SVolt, Wolfspeed, ZF. Investitionen abgesagt oder zurückgestellt. Arbeitsplatzabbau angekündigt. Die Entwicklung im Saarland spiegelt grundlegende Probleme. Eine „letzte Alarmglocke“, mahnt Ministerpräsidentin Anke Rehlinger.

Diese Tage muss das Saarland erst einmal verkraften. Eine Woche mit Rückschlägen, die über das Land hinaus auch einen weiteren kräftigen Dämpfer für den Standort Deutschland bedeuten.
Die geplante Realisierung der Wolfspeed-Chipfabrik am Standort Ensdorf wird „auf unbestimmte Zeit verschoben“, der Automobilzulieferer ZF baut massiv Stellen ab, und dann wird am Ende der Woche bekannt, dass sich der chinesische Batteriehersteller SVolt von seinen geplanten Europaaktivitäten zurückzieht, die ursprünglich geplante Batteriefabrik auf dem Linslerfeld bei Überherrn folglich nicht realisiert wird.
Die Ansiedlung des Unternehmens SVolt hätte etwa 2.000 Arbeitsplätze bringen können, war aber trotzdem von Anfang an vor Ort ziemlich umstritten. Es wäre eine Ansiedlung auf der sprichwörtlichen „Grünen Wiese“ gewesen. Bürgerinitiativen hatten dagegen mobil gemacht, auch aus Sorge um das Grundwasser. Erst vor wenigen Tagen hatte der BUND eine Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Der war erst nach einigem Streit im Gemeinderat Überherrn verabschiedet worden.
„Schwacher Markt für Elektromobilität“
Ausschlaggebend für den Rückzieher von SVolt waren aber übergeordnete Entwicklungen. In einer Mitteilung des Unternehmens ist von einer „strategischen Entscheidung“ die Rede angesichts einer schwachen Marktentwicklung für Elektromobilität in Europa. Zuvor hatte sich SVolt bereits auch schon von einem Projekt in der Lausitz verabschiedet, wo um die 1.000 Arbeitsplätze hätten entstehen sollen. Neben der generell schwachen Marktentwicklung war ein essenzieller Kunde von SVolt abgesprungen.
Insofern kam die Nachricht vom endgültigen Rückzug nicht völlig überraschend. Spekuliert wurde darüber bereits seit dem Rückzug im Mai aus dem Lausitz-Projekt. Trotzdem war die offizielle Meldung auch deshalb ein besonders herber Schlag, weil sie am Ende einer Woche mit einer Reihe weiterer schlechter Nachrichten stand.
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hatte sich drei Tage zuvor in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz mit der Entwicklung bei einem weiteren Hoffnungs- und Zukunftsprojekt im Saarland – mit deutschlandweiter und europäischer Dimension – auseinandersetzen müssen.
Der Chiphersteller Wolfspeed „steht zum Standort Ensdorf, verschiebt aber sein Invest wegen der aktuellen Marktlage auf unbestimmte Zeit“, teilte die Regierungschefin mit.
Die Botschaft fügt sich ein in eine ganze Reihe ganz ähnlicher Meldungen. Erst vor wenigen Monaten hatte Intel mitgeteilt, seine Pläne in Magdeburg um zwei Jahre zu verschieben. Und in Sachen Batteriefabrik haben die Pläne für eine „Gigafactory“ in Kaiserslautern (von europäischen Herstellern) im Sommer auch erst einmal eine Pause eingelegt.
Die Rückschläge hängen insofern wohl kaum an saarländischen Besonderheiten, ganz im Gegenteil. Schließlich habe sich das Saarland als Standort im internationalen Wettbewerb ja zunächst durchsetzen können, betonte die Regierungschefin. Gerade deshalb sei die Entscheidung „sehr schmerzhaft“. Aber die Entwicklung Wolfspeed „fügt sich in ein Gesamtbild“ und „sollte die letzte Alarmglocke gewesen sein“, mahnte Rehlinger.
Die Wolfspeed-Ansiedlung war unter verschiedenen Gesichtspunkten ein Projekt mit durchaus europäischer Dimension. Nicht umsonst hatten sich vor knapp zwei Jahren Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nicht nehmen lassen, zur öffentlichen Vorstellung des Projekts ins saarländische Ensdorf anzureisen. An einen im Übrigen in mehrfacher Hinsicht historischen Ort.
In Ensdorf wurde im Jahr 2012 die letzte saarländische Kohle zutage gefördert, und die Chipfabrik sollte auf dem Gelände eines stillgelegten Kohlekraftwerks gebaut werden, das inzwischen dem Erdboden gleichgemacht wurde. Viel mehr Symbolik für den Abschied von der fossilen Wirtschaft und der großen Transformation ist kaum zu haben.
Mehr Getriebe bauen für Plug-in-Hybrid
Wolfsspeed wollte spezielle Chips für die E-Mobilität herstellen – und das in Zusammenarbeit mit ZF. Der Automobilzulieferer steht ebenfalls vor einer grundlegenden Wende. Klassische Automatikgetriebe werden in E-Autos bekanntlich nicht mehr gebraucht. ZF muss Alternativen für die Hightech-Produkte aus Saarbrücken aufbauen. Dort waren zuletzt auf dem Werksgelände einen Steinwurf von der französischen Grenze entfern noch gut 10.000 Menschen beschäftigt. Bereits im Sommer waren Pläne bekannt geworden, wonach ZF bundesweit 12.000 bis 14.000 der derzeit insgesamt 54.000 Stellen in den kommenden vier Jahren abbauen will. Weltweit beschäftigt der Konzern rund 170.000 Menschen. Das durch Zukäufe hochverschuldete Unternehmen will sich damit fit machen für die elektromobile Zukunft. Im Saarland steht zunächst der Abbau von 1.800 Stellen fest, ein Großteil davon durch auslaufende Zeitverträge. Allerdings steht auch im Raum, dass auf der Zeitachse weitaus mehr Stellen gefährdet sind, von bis zu 4.000 war die Rede. Vor zwei Jahren hatte ZF verkündet, Saarbrücken – eines der größten Werke weltweit im Konzern – zum Leitwerk für Elektromobilität zu machen und dafür entsprechend zu investieren. Dazu passte die Ankündigung, mit Wolfsspeed im Rahmen einer strategischen Partnerschaft ein Innovationszentrum für die Entwicklung von Siliziumkarbid-Systemen aufzubauen.

Holger Klein, ZF-Vorstandschef, hat jetzt den Standort Saarbrücken als „ganz wesentliches Werk“ für das Unternehmen und als „Kern der Getriebetechnologie und auch der Transformation zur E-Mobilität“ bezeichnet. Es sei das erste Werk, das neben konventionellen Getrieben auch Plug-in-Hybridgetriebe („im Moment die besten der Welt“) herstellt.
Was die längerfristige Perspektive betrifft, verwies Klein auf politische Entscheidungen, nämlich das geplante Aus für den Verbrenner-Motor. „Der Plug-in-Hybrid findet sein natürliches Ende mit der heutigen europäischen Regulierung in 2035“. Deshalb würde „Technologie-offenheit diesem Standort extrem helfen“.
Anke Rehlinger hatte solche „weit verbreiteten Unsicherheiten“ auch verantwortlich gemacht für die jüngsten unternehmerischen Rückzugsentscheidungen. Das Saarland hatte bereits im September über eine Bundesratsinitiative Kaufanreize für E-Autos und einen Ausbau der Ladeinfrastruktur gefordert, auch wenn sie eigentlich „kein Freund von Kaufanreizen“ sei, wie Rehlinger betonte.