„Bosch & Beyond“ lädt nicht nur zum Eintauchen in die Meisterwerke von Hieronymus Bosch ein, sondern zeigt auch, wie diese von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern neu interpretiert werden. Die Ausstellung im Kühlhaus Berlin ist bis April 2025 zu sehen.
Seltsame Kreaturen, surreale Landschaften und jede Menge symbolträchtige Details: Die Bilder von Hieronymus Bosch sind bizarr, oft satirisch, manchmal beängstigend und stets von einer ganz besonderen, surrealistisch anmutenden Ästhetik. Das Werk des berühmten Renaissance-Künstlers steht im Mittelpunkt der immersiven Ausstellung „Bosch & Beyond“ im Kühlhaus Berlin. Der Ort, direkt an der Grenze von Schöneberg, Kreuzberg und Mitte sowie unweit der U-Bahnstation Gleisdreieck gelegen, bildet einen spannungsvollen Rahmen für die Kunst. Um 1900 war hier Europas größter Komplex zum Kühlen von Lebensmitteln, heute ist er eine angesagte Eventlocation mit einzigartigem gotischen Industrieflair. Umgeben von historischen Ziegelstein-, Beton- und Stahlkonstruktionen wird die Fantasiewelt von Hieronymus Bosch auf einer Fläche von 1.500 Quadratmetern mit modernen Mitteln zum Leben erweckt.
Von Kühlhaus zum Ausstellungsraum
Besucherinnen und Besucher starten die dreistufige Entdeckungstour mit einer Einführung in das Leben und die Bildsprache des niederländischen Malers. Über den Zeitgenossen von Botticelli, Da Vinci und Dürer ist nur wenig bekannt. Nur etwa 50 Quellen, vor allem Verwaltungs- und Finanzdokumente, belegen die Existenz der Person Hieronymus Bosch. Er wurde Mitte des 15. Jahrhunderts in der niederländischen Stadt ’s Hertogenbosch geboren und entstammt einer Malerfamilie. Als Ehemann einer wohlhabenden Kaufmannstochter hatte er Zugang zur städtischen Elite, als Mitglied einer angesehenen Bruderschaft erhielt er auch Aufträge von Adel und Kirche. Wie viele Gemälde der Maler bis zu seinem Tod im Jahr 1516 schuf, ist nicht bekannt. Viele sind im Laufe der Zeit verloren gegangen, Kunstexperten schätzen, dass etwa 25 seiner Gemälde und acht seiner Zeichnungen heute noch erhalten sind, nur sieben sind signiert.
„Bosch & Beyond“ lenkt den Fokus auf die paradiesischen Utopien und apokalyptischen Visionen des Meisters, darunter bekannte Werke wie „Der Garten der Lüste“, „Der Heuwagen“ und „Die Anbetung der Könige“. „Das zentrale Motiv in Boschs Kunst ist die Vorstellung von der Welt als einen Ort, der vom Bösen durchdrungen ist“, erklären die Ausstellungsmacher dazu. Bettler, Krüppel, Betrunkene, Streuner und „andere Narren“ seien ein Synonym für Sünder und Sklaven der eigenen Lust. Es ist ein düsteres Bild der Menschheit – erschreckend, aber auch faszinierend. Denn Hieronymus Bosch „verstand es meisterhaft, das Unheimliche, Fantastische und Dämonische in die Darstellung des Alltäglichen zu integrieren“. Als Pionier der Genremalerei vermischte er gekonnt Beobachtung mit Satire und machte seine Bilder zu kraftvollen Botschaften über Moral, Sünde, Versuchung und Erlösung.

Auch wenn die Ausstellungsräume mit ihren Multimedia-Projektionen locken, ist es ratsam, die Texte auf den Infoscreens in Ruhe zu lesen. Sie vermitteln Hintergrundwissen und lenken den Blick auf die zahlreichen Details der Bilder. Warum versteckt sich im „Garten der Lüste“ im prächtigen Brunnen des Lebens eine Eule? Der Vogel galt im Mittelalter als Symbol der Nacht und wurde mit Magie, verborgenem Wissen und Dämonie in Verbindung gebracht. „Durch die Darstellung vermittelte der Maler die damals populäre Idee, dass das Leben grundlegend sündhaft ist“, lautet die Erklärung dazu.
Dass „Bosch & Beyond“ die Kunst nicht nur präsentiert, sondern als Symphonie aus Licht, Farben und Musik inszeniert, macht den Besuch zu einer sinnlichen Erfahrung. Dafür sorgen hochmoderne Technologien wie mehrkanalige Animationsgrafiken, hochauflösende Beamer, überdimensionale Bildschirme und Surround-Sound. „Die Musik wurde mithilfe von KI komponiert. Dabei dienten die Texte zu den Videos und die Videos selbst als Prompts“, verrät Oleg Marinin, Geschäftsführer der Vision Multimedia Projects GmbH. Das Berliner Unternehmen gilt als Vorreiter für immersive Ausstellungen in Deutschland und war bereits 2016 mit „Hieronymus Bosch. Visions Alive“ in der Alten Münze erfolgreich. Oleg Marinin weiß, warum die mehr als 500 Jahre alte Kunst von Hieronymus Bosch auch heute noch begeistert: „Die Werke sind einzigartig – nicht nur für die frühe Renaissance, sondern insgesamt für die Bildende Kunst. Seine fantastischen Wesen sowie auch die Themen, die er andeutet, faszinieren und werfen bis heute Fragen auf.“
Bosch inspirierte andere Künstler
Wie Bosch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler inspiriert, wird im dritten Teil der Ausstellung deutlich. Skulpturen, Bilder und digitale Installationen eröffnen moderne Perspektiven auf die historische Kunst, zum Beispiel die KI-generierte Collagenlandschaft „P[AI]sages“ der französischen Digitalkünstlerin Anne Horel. Das Video lädt die Betrachter ein, in den Traum einer Maschine einzutreten, in dem sich die Algorithmen endlos verwandeln und Formen sich ständig gegenseitig neu interpretieren. Ebenso eindrücklich sind die elf aufwendig gestalteten Keramikurnen von Dominik Adamec. Die Werke des tschechischen Künstlers, der in Berlin lebt und 2024 den BBA Artist Prize gewonnen hat, erinnern an die Sterblichkeit des Menschen. Motive und Details bilden paradoxe Kombinationen, wie sie ebenso in vielen Bildern von Hieronymus Bosch zu entdecken sind. Und auch einem Vogel begegnet man hier: Keine Eule im Brunnen, sondern eine Raben-Vogelscheuche schuf der Franzose Olivier de Sagazan, der mit seinen Gemälden, Fotos und Skulpturen organisches Leben infrage stellt und nach neuem Wesen sucht.
„Die Versuchung des Heiligen Antonius“ von Louis-Paul Caron ist von Boschs gleichnamigem Gemälde inspiriert und beschreibt die Visionen und Halluzinationen des Heiligen während seines langen Spaziergangs durch die ägyptische Wüste, wo er teuflischen Kreaturen und verlorenen Seelen aus dem Abgrund begegnet. Der französische Künstler bildet in seinem Werk eine Brücke zwischen der traditionellen Darstellung der biblischen Geschichte und der zeitgenössischen Vision der Zukunft in Bezug auf Klimawandel und globale Erwärmung. Nicht nur hier zeigt sich, dass „Bosch & Beyond“ mehr als nur eine unterhaltsame Erlebnisausstellung für Kunst-Fans ist. Es ist eine Einladung zur philosophischen Auseinandersetzung mit den universellen Themen von früher und heute.