Tim Masson ist im Veranstaltungsmanagement der städtischen Neunkircher Kulturgesellschaft tätig und verantwortet zudem das Programm des Gloomaar Festivals, dessen Gründer er ist.
Tim, wann und wie entstand die Idee zum Gloomaar Festival?
Die Idee ist irgendwann um 2016 entstanden, die erste Ausgabe war im Oktober 2017. Wir wollten ein Festival schaffen, das sich von anderen abhebt. Ein weiteres eher am Mainstream orientiertes Rock/Pop/Punk-Festival sahen wir nicht, da im Saarland die Konkurrenz groß ist. Musikalisch konnte ich der eher experimentellen, atmosphärischen Rockmusik schon seit Jahren viel abgewinnen und sah mit solch einem kleinen, speziellen Liebhaber-Festival eine Chance für Neunkirchen, hier etwas zu kreieren, das ein Alleinstellungsmerkmal hat. Dies ist uns auch sehr gut geglückt. Beim Reeperbahn Festival im September habe ich dort mit so vielen Menschen über das Gloomaar gesprochen und war überrascht, welchen Bekanntheitsgrad wir in der Branche mittlerweile genießen.
Was hat es mit dem Namen Gloomaar auf sich?
Der Name musste markant sein. Ich hatte mir damals diverse Ideen notiert, mit Wörtern rumexperimentiert. Irgendwie sollte das Festival etwas Mysteriöses, Rätselhaftes ausstrahlen, durfte aber auch etwas düster erscheinen. Daher fand ich das englische Wort „gloom“ beziehungsweise „loom“ sehr passend. Für mich steht es für „ein dunkles Scheinen“. Damit das Ganze dann einen richtigen, wohlklingenden Eigennamen bekam, stand irgendwann Gloomar auf dem Zettel, aus dem letztlich Gloomaar wurde. Das Doppel-A bezieht sich tatsächlich auf Saar.
Das Gloomaar ist ein Nischenfestival. Welche Art von Künstler kommen bei der Programmgestaltung überhaupt in Betracht?
Das Gloomaar ist ein Festival für atmosphärische und auch experimentelle Musik. Die Ausrichtung ist stärker im Rock oder Metal als in der Neoklassik oder im Ambient-Bereich einzuordnen. Aber auch diese Spielwiesen versuchen wir, sinnvoll im Programm unterzubringen. Genretechnisch spielt neben Post-Rock/-Metal auch Progressives eine größere Rolle sowie Bands, die sich im Indie oder auch im (Dream-)Pop beheimatet fühlen, sofern es stimmungstechnisch irgendwie dazu passt.
Was waren anfangs die Ambitionen mit dem Festival, und wo steht es heute?
Tatsächlich war der Plan, das Festival auf zwei Tage auszuweiten und beziehungsweise oder innerhalb Neunkirchens an diversen Spielstätten auszutragen, was allerdings finanzielle und organisatorisch noch höhere Hürden mit sich bringen würde. Die Idee ist allerdings noch nicht komplett aus meinem Kopf. Aber es ist immens schwierig, im Budget-Rahmen ein Line-up zu buchen, das am Ende unsere Mindesterwartungen erfüllt. Daher kann ich jetzt leider auch nicht sagen, wie lange es das Gloomaar noch geben kann beziehungsweise wird. Denn natürlich ist auch der Aufwand des Festivals ein ganz anderer als bei einer üblichen Tour-Konzert-Produktion. 2025 sehe ich als gesichert an, wir müssen schließlich auch rechtzeitig planen. Es gibt daher auch schon offene Bandoptionen für 2025. Aber was danach kommt, müssen wir im Team besprechen und abwägen. Es hängt unter anderem von der Kostenentwicklung der beteiligten Gewerke und den Gagenforderungen ab.
Hat es in der Vergangenheit viel Überzeugungsarbeit gekostet, dieses Nischenfestival als festen Bestandteil des jährlichen
Veranstaltungskalenders in Neunkirchen zu erhalten?
Glücklicherweise wird das Festival als Marke mit seiner Strahlkraft auch innerhalb Neunkirchens als durchweg positiv angesehen. Wir haben in den Jahren wirklich tolle Argumente sammeln können. In einem Jahr hatten wir aus 15 von 16 Bundesländern Besucher in der Halle. Ich glaube, mittlerweile waren Gäste aus über 15 verschiedenen Ländern bei uns. Eine Person reiste 2018 sogar extra aus Boston an!
Die Resonanz scheint von Jahr zu Jahr zu steigen und das Festival in der Szene immer größere Anerkennung zu genießen, oder?
Ja und nein. Die Anerkennung in der Szene ist wirklich beachtlich. Wir können uns kaum retten vor Bandbewerbungen. Das ist der Wahnsinn. Ich habe auch in über 20 Jahren Eventerfahrung noch nie erlebt, dass man so viele, überschwängliche Komplimente und Zusprüche für eine Veranstaltung erhält. Das ist sehr schön und schon ein wenig verrückt. Es kommen immer wieder neue Leute dazu. Wir haben seit Jahren die tollsten Stammgäste, die auch immer mehr werden. Dennoch könnten die Zahlen besser sein. Wir haben leider noch nicht wieder den Besucherschnitt erreichen können, den wir vor der Pandemie hatten. Die Konzertbranche leidet glücklicherweise nicht mehr im Ganzen darunter, aber gerade kleinere Veranstaltungen oder solche Liebhabergeschichten, fernab des Mainstreams, laufen teilweise einfach nicht mehr so gut wie zuvor. Ich bin aber optimistisch, dass wir auch da bald wieder einen Schritt in die richtige Richtung machen können, da das Gloomaar immer bekannter wird. Mein Herzenswunsch wäre: mindestens zehn Festivalausgaben – und hoffentlich noch viele mehr …
Wie schwierig ist die Programmgestaltung? Da das Festival ja eine bestimmte Art von Musik repräsentiert, ist der Pool an verfügbaren Künstlern sicherlich begrenzt. Hinzu kommt das vorgegebene Budget für Gagen.
Mittlerweile ist es echt sehr schwierig. Der Spagat zwischen einer angemessenen Hauptband und dabei nicht das ganze Budget für diese ausgeben zu müssen wird immer komplizierter. Das Gloomaar ist zwar ein Festival, aber natürlich keins, bei dem man von Tausenden von Gästen ausgehen kann. Sprichst du jedoch mit Bookern und Bookerinnen und nimmst das Wort Festival in den Mund, fallen direkt Summen, die ein Engagement quasi unmöglich machen, auch nach Erklärung der Festivalgröße. Denn bei Festivals werden stets deutlich höhere Gagen abgerufen als bei üblichen Club- oder Hallenshows. Glücklicherweise gibt es auch hier Ausnahmen. Aber es bleibt wirklich schwierig. Es war klar, dass gerade das Booking eine ganz eigene Intensität hat, und prinzipiell ist auch das gerade wichtig für das Festival. Ich habe ja auch wegen der wenigen freien Plätzen, maximal sieben bis acht pro Jahr, eine eigene Bookingpolitik: Ich werde – zumindest bei den ersten zehn Ausgaben – keine Band zwei Mal buchen. Was es nicht einfacher macht, insbesondere im Hinblick auf etwas größere, etabliertere Bands.