den VC Olympia brauchen wir nicht!“, sagte der BR-Volleys-Manager vor ein paar Jahren mal über das Nachwuchs-Projekt des Verbandes, das seiner Meinung nach damals gar „ein Hindernis“ gewesen sei. Seitdem haben sich die Strukturen jedoch verbessert, auch bei der Trainingsarbeit und Betreuung hielt deutlich mehr Professionalität Einzug.
Die BR Volleys konzentrieren sich aber auf ein anderes Nachwuchskonzept, das sie für Gesamtberlin 2016 gegründet haben. Die Nachwuchsabteilung des Clubs, die SCC Juniors, organisiert in Zusammenarbeit mit dem Berliner Volleyball-Verband die unterste Stufe der Mitgliedergewinnung im männlichen Bereich. „Wir haben Sichtungsstrukturen im gesamten Stadtgebiet geschaffen und eine sehr große Schulliga mit über 150 Schulen aufgebaut“, erklärte Torsten Manke. Der Chef- und Sichtungstrainer verriet, dass dadurch und durch weitere Projekte alle Partnervereine einen „phänomenalen“ Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen konnten. So seien 2016 nur 73 Jungen bis 18 Jahre in Berliner Vereinen gemeldet gewesen, acht Jahre später sind es bereits 1.796. Die Tendenz ist steigend, und die inzwischen 14 Partnervereine haben Vertrauen in das Projekt gefasst.
Zusammenarbeit mit Geben und Nehmen
„Als ich angefangen habe, waren alle Vereine in Konkurrenz“, erinnert Manke: „Jetzt basiert alles auf Partnerschaft. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir das Kooperationsmodell mit den Vereinen so aufbauen, dass es auf Geben und Nehmen basiert.“ Die Partnerclubs müssen für die Berliner Auswahl- und Stützpunktmannschaften ihre besten Spieler freigeben, die in der Saison eine Spielrechtsübertragung haben. „Es geht aber nicht darum, die Talente aus den Vereinen abzuwerben und in einen anderen reinzupacken“, erklärte Manke, „es geht im Endeffekt darum, dass wir die besten Talente aus Berlin für eine Saison bündeln.“ Anschließend können die Spieler wieder ganz normal bei ihren Vereinen trainieren. „Wir versuchen, eine große Community zu entwickeln. Das funktioniert, alle haben Spaß“, berichtete Manke. Die Entwicklung des Volleyball-Nachwuchses stehe hierbei im Vordergrund, nicht die Vereinsinteressen. „Es erzeugt ein Zugehörigkeitsgefühl.“

Niroomand attestiert dem Projekt „sehr gute Arbeit“, die sich langfristig „auch für uns als BR Volleys lohnt, wenn noch zwei, drei Hausaufgaben gemacht werden“. Die Breite sei im Berliner Volleyball bereits deutlich ausgebaut worden, nun müsse „der Übergang zum Spitzensport gelingen“. Bei einem deutlich größeren Talente-Pool stehen die Chancen aber natürlich besser. Und so halten die BR Volleys fest: „Der deutsche Volleyball ist nicht mehr allein auf den VC Olympia Berlin als Talente-Pool angewiesen.“ Der deutsche Serienmeister präsentiert dabei gerne Djifa Julien Amedegnato als Paradebeispiel. Der 20-Jährige hat als einer der Ersten das Berliner Nachwuchskonzept vollständig durchlaufen und sich inzwischen einen der begehrten Kaderplätze bei den BR Volleys gesichert. „Er soll ein bis zwei Jahre Zeit bekommen, von unserem ersten Zuspieler Hannes Tille zu lernen“, sagte Niroomand.
Gänzlich ohne Profierfahrung unterschrieb Amedegnato bei den Volleys nicht. In der Vorsaison lief er für die Netzhoppers Königs Wusterhausen auf. Davor spielte er drei Jahre beim VCO. „Ich werde vielleicht nicht viel spielen können, aber ich darf jeden Tag mit dem besten Zuspieler Deutschlands trainieren. So werde ich mich hoffentlich über die Jahre sehr verbessern“, sagte der Jungprofi. Den Weg, wieder mehr auf deutsche Spieler zu setzen, wollen die BR Volleys verstärkt bestreiten, denn diese seien bessere „Identifikationsfiguren“, weiß Niroomand: „Wenn der Deutsche Volleyball-Verband jetzt nachzieht, gibt es in Deutschland bald kein Nachwuchsproblem mehr.“