Drei Fragen
„Meine Amtszeit ist nun mal abgelaufen“
Er habe eigentlich nicht vor, noch monatelang die Amtsgeschäfte von Thüringen zu leiten, so der noch geschäftsführende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), im Interview.
Herr Ramelow, das BSW steht bei den Regierungsgesprächen weiterhin auf der Bremse. Freuen Sie sich gar nicht, laut Verfassung könnten sie noch über vier Jahre im Amt bleiben?
Laut thüringischer Landesverfassung gibt es keine zeitliche Begrenzung für das Amt des geschäftsführenden Ministerpräsidenten, außer dem nächsten regulären Landtagswahltermin im September 2029. Nur das entspricht nicht meiner Lebensplanung, sondern ich habe die derzeit immer noch sondierenden Vertreter von CDU, BSW und SPD eindringlich darauf hingewiesen, dass sie nicht alle Zeit der Welt haben. Ende Dezember übernimmt Thüringen den Vorsitz der Ost-Ministerpräsidentenkonferenz, und da wäre es ganz ratsam, wenn diesen dann auch der neu gewählte Landeschef übernimmt.
Es bereitet Ihnen wirklich keine Genugtuung, dass die mögliche Brombeer-Koalition ständig durch Ihre ehemalige Parteifreundin Sahra Wagenknecht torpediert wird?
Nein absolut gar nicht, ganz im Gegenteil: Ich bin als Ministerpräsident mit meiner Partei abgewählt worden, der Souverän hat uns die Regierungslegitimation entzogen. Dazu kommt, wer für ein Amt kandidiert weiß, dass dieses Amt auf Zeit übertragen wird, und in meinem Fall und in dem meiner Partei ist diese nun mal abgelaufen, nun sollte schnell was Neues kommen. Für mich geht es hier in erster Linie nicht um Personen, sondern um die politische Umsetzung des Wählerwillens in Thüringen, egal was da eine Dame in Berlin ihren BSW-Freunden bei den Verhandlungen empfiehlt.
Doch wenn Sie auch nicht mehr Ministerpräsident sein sollten, werden Sie die Politik in Thüringen weiter maßgeblich beeinflussen.
Das ist nun mal das Schicksal einer Minderheitenregierung, in diesem Fall einer möglichen Brombeer-Koalition. Wir als Linke wären weiterhin bei Gesetzesvorlagen gefragt und müssten zustimmen. Das ist nicht immer einfach, und ich beneide den zukünftigen Ministerpräsidenten nicht. Ich weiß wovon ich rede, immerhin habe ich fünf Jahre lang eine Minderheitenregierung mit SPD und Grünen geführt und war auf die Zustimmung der CDU angewiesen. Es hat funktioniert, weil wir uns einig waren und keine krummen parlamentarischen Deals mit der AfD wollten. Das verlange ich auch von der neuen Landesregierung. Interview: Sven Bargel
Moore und Ladesäulen preiswürdig
Der Deutsche Umweltpreis ist in diesem Jahr an geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an eine Moorforscherin und einen Elektrotechnik-Ingenieur.
Franziska Tanneberger ist eine international anerkannte Expertin bei der Wiedervernässung von Mooren und Co-Leiterin am Moor Centrum in Greifswald. Sie hat nicht nur die Rolle intakter Moore für Biodiversität und Klima erforscht, sondern setzt auch in Kooperation mit Landwirten für neue Bewirtschaftungsmethoden ein.
Der Elektrotechnik-Ingenieur Thomas Speidel wird für die Entwicklung einer neuen Art von Schnellladesäulen gewürdigt. Damit könnte der Ausbau von Ladeinfrastruktur für E-Mobilität deutlich beschleunigt werden.
Der Deutsche Umweltpreis wird jährlich von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt vergeben. Sie ist nach eigenen Angaben eine der größten Stiftungen Europas. Seit Gründung hat sie über 11.000 Projekte mit insgesamt über zwei Milliarden Euro gefördert.
Appell zur Weiterarbeit trotz Schwierigkeiten
Ungewöhnlicher Appell von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im ZDF an die Mitglieder seiner Bundesregierung: Er rief seine Koalitionspartner zur Weiterarbeit bis zum Ende der Wahlperiode auf. Dabei räumte Scholz ganz offen Schwierigkeiten innerhalb seines Regierungsbündnisses ein, doch „da sollte sich keiner einfach in die Büsche schlagen. Mein Stil ist das jedenfalls nicht“, so Scholz. Weiteres Unbehagen beschert der Regierung die prognostizierten Steuereinnahmen für das kommende Jahr. Diese wurden um fast 13 Milliarden Euro nach unten korrigiert. Die neueste Steuerschätzung ist endgültige Grundlage für den Rahmen des Bundeshaushalts im kommenden Jahr, der bis Ende November unter Dach und Fach gebracht werden soll. Allerdings fehlen nun laut Bundesfinanzminister Christian Lindner definitiv 13,5 Milliarden Euro, die eingespart werden müssen. Dabei lehnt Lindner weiterhin eine Erhöhung der Schulden über die geplanten knapp 50 Milliarden Euro ab und will an der Schuldenbremse festhalten.
Zeitenwende auch für Geheimdienste
Nachdem erneut ein mutmaßlicher Islamist im brandenburgischen Bernau festgenommen werden konnte, wird erneut über die Befugnisse der deutschen Geheimdienste debattiert. Der entscheidende Tipp zu einem bevorstehenden Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin kam von einem ausländischen Nachrichtendienst. „Die Abhängigkeit von ausländischen Diensten ist nicht allein ein deutsches Thema, sie betrifft die meisten Länder Europas. Wir haben nicht die umfassende globale Infrastruktur der USA, Stichwort NSA, und wir werden sie auch nicht aufbauen“, so Peter Neumann, Professor of Security Studies am King’s College London. Dabei hob der Geheimdienstexperte hervor, dass BND und Verfassungsschutz im Ausland einen guten Ruf genießen. „Die Deutschen dürfen mal wieder nicht“, heißt es bedauernd“, so Neumann.
Handelsverband fordert Entlastungen
Allen digitalen Zahlungssystemen zum Trotz, die Deutschen lieben das Bargeld, so eine Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE). 60 Prozent ihrer Kundschaft zahlen weiterhin gern analog in Heller und Pfennig. „Obwohl der Trend zum unbaren Bezahlen geht, bleibt Bargeld ein wichtiges und beliebtes Zahlungsmittel. Wenn allerdings weiterhin immer mehr Bankfilialen schließen, droht der Bargeldkreislauf zusammenzubrechen“, warnt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Gent. Damit würden die Ladenkassen die Bargeldversorgung von geschlossenen Bankfilialen und fehlenden Bargeldautomaten gerade in den ländlichen Räumen übernehmen. Doch die Einzelhändler müssten für diese Bargeldsicherung bei der Beschaffung der Banknoten aus eigener Tasche zahlen. „Zudem liegen hinter der Bargeldauszahlung meist noch Gebühren für die Kartentransaktion. Darum sollten die Banken bei Bargeldauszahlungen auf die Händlerentgelte verzichten. Die Banken dürfen ihre eigene Bargeld-Infrastruktur nicht länger auf Kosten des Handels finanzieren“, fordert Stefan Gent.
Pflegekräfte
Wohnungen gesucht
Pflegeeinrichtungen suchen schon seit Jahren das notwendige Personal selbst im Ausland und meistern alle bürokratischen, beruflichen Eingliederungshürden weitgehend allein. Doch bei der Beschaffung von Wohnraum für die neuen Mitarbeiter stoßen die Pflegeunternehmen an ihre Grenzen. So warnt der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) vor einer Wohnungsknappheit. „Wir können es uns nicht leisten, potenzielles Pflegepersonal aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes zu verlieren“, bringt es AGVP-Geschäftsführerin Isabell Halletz auf den Punkt und fordert flexible Lösungen bei der Unterbringung von neuem Personal. „Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass leer stehende Pflegezimmer in den Einrichtungen nicht kostengünstig an Auszubildende und Fachpersonal vermietet werden dürfen“. AGVP-Geschäftsführerin Halletz mahnt, mit der Entbürokratisierung endlich ernst zu machen, davon profitieren würde das Pflegepersonal, das nach Deutschland kommen kann, die Unternehmen, die händeringend Fachpersonal suchen, und nicht zuletzt die Pflegebedürftigen, so Halletz.
Kein Bürgerrat Rente
Nicht nur das deutsche Rentensystem steht unter Druck. Auch im vergleichsweise reichen Luxemburg macht man sich Gedanken um Reformen des Rentensystems. Nach Berechnungen kommen die dortigen Rentenversicherungen bereits 2028 an einen kritischen Punkt, die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve wäre wohl im Jahr 2040 aufgebraucht. Ähnlich wie in Deutschland gibt es Befürworter einer Stärkung privater Altersvorsorge und Befürworter eines Ausgleichsfonds, vergleichbar etwa dem deutschen „Generationenkapital“, also Kapital, dessen Zinsen zur Finanzierung der Rente beitragen sollen. Ein Vorschlag der Grünen, einen Bürgerrat Rente zu beteiligen, fand in der Abgeordnetenkammer (Chamber) keine Mehrheit. Vertreter der Regierungsparteien (konservative CSV und liberale DP) halten einen Bügerrat für nicht zielführend und wollen erst einmal eine Anhörung der Verbände und Institutionen zu einer Rentenreform durchführen.
„Nicht in die Büsche schlagen“
Ungewöhnlicher Appell von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Zweiten Deutschen Fernsehen an die Mitglieder seiner Bundesregierung: Er rief seine Koalitionspartner zur Weiterarbeit bis zum Ende der Wahlperiode auf. Dabei räumte Scholz ganz offen Schwierigkeiten innerhalb seines Regierungsbündnisses ein, doch „da sollte sich keiner einfach in die Büsche schlagen. Mein Stil ist das jedenfalls nicht“, so Scholz. Weiteres Unbehagen bescheren der Regierung die prognostizierten Steuereinnahmen für das kommende Jahr. Diese wurden um fast 13 Milliarden Euro nach unten korrigiert. Die neueste Steuerschätzung ist endgültige Grundlage für den Rahmen des Bundeshaushalts im kommenden Jahr, der bis Ende November unter Dach und Fach gebracht werden soll. Bundesfinanzminister Christian Lindner will trotz fehlender Milliarden an der Schuldenbremse festhalten.
Wirtschaft
Mittelstand im Fokus
Die saarländische SPD will den Mittelstand stärker fördern. Dafür seien von Anfang an 200 Millionen Euro im Transformationsfonds eingeplant gewesen, betonte SPD-Landeschefin und Ministerpräsidentin Anke Rehlinger nach einer gemeinsamen Klausurtagung von Fraktion und Parteivorstand in St. Ingbert. Nach den jüngsten Rückschlägen durch die Absage von SVolt, die Verschiebung der Chipfabrik Wolfspeed und die Entwicklungen bei ZF müsse das Land auch die „Chancen entdecken, die in der Krise stecken“. Darüber gebe es große Einigkeit, betonte die SPD-Chefin. Bei der Klausurtagung war auch Philipp Groß zu Gast, IHK-Vizepräsident und Familienunternehmer. Der habe unter anderem betont, dass trotz der Rückschläge die Lage nicht so schlecht sei wie die Stimmung, aber auch einige Forderungen an die Politik gerichtet, allen voran Bürokratieabbau. Rehlinger bekräftigte ihre Forderungen, mit denen sie bereits seit einiger Zeit „in Berlin unterwegs“ sei. Der Bund müsse nun liefern, was die Rahmenbedingungen angeht, die im Saarland nicht beeinflusst werden können, wie Energiepreise oder Kaufanreize für E-Autos.
Fachkräfte spüren Diskriminierung
Viele Arbeitskräfte aus dem Ausland spüren in Deutschland Diskriminierung und hohe Einwanderungshürden. Das sagt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Etwa 56 Prozent der ausländischen Fachkräfte berichten demnach von Diskriminierung in mindestens einem Lebensbereich – vor allem bei der Wohnungssuche. Weniger häufig hätten die Befragten im Umgang mit Institutionen wie Schulen, Einrichtungen des Gesundheitssystems oder der Polizei Diskriminierungen geschildert. Gut ein Fünftel fühle sich jedoch beim Umgang mit Ämtern oder Behörden benachteiligt. Es bestünden erhebliche Herausforderungen bei der sozialen Integration, folgerten die Forschenden des IAB. Trotz der gesetzlichen Änderungen infolge des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes (FEG) von 2020 gebe es weiterhin bürokratische Hürden bei der Visumserteilung, der Anerkennung beruflicher Abschlüsse und bei familiären Fragen.
Verbrenner
Ende der Debatte gefordert
Ungewöhnliche Forderung der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die Maßnahmen der Bundesregierung für den Erhalt der deutschen Automobilindustrie fordert. Allerdings: Der absolute Fokus muss auf der Elektromobilität liegen und das Aus für Diesel, Benzin oder E-Fuels von der Ampel-Regierung endgültig beschlossen werden, so die DUH. Die Debatte über die „absurde Verbrenner-Förderung“ innerhalb der Ampel-Regierung müsse aufhören. In einem offenen Briefen an Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck fordert die DUH ausschließlich Maßnahmen zum Hochlauf der Elektromobilität. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe: „Die Probleme der deutschen Autokonzerne sind das Ergebnis jahrzehntelanger Fehlentscheidungen. Trotzdem haben BMW, Mercedes Benz und Volkswagen ihre Gewinne auf aberwitzige 60 Milliarden Euro gesteigert, dieses Geld aber nicht in die Entwicklung konkurrenzfähiger Elektro-Fahrzeuge investiert“. Die Konzerne sollten gezwungen werden, diese Gewinne ausschließlich in die Elektromobilität zu investieren, damit nicht der Steuerzahler dafür zur Kasse gebeten werde.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
„Wir Europäer wirken wie Konfetti, international hört uns fast niemand mehr zu.“ Dieser Stoßseufzer kommt vom luxemburgischen Außenminister Xavier Bettel. Der Mann weiß, wovon er spricht. Er war lange Regierungschef seines Landes.
Verantwortlich für die zumindest in bestimmten Regionen klare Bedeutungslosigkeit der EU-Außenpolitik ist Josep Borrell. Der spanische Sozialist hat als Hoher Vertreter wenig greifbare Ergebnisse erzielt. Fünf Jahre war der 77-jährige als EU-Chefdiplomat im Amt. Nun hat die liberale Kaja Kallas aus Estland das Zepter in der Hand.
Zwar konnte Borrell bei den 27 EU-Regierungschefs durchsetzen, dass die kommunistischen Staatslenker in Peking als Europas „systemische Rivalen“ eingestuft wurden. Der Stich aus Brüssel hält die Machthaber des Riesenreiches aber nicht vom Aufteilen der Welt ab. Der endlos schwelende EU-Handelsstreit mit reziproken Sanktionen für E-Autos und Cognac spricht Bände.
Auch in Nahost ist Europas Einfluss zerflossen. Erst Wochen nach dem blutigen Hamas-Massaker reiste der EU-Chefdiplomat überhaupt erstmals nach Israel. Seitdem schießt er via Social Media wenig empathische Salven gegen den existenzbedrohten jüdischen Staat. Seine Gebetsmühle von Zweistaatlichkeit will auch keiner hören, weder Israelis noch Terroristen.
Sicher, nationale Interessen behindern eine effektive EU-Außenpolitik. Doch Borrell hat weniger moderiert, als die eigene Agenda durchzuziehen versucht. Kallas möge verhindern, dass der Einfluss Europas in der Welt weiter schwindet. Wenn es ihr gelingt werfe ich Konfetti.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.