Im Jahr 2019 und 2020 gab es die ersten spektakulären bildlichen Dokumentationen der beiden sogenannten Supermassiven Schwarzen Löcher „M87*“ und „Sagittarius A*“. Seither hat die Astrophysik viele neue Erkenntnisse über diese mysteriösen kosmischen Phänomene sammeln können.
Schwarze Löcher im Universum sind noch immer so etwas wie der Inbegriff des schier Unbegreiflichen. Nicht einmal Albert Einstein hatte ihre Existenz trotz der gegenteiligen Vorhersagen in seiner eigenen Allgemeinen Relativitätstheorie für möglich gehalten. Sie sind fürwahr Orte der Extreme, ihre Eigenschaften sprengen die menschliche Vorstellungskraft. „Sie verbiegen den Raum, dehnen die Zeit ins Unendliche und setzen die herkömmlichen Gesetze der Physik außer Kraft“, wie es das Magazin „Geo“ auf den Punkt gebracht hat. Die Masse ist in ihnen so stark zusammengepresst, dass nichts sich ihrer gewaltigen Anziehungskraft entziehen kann. Dabei ist die gigantische Masse als unvorstellbar dichte Ansammlung von Materie mit daraus resultierender extremer Schwerkraft in einem unendlich kleinen Punkt konzentriert, selbst die Masse von mehreren Milliarden Sonnen kann in einem Schwarzen Loch auf einem Punkt komprimiert sein. Ein Schwarzes Loch mit der Masse der gesamten Erde hätte gerade mal einen Durchmesser von ungefähr einem Zentimeter, wäre also in etwa so groß wie eine Kirsche. Niemand weiß, was im Inneren dieser mysteriösen und dabei unsichtbaren Giganten vor sich geht.
Apokalyptischer Schlund
Aber was in der Nähe eines Schwarzen Lochs passiert, in dem sogar die Zeit „stillsteht und in seinem Inneren sogar die Zukunft existiert“, so die ARD-„Tagesschau“, wurde in den letzten Jahren so umfassend wie nie erforscht und dokumentiert. Mathematisch hatte der deutsche Astrophysiker Karl Schwarzschild schon 1916 das wahrscheinliche Vorhandensein solch ungewöhnlicher kosmischer Strukturen aus Einsteins Relativitätstheorie abgeleitet. Doch erst seit den späten 1960er-Jahren verdichteten sich nach und nach die Hinweise auf das tatsächliche Vorhandensein Schwarzer Löcher als Bestandteil von Galaxien. Letzte Gewissheit sollten dann die Forschungen seit den Nullerjahren bringen.
Ein Schwarzes Loch verfügt als eines der merkwürdigsten Objekte im Universum im Unterschied zu Planeten oder Sternen nicht über eine Oberfläche. Der Blick mittels modernster Technologie von der Erde aus reicht nur bis zu einer immateriellen Grenze, die das Schwarze Loch kugelförmig umgibt, dem in der Fachsprache sogenannten Ereignishorizont oder „Event Horizon“. Alles, was dahinter in rätselhafter Dunkelheit liegt, kann sich dem Sog des Schwarzen Lochs niemals mehr entziehen.
Gemeinhin werden die Schwarzen Löcher zum besseren populären Verständnis als eine Art von apokalyptischem Schlund beschrieben, im dem alles, was ihnen zu nahe kommt – Sterne, Planeten oder andere Materie – mit einer Beschleunigung jenseits der Lichtgeschwindigkeit wie im Abfluss einer Küchenspüle auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Allerdings fällt die Materie meist nicht direkt ins Zentrum des Schwarzen Lochs. Sie sammelt sich in Form eines Millionen Grad heißen, in Leuchtfarben strahlenden Gases auf einem sich immer schneller um das Schwarze Loch rotierenden Ring, der in der Fachsprache als Akkretionsscheibe bezeichnet wird. Und erst danach fließt sie ähnlich wie der Wasserstrudel in der Badewanne ins Zentrum ab. Nicht die Gesamtheit aller Materie verschwindet in den Schwarzen Löchern, ein Teil wird durch die enormen Beschleunigungskräfte im Umfeld des Loches auch wieder durch sogenannte Jets bis zu Tausende Lichtjahre weit fortgeschleudert. Außerdem können Schwarze Löcher beim Schlucken von Materie gewaltige Energien in Schockwellen in den interstellaren Raum freisetzen und dadurch die Evolution ihrer jeweiligen Galaxie erheblich mitbestimmen. Allerdings ist weiterhin ungeklärt, wie die ersten Schwarzen Löcher entstanden sind, und vor allem, wie es in ihrem Inneren aussieht. „Sie sind eine klaffende Lücke in den Modellen der Physik“, so die renommierte US-amerikanische Astrophysikerin Professor Sera Markoff. „Denn unsere derzeitige Theorie bricht dort zusammen. Wir haben kein Konzept, was genau dort mit der Raumzeit passiert.“
In drei Klassen eingeteilt
Wobei Schwarzes Loch nicht gleich Schwarzes Loch ist. Die Astrophysiker unterscheiden je nach Größe dabei drei Klassen. Wobei die kleinsten als sogenannte Stellare Schwarze Löcher bezeichnet werden. Sie haben die mehrfache Masse der Sonne und entstehen vermutlich, wenn sehr massenreiche Sterne ausgebrannt sind und danach unter ihrem eigenen Gewicht kollabieren. In unserer Milchstraße konnten Forscher rund um die Europäische Südweststernwarte (Eso) mit Sitz in Garching bei München das bislang massenreichste Stellare Schwarze Loch nachweisen und ihre Entdeckung im Frühjahr 2024 im Fachmagazin „Astronomy & Astrophysics“ vorstellen. Der auf den Namen „Gaia BH3“ getaufte Gigant hat laut der Eso die etwa 33-fache Masse der Sonne und ist mit einer Entfernung von rund 2.000 Lichtjahren vergleichsweise nahe der Erde zu finden.
Die Größenordnung der sogenannten Mittelschweren Schwarzen Löcher deckt die Spannbreite zwischen 100 und einer Million Sonnenmassen ab. Wobei die Wissenschaft lange Zeit Probleme hatte, Beispiele für diese Kategorie aufzuspüren. Im Sommer 2024 konnte ein Forscherteam unter Leitung von Maximilian Häberle vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg den bislang besten Beweis für genau diesen Typus von Schwarzem Loch mit einer im Fachmagazin „Nature“ publizierten Studie liefern (zuvor konnte im gesamten Universum überhaupt nur ein knappes Dutzend entdeckt werden). Wobei das Forscherteam durch Analyse der Archivdaten des Weltraumteleskops „Hubble“ in der Mitte des mit zehn Millionen Sternen größten Kugelsternhaufens der Milchstraße namens Omega Centauri sieben Sterne ausgespäht hatte, deren extrem hohe Geschwindigkeit sich eigentlich nur durch das Vorhandensein und die Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs erklären ließ. Sie konnten dessen Masse auf das 8.200-fache der Sonne taxieren und es mit einer Entfernung von rund 18.000 Lichtjahren vergleichsweise nahe der Erde verorten.
Die dritte Klasse bilden die in den Zentren ihrer jeweiligen Galaxien anzutreffenden sogenannten Supermassiven Schwarzen Löcher, die es auf das Millionen- oder gar Milliardenfache der Masse der Sonne bringen. In dieser Megaklasse hat es in den letzten Jahren geradezu spektakuläre neue Erkenntnisse gegeben. Wobei sich vieles um das rund 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernte und mit rund 4,1 Millionen Sonnen massenreichste Schwarze Loch unserer Milchstraße namens „Sagittarius A*“ dreht. Dessen Erforschung brachte 2020 drei Wissenschaftlern, darunter mit Reinhard Genzel einem der Direktoren des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in München-Garching, den Nobelpreis für Physik ein. Auch wenn nach wie vor noch unklar ist, wie diese supermassereichen Monster-Löcher entstanden sind. Viel spricht dafür, dass sie sich im jungen Kosmos überraschend schnell, in wenigen Hundert Millionen Jahren, gebildet haben könnten, womöglich sogar schon kurz nach dem Urknall, um danach rasch an Masse zuzulegen. Eine andere Hypothese geht von im jungen Kosmos geballt vorhandenen extrem massereichen Sternen aus, aus denen nach deren vergleichsweise schnellem Verglühen die Supermassiven Schwarzen Löcher entstanden sein könnten. Das weltweite Interesse an den Supermassiven Schwarzen Löchern wurde 2019 und 2022 durch die ersten beiden Bilder von diesen eigentlich unsichtbaren Phänomenen des Universums geweckt. Wofür sich in beiden Fällen bei dem Projekt „Event Horizon Telescope“ (EHT) eine internationale Forschungsgemeinschaft verantwortlich gezeichnet hatte. Mit Hilfe eines weltumspannenden Netzwerks von acht Radioteleskopen wurden seit Frühjahr 2017 zwei potenzielle Supermassereiche Schwarze Löcher ins Visier genommen. Zum einen „Sagittarius A*“ im Zentrum unserer Milchstraße, zum anderen das Mega-Loch mit 6,5 Milliarden Sonnenmassen im Zentrum der rund 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernten Riesengalaxie „Messier 87“ (M87). Auf keinem der beiden Bilder, die in der Nähe der Loch-Ränder viele Ähnlichkeiten aufwiesen, konnte natürlich das im Dunkel des Universums verborgene jeweilige Loch visualisiert werden. Wobei die Aufgabe bei „M87*“ trotz der ungefähr 2.000-mal größeren Entfernung wegen der 1.000-mal größeren Masse leichter war als bei „Sagittarius A*“. Durch Koppelung der acht Teleskope konnte ein virtuelles Radioobservatorium mit einem Durchmesser von rund 12.000 Kilometern erreicht werden, was etwa dem Durchmesser der Erde entsprach. Mit Hilfe einer speziellen Methode namens „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI) konnten Zigtausende Lichtjahre entfernte Objekte mit sehr kleinen Radiowellen im Bereich von 1,3 Millimetern exakt beobachtet werden. Die durch das virtuelle Teleskop gewonnenen Daten wurden anschließend in Rechenzentren mit Supercomputern eingespeist und danach zu einem Bild zusammengebastelt.
Wachstum durch Verschmelzung
Wobei letztendlich die einzige Chance, Schwarze Löcher sichtbar zu machen, darin bestand, ihren sogenannten Schatten abzulichten. Dieser zeigte sich als leuchtend-heller Ring aus heißem Gas und ist etwa doppelt so groß wie der eigentliche Ereignishorizont. Er entstand durch die extrem starke Beugung des Lichts – und zwar kurz bevor dieses unwiderruflich im Schwarzen Loch verschwindet. Auf beiden veröffentlichten Fotos, „M87*“ 2019, „Sagittarius A*“ 2022, ist eine ringförmige Struktur mit einer dunklen Zentralregion zu erkennen – eben der Schatten des Schwarzen Lochs. „Um dieses sehr massereiche und kompakte Objekt bewegt sich mit hohen Geschwindigkeiten ein heißes Gasplasma. Die ringförmige Struktur auf dem Bild ist nichts anderes als die stark erhitzte Materie um das Massemonster, dessen Licht von ihm selbst wie durch eine Linse umgelenkt und verstärkt wird“, so die Beschreibung des „M87*“-Bildes durch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie. Einen ähnlichen Ring aus Gas, der das Schwarze Loch in der Mitte umkreist, konnte für das Bild von „Sagittarius A*“ rekonstruiert werden. Im Frühjahr 2024 berichteten Wissenschaftler des EHT-Teams in zwei Fachartikeln über die Entdeckung eines starken geordneten Magnetfeldes nahe des „Sagittarius A*“, welches große Ähnlichkeiten mit dem Magnetfeld des viel größeren „M87*“ aufgewies. „Starke, geordnete Magnetfelder scheinen also – unabhängig von der Masse – charakteristisch für Schwarze Löcher zu sein“, so die Forscher. Sie äußerten zudem die Vermutung, dass diese Magnetfelder den Zustrom von Gas aus der Umgebung des Schwarzen Lochs regulieren könnten.
Im Spätsommer 2024 konnten Wissenschaftler der University of Nevada in Reno unter Federführung der Astrophysiker Yihan Wang und Bing Zhang eine weitere Entdeckung rund um „Sagittarius A*“ im Fachjournal „Nature Astronomy“ publizieren. Demnach verdankt dieses Schwarze Loch seine heutigen besonderen Merkmale einer Verschmelzung mit einem anderen, deutlich kleineren Schwarzen Loch einer benachbarten Galaxie. Sagittarius A* soll mit einem zweiten massereichen Schwarzen Loch verschmolzen sein, dass nur ein Viertel seiner Masse betragen habe und beim Zusammenprall fast senkrecht zum Schwarzen Loch der Milchstraße orientiert gewesen sein müsse. „Diese Verschmelzung veränderte das Tempo und die Ausrichtung, mit der Sagittarius A* rotiert, dramatisch“, so Yihan Wang. Im Zuge der folgenden, rund eine Milliarde Jahre dauernden Verschmelzung der beiden Galaxien muss es laut den beiden Astrophysikern etwa vor rund neun Milliarden Jahren auch zu einer Verschmelzung der beiden Schwarzen Löcher gekommen sein. „Diese Verschmelzung hatte ein 4:1-Massenverhältnis und eine Neigung von 145 bis 180 Grad in Bezug auf unsere Sichtlinie“, so Yihan Wang. Wodurch sich laut den Forschern die speziellen heutigen Merkmale von „Sagittarius A*“ am besten erklären lassen. Nach Abschluss der galaktischen Karambolage sollen sich demnach Rotation und Neigungswinkel auf die heutigen Werte eingependelt haben. „Die Entdeckung gibt uns neue Einblicke in die dynamische Geschichte unserer Galaxie“, so Bing Zhang, „Gleichzeitig bestätigt sie die Theorie, nach der Schwarze Löcher durch solche hierarchischen Verschmelzungen wachsen und sich entwickeln konnten.“