Die Digitalisierung in Krankenhäusern soll seit knapp drei Jahren durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) vorangetrieben werden. Doch wie digital sind deutsche Kliniken mittlerweile tatsächlich? Ein Einblick in die Krankenhauslandschaft.
Unsere Krankenhäuser und Kliniken werden digitaler. Doch vom Patientenportal bis zur automatisierten Datenerfassung auf Intensivstationen gibt es noch viel zu tun. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) soll seit knapp drei Jahren die Digitalisierung in Kliniken und Krankenhäusern vorantreiben. Manche Häuser in Deutschland schmücken sich als klare Vorreiter, andere verzweifeln an externen Beratungsfirmen und zu wenig Personal.
Dabei haben es Kliniken in urbanen Regionen einfacher, die Digitalisierungsprojekte umzusetzen. Das wird in Gesprächen mit Verantwortlichen und Ärzten aus vier verschiedenen Kliniken deutlich.
„Das KHZG führt zu einem starkem Verwaltungsoverhead“, sagt Lukas Schmitt*, IT-Leiter an einem Krankenhaus am Rande der bayerischen Alpen. „Die Herausforderung ist, dem ganzen Bürokratiewahnsinn gerecht zu werden. Die ganze Dokumentation saugt viel Energie und man sitzt lange an Excel-Listen, anstatt dem eigentlichen Job der IT in einem Krankenhaus nachzugehen.“
Kleine Kliniken haben es schwerer
Kleine Kliniken haben oftmals nur ein oder zwei Fachangestellte, die sich um die IT kümmern. Wenn Änderungen anstehen und neue Programme eingeführt werden, ist viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Mitarbeitende müssen in die neuen Prozesse eingeführt werden, um sie verstehen und umsetzen zu können. Das Fachwissen und die detaillierte Aufklärung werden nur durch die Fachkräfte der IT vor Ort vermittelt, erläutert Schmitt. So sei beispielsweise bereits bei der digitalen Unterschrift von Arztbriefen Überzeugungsarbeit zu leisten, die viel Energie bündelt. Besonders in den ländlichen Regionen kommen auch externe Ärztinnen und Ärzte in Kliniken zum Einsatz. Solche Abläufe sind ebenfalls ein Mehraufwand, der speziell kleine Häuser in ländlichen Gebieten betrifft. Teilweise kümmern sich sogar externe Fachkräfte um die IT und sind noch nicht vor Ort anzutreffen, wie beispielsweise in einer Rehaklinik in Baden-Württemberg.
Die Projekte des KHZGs treffen alle gleich. In urbanen Regionen wie in der Metropole Bonn/Rhein-Sieg sieht es indes anders aus. Die Klinikgruppe BBT hat in Bonn drei Standorte und mit fast 500 Betten eine ähnliche Bettenanzahl wie das Krankenhaus am Alpenrand. Die IT-Abteilung befasst sich schon seit mehr als acht Jahren mit der Umstellung auf digitale Prozesse. „Bereits seit 2016 sind wir nahezu vollständig digital“, berichtet Michael Kreuzer, der IT-Leiter des Bonner Gemeinschaftskrankenhauses. „Gleich im Zuge der Digitalisierung haben wir mobile Geräte eingeführt. Alle Mediziner haben iPad Minis und somit alle relevanten Informationen über ihre Patientinnen und Patienten immer dabei.“
Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Umsetzung neuer Prozesse ist laut Kreuzer eine gute Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und vor allem der Ärzteschaft. Kreuzer: „Glücklicherweise haben wir ein gutes Miteinander im Krankenhaus, und die IT-Abteilung hat bei allen Mitarbeitenden ein gutes Ansehen.“
Auf ein gutes Miteinander setzt auch das Universitätsklinikum im hohen Norden in der kreisfreien Stadt Oldenburg. Mit Förderungen unter anderem vom Land Niedersachsen schuf der Vorstand des Klinikums eine eigene Abteilung, die hauptverantwortlich Digitalisierungsvorhaben plant und mit weiteren Akteuren sowie der IT-Abteilung umsetzt. Im Gegensatz zu anderen Universitätskliniken ist die Oldenburger Einrichtung mit etwas über 800 Betten recht klein und dennoch einer der wichtigsten Maximalversorger in der Region.
„Für die Umsetzung der KHZG-Projekte wurde die Abteilung ‚Zentrales Projektmanagement‘ am Klinikum Oldenburg implementiert“, erläutert Kim Körber. Seit 2022 leitet sie die Abteilung „Zentrales Projektmanagement“ und macht sich stark für die voranschreitende Digitalisierung im Klinikum. „Innerhalb der Projekte arbeiten wir transparent, auf Augenhöhe und hierarchieübergreifend“, sagt Körber. „Zu den agilen Projektmanagementmethoden zählt, dass sich die Projektgruppen wöchentlich in interdisziplinären Teams treffen und gemeinsam an der Umsetzung arbeiten.“
Durch die geschaffenen Stellen und Räume kann das Klinikum Oldenburg ohne externe Beraterinnen und Berater auskommen und empfiehlt besonders interdisziplinäre Teams. Ralf Boldt ist Leiter der IT-Abteilung und entwickelt seit mehreren Jahren „Masterpläne“ für ein digitales Klinikum. „Wir haben keine externen Beratungsfirmen beauftragt, sondern arbeiten in interdisziplinären Teams zusammen“, sagt Boldt. „Außerdem haben Beratungsfirmen oftmals für spezifische Fälle keine Expertise, denn jedes Klinikum ist individuell. Das können Beratungsfirmen oft nicht leisten.“
Doch anscheinend hat der Bund die externen Beratungsfirmen für die Umsetzung der Vorhaben eingeplant. Das ist zwar löblich – und doch unzureichend, besonders für Kliniken mit Bedarf an Unterstützung. „Viele Beratungsfirmen denken nicht in den Prozessen, die wir hier am Klinikum benötigen“, sagt Lukas Schmitt aus Bayern. „Sie denken in ‚Muss-Kriterien‘, und das hilft nicht immer weiter.“
Von Anfang an Kritik am KHZG und den Fördermitteln
Beim Blick auf die KHZG-Projekte wird schnell klar, dass es hier einzelne Lösungen für jedes Klinikum gibt. Trotzdem greifen auch alle drei Kliniken auf externe Angebote zurück und äußern dieselbe Kritik. Zum Beispiel bei den neuen Patientenportalen. So stellt Michael Kreuzer vom Gemeinschaftskrankenhaus Bonn klar, dass die Anforderungen für die IT-Abteilung „Neuland“ seien und sein Haus daher auf externe Angebote zurückgreifen müsse. Kim Körber aus Oldenburg ergänzt, dass trotz der hohen Nachfrage und Bedarfe nur wenige Produkte am Markt sind, zwischen denen man sich entscheiden müsste. „Normalerweise haben wir im Gesundheitssektor eine große Bandbreite von Angeboten“. Lukas Schmitt fordert: „Aktuell baut jedes Haus ein eigenes Patientenportal. Da wäre es schon sinnvoll gewesen, von staatlicher Seite Mittel anzubieten. So haben die Patientinnen und Patienten nicht wirklich einen Mehrwert und nur noch mehr Orte, wo ihre Daten liegen.“
Am KHZG und den damit verbundenen Fördermitteln für Digitalisierungsprojekte gibt es schon von Beginn an Kritik. Auch sind die Forderungen nach staatlichen Unterstützungen und breiteren Lösungen für die Kliniklandschaft von Beginn an ein Thema. Doch staatliche, einheitliche Lösungen sind in der deutschen Kliniklandschaft noch nicht vorgesehen. Bis Ende 2024 sollten alle Projekte erfolgreich abgeschlossen ein. Doch die Kliniken in Deutschland sind unterschiedlich weit in der Umsetzung, und es läuft bei weitem nicht so wie erwartet. Bereits Ende Mai haben Bund und Länder gemeinsam entschieden, die Frist zu verlängern und anzupassen. Bis Ende 2024 müssen jetzt lediglich die Projekte beauftragt, jedoch nicht ausgeführt sein.
Auch in Österreich wird klar, weshalb Fachkräfte einheitliche Lösungen fordern. Dort wurde in einem langen Prozess die IT-Infrastruktur einheitlich modernisiert und digitalisiert. Alle Dienste im stationären Bereich werden in dieselbe Dokumentationssoftware eingespielt, die das staatliche Unternehmen „Elga GmbH“ stellt. Durch diese einheitliche Speicherung können Patientinnen und Patienten ihre elektronische Gesundheitsakte jederzeit einsehen und vor allem auch in weiteren Kliniken oder bei ambulanten Praxisbesuchen nutzen. Interoperabilitätsprobleme, also das Übernehmen von Daten von einer in die andere Software, entfallen damit.
Besonders Medizinerinnen und Mediziner in der Intensivmedizin schätzen den hohen Stand der Digitalisierung. So auch Privatdozent Dr. Peter Paal, Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Salzburg. „Die Arbeit ist deutlich genauer als zuvor“, sagt Paal. „Wir sparen viel Dokumentationsarbeit, und unsere Abläufe sind schneller. In der Regel haben wir wenig Interoperabilitätsprobleme und können die Akte ebenso an andere große Häuser weitergeben.“ Digitale Intensivstationen bieten aus Sicht des Mediziners große Vorteile. „Innerhalb von Minuten habe ich alle erhobenen Werte und Untersuchungsergebnisse vorliegen“, sagt Paal. „So kann ich sie ortsunabhängig einsehen und vor allem problemlos den Verlauf der letzten Tage begutachten.“
In Deutschland sind komplett digitale Intensivstationen bislang noch eine Seltenheit. Ob das KHZG, die gebundenen Fördermittel und somit unzählige einzelne Projekte der richtige Weg sind, können wir aktuell noch nicht beantworten. Klar wird allerdings: Mehr staatliche Unterstützung bei der Umsetzung und mehr Einheitlichkeit wünschen sich viele Mitarbeitende und vor allem IT-Fachkräfte in der deutschen Krankenhauslandschaft.