Mit den nun eingeführten Zöllen auf chinesische E-Autos hat sich die europäische Automobilindustrie – vor allem die deutsche – höchstens etwas Zeit erkauft. Technische Innovationen und neue Lieferketten müssen nun rasch folgen.
Trotz Verhandlungen, trotz Widerständen aus Deutschland: Die EU führt nun Zölle auf die Einfuhr von Elektroautos aus China ein. Zuvor hatte Anfang des Monats eine ausreichend große Mehrheit der EU-Staaten für die Strafzölle gestimmt. Deutschland votierte aus Sorge vor einem neuen großen Handelskonflikt und möglichen Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Hersteller dagegen.
China kontrolliert Seltene Erden
Was bedeutet dies nun für den Markt und potenzielle Autokäufer? Aus Sicht der Europäischen Kommission sind diese Ausgleichszölle notwendig, um langfristig die Zukunft der Autoindustrie in der EU zu sichern. Chinesische Hersteller profitieren derzeit von Subventionen, die ihnen einen Vorteil auf dem europäischen Markt verschaffen. Dabei geht es nicht um Kaufanreize, wie sie in Deutschland jüngst abgeschafft wurden, sondern um staatliche Subventionen Chinas für seine Autobauer. Der US-Thinktank „Center for Strategic and International Studies“ hat im Sommer dieses Jahres errechnet, dass zwischen 2009 und 2023 mindestens 230 Milliarden US-Dollar an Unterstützung in die chinesische Autoindustrie geflossen sind. Darin enthalten waren Rabatte für Käufer im In- und Ausland, Steuerausnahmen, Investitionen in die Ladesäulen-Infrastruktur, aber auch Forschungs- und Entwicklungsprogramme und Aufkäufe von Elektroautos durch den Staat, um die Unternehmen zu stützen. Wichtiger jedoch ist die Kontrolle Chinas über die Lieferkette: Wichtige Batterierohstoffe, Nickel, Mangan, Kobalt und weitere Seltene Erden für E-Autos oder Windkraftanlagen werden derzeit fast ausschließlich von oder in China gefördert, produziert und weiterverarbeitet. Mithilfe dieser Vorteile können chinesische Modelle rund 20 Prozent günstiger angeboten werden als in der EU hergestellte. Die Ausfuhr von Technologie zur Weiterverarbeitung von Seltenen Erden hat Peking mittlerweile auch aus strategischen Gründen verboten.
Verhandlungen über eine mögliche einvernehmliche Lösung des Handelsstreits zwischen der EU und China waren bislang erfolglos. Eine Option: Händler könnten Preisverpflichtungen eingehen, sprich Mindestpreise. Ungeachtet dessen gilt für E-Autos des Herstellers BYD laut EU eine Extra-Abgabe in Höhe von 17,0 Prozent, für Elektrofahrzeuge des Produzenten Geely 18,8 Prozent. Der Höchstsatz beträgt 35,3 Prozent.

Die unternehmensspezifischen Zollsätze wurden der EU-Kommission zufolge auf Grundlage der von ihr durchgeführten Untersuchung festgesetzt und sollen die individuelle Lage der Firmen spiegeln. Die Zölle kommen auf einen bereits jetzt bestehenden Zollsatz von zehn Prozent hinzu.
Für die deutsche Industrie ist der Handelsstreit ein großes Thema in einer schwierigen Zeit. China gilt als der größte Automarkt der Welt, Unternehmen fürchten um einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte. Deutsche Firmen wie VW, Mercedes und BMW produzieren dort nicht nur Wagen speziell für den chinesischen Markt, sondern auch für den Export. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) mahnte, durch die Zölle wachse nicht nur das Risiko eines beiderseitigen Handelskonflikts weiter an, sondern die Fahrzeuge würden sich auch für die Verbraucher verteuern. Dies könnte den Ausbau der Elektromobilität und damit das Erreichen der Klimaziele in Deutschland gefährden. Konkurrenzfähige Produkte, die es preislich mit den chinesischen Modellen aufnehmen können, gibt es unter deutschen Autobauern noch nicht.
Auch der ADAC befürchtete Gegenreaktionen aus China mit negativen Folgen für Verbraucher – so könnten dadurch einige Modelle vom Markt verschwinden. Wie China tatsächlich auf das endgültige Festsetzen der Zölle reagieren wird, ist noch unklar. Die Regierung in Peking wirft der EU Protektionismus vor und drohte in der Vergangenheit vor allem mit höheren Zöllen bei der Einfuhr von Verbrennern mit großem Hubraum aus der EU in die Volksrepublik. Davon wären besonders deutsche Modelle betroffen. Als mögliche Vergeltungsmaßnahmen begann China zudem, Zusatzabgaben auf den Import von Schweinefleisch und Milchprodukten zu prüfen.
Technologische Abhängigkeit verringern
Die Zusatzzölle treffen aber nicht nur chinesische Marken wie BYD, SAIC oder Geely, sondern auch deutsche Hersteller. Die Maßnahme richtet sich nämlich nicht ausschließlich gegen chinesische E-Autos, sondern gegen in China hergestellte Fahrzeuge. Deutsche Firmen wie VW, Mercedes und BMW produzieren dort nicht nur Wagen speziell für den chinesischen Markt, sondern auch für den Export.
Trotz der Inkraftsetzung der EU-Zusatzzölle auf aus China importierte Elektroautos will Peking weiterhin mit Brüssel nach einer Verhandlungslösung suchen. Die Abgaben sollen zunächst für fünf Jahre erhoben werden. Fünf Jahre Zeit also, um das derzeit erdrückende Monopol Chinas auf Batterieproduktion und technisch wie preislich konkurrenzfähige E-Autos zu brechen. Dafür wird jedoch vor allem eine alternative Supply Chain, also die Lieferkette, für grundlegende Rohstoffe notwendig werden.
Bei Arbeitskosten und Arbeitsbedingungen können sowohl Europa als auch die USA und andere Industrienationen wenig mit China konkurrieren. Neue Batterien, etwa Lithium-Schwefel-Batterien, könnten mehrere Probleme lösen: technologische, was die Energiedichte von Batterien angeht, sowie strategische, weil Lithium und Schwefel überall auf dem Planeten verfügbar sind. Neu entwickelte, energiedichtere Batterien als die herkömmlichen, vor allem in China oder von chinesischen Marktführern wie CATL-produzierte Batterien, könnten die starke Abhängigkeit von China zum Teil lösen. Die Zölle der EU starten ein Spiel auf Zeit. Und China ist sich dessen bewusst. Der Durchbruch ist bereits gelungen. Vor wenigen Tagen meldete General New Energy, die Herstellung eines Prototyps einer Lithium-Schwefel-Batterie mit hoher Energiedichte bei gleichzeitiger Langlebigkeit sei geglückt. Jene Langlebigkeit war bislang ein großes Problem bei dieser Art von Batterien, die bereits nach wenigen Ladevorgängen vieles von ihrer Kapazität eingebüßt hatten. Das habe General New Energy nun gelöst, heißt es, und wolle nun in die Produktion dieser Batterie einsteigen. Das Unternehmen kommt aus China.