Alba Berlin legte einen miserablen Start in die Basketball-Bundesliga hin. Der Sieg gegen Ulm ist ein Stimmungs-Aufheller – aber auch die Wende zum Guten?
Die Krise von Alba Berlin führte die Statistiker zurück auf die Gründung im Jahr 1991. Damals, am 13. Juli, wurde die BG Charlottenburg in Alba Berlin umbenannt. Schon kurz darauf wurde der Club unter Cheftrainer Faruk Kulenović deutscher Vizemeister, eine Erfolgsära begann. In den Tabellenkeller rutschte Alba so gut wie nie, ein 13. Platz vor drei Jahren war die schlechteste Platzierung nach sechs Spieltagen – bislang. Jetzt hat das Team von Trainer Israel González diese Negativ-Marke unterboten. Platz 16 nach sechs Spielen, das gab es noch nie in der Clubgeschichte. Vorletzter. Vier Niederlagen aus sechs Spielen – in der gesamten Hauptrunde der Vorsaison mit 34 Spielen gab es nur sieben. „Ich bin mit vielen Sachen nicht glücklich. Wie wir spielen, über große Strecken des Spiels. Dazu mangelnder Fokus. Ich bin extrem angepisst im Moment“, kritisierte Martin Hermannsson. Der Kapitän ist einer der wenigen, die auch in der Krise beständig Leistung brachten.
Negativ-Marke unterboten
Die Vorzeichen im Heimspiel am vergangenen Samstag gegen Ratiopharm Ulm standen also denkbar schlecht – schließlich reisten die Ulmer als Spitzenreiter mit reichlich Selbstvertrauen in die Hauptstadt. Doch Alba nutzte die Gelegenheit für einen Befreiungsschlag: Nach dem 96:88-Sieg ist zwar längst noch nicht alles wieder gut, aber die Trendwende könnte zumindest eingeleitet sein. „Ich bin unglaublich stolz auf mein Team“, sagte Trainer González hinterher. „Wir sind in einer sehr schwierigen Phase. Wir haben als Team trotzdem weiter alles gegeben, was in uns steckte, und darauf sind wir sehr stolz.“ Auch Kapitän Hermannsson war zufriedengestellt: „Jeder Sieg, den wir in dieser Phase holen, ist fantastisch und fühlt sich richtig geil an.“ Im Auswärtsspiel an diesem Sonntag (17. November) beim SC Rasta Vechta ist ein Sieg ohnehin Pflicht.
Präsentiert sich Alba aber so wie bei der 82:87-Niederlage in Bamberg, wird auch das schwer. Defensiv taten sich große Lücken auf, offensiv war vom einst gefürchteten Alba-Spielsystem so gut wie nichts zu sehen. Dazu kam die Verletzung von Justin Bean, der sich das Handgelenk brach und etwa drei Monate ausfällt. Dabei ist die Verletztenliste schon so lang, dass sich der Kader fast von selbst aufstellt. Beim Sieg gegen Ulm musste auch William McDowell-White verletzt vom Court. Hermannsson hadert: „So langsam habe ich das Gefühl, dass irgendein Verletzungs-Fluch auf uns liegt. Es ist verrückt.“ Die verletzten oder erkrankten Stammspieler Yanni Wetzell, Matt Thomas, Matteo Spagnolo und Malte Delow werden schmerzlich vermisst, zuletzt fielen auch Tim Schneider, Jonas Mattisseck und Trevion Williams aus. Profis wie Gabriele Procida und Ziga Samar kehrten zwar zurück in den Kader, waren aber längst noch nicht in bester Verfassung. Bamberg wusste genau, wie man Alba knacken konnte. „Wir mussten sie einfach niederringen“, sagte Bambergs Keyshawn Feazell, „und das ist uns gelungen“.
Angesichts der riesigen Personalsorgen ist die Talfahrt für die Alba-Bosse keine Überraschung. „Es ist wie bei einem Auto mit sechs Zylindern. Wenn dir ein Zylinder ausfällt, läuft der Wagen noch ganz passabel. Aber unser Motor läuft derzeit nur mit einem oder zwei Zylindern“, sagte Sportdirektor Himar Ojeda. „Und damit kannst du in der BBL nicht gewinnen. Und in der Euroleague erst recht nicht.“ Auf internationalem Parkett ist die Bilanz mit sechs Niederlagen aus den ersten sieben Spielen sogar noch verheerender.
Personalsorgen als Grund für Talfahrt

Die kräftezehrende Doppelbelastung erschwert die Lage, die Belastungssteuerung ist für Trainer González eine Mammut-Aufgabe. Zuletzt verletzte oder angeschlagene Spieler müssten bei einer Rückkehr eigentlich dosiert über Training und kurze Einsatzzeiten wieder herangeführt werden. Doch das lassen der Spielplan und die aktuelle Personalsituation nicht zu. Auch in den vergangenen Jahren hatte Alba Probleme mit der Doppelbelastung, doch so groß wie in diesem Jahr war die Not wohl noch nie. „Es wird schlimmer und schlimmer“, klagte Ojeda. Die Spielpläne der Bundesliga und des wichtigsten Basketball-Clubwettbewerbs in Europa sind in dieser Phase der Saison gnadenlos. Wer keinen großen und möglichst ausgeglichenen Kader zur Verfügung hat, droht unterzugehen. „Wir versuchen alles, um es zusammenzukriegen“, versprach Ojeda. Der Sportdirektor ist sichtlich bemüht, nicht pessimistisch oder gar resignierend zu wirken. „Wir kämpfen uns da jetzt durch, hoffen, dass es nicht schlimmer wird“, sagte er und prophezeite: „Und wenn alles gut läuft, wird unser Motor Ende Dezember wieder funktionieren und auf fünf oder sechs Zylindern laufen.“
Also durchhalten und alles wird wieder gut? „Das von Verantwortlichen und Spielern gebetsmühlenartig wiederholte Credo, dass die Mannschaft auf dem richtigen Weg sei und nur gesund werden müsse, kann kritisch hinterfragt werden“, schrieb der frühere Bundesliga-Trainer Stefan Koch in einem „FAZ“-Beitrag. Sein für die Alba-Verantwortlichen wenig schmeichelhaftes Urteil lautet: „Grundsätzlich fehlt es an Spielern von europäischem Topniveau, auch weil erhoffte Entwicklungssprünge ausgeblieben sind.“ Schon jetzt deutet sich an: Alba konnte die Abgänge von Weltmeister Johannes Thiemann und US-Star Sterling Brown nicht kompensieren. Die als Ersatz geholten Neuzugänge Trevion Williams und Will McDowell-White haben ihre Extra-Klasse noch nicht unter Beweis gestellt.
Geld spielt ganz sicher eine Rolle bei dem Abwärtstrend. Alba konnte den Spieler-Etat zwar halten, was intern schon als großer Erfolg betrachtet wird. Da aber die internationale und auch die nationale Top-Konkurrenz – allen voran Bayern München mit Ex-Bundestrainer Gordon Herbert – die Budgets eher nach oben schrauben, stehen die Berliner unter Druck. Dass nun, mitten in der Saison, über weitere Neuzugänge nachgedacht wird, zeigt, wie prekär die Lage ist. Vor allem auf der Center-Position, auf der man sich durch die Suspendierung von Khalifa Koumadje quasi nochmal selbst geschwächt hat, ist Nachholbedarf vorhanden. Man diskutiere über neue Spieler, bestätigte Sportdirektor Ojeda, der von Panik-Käufen aber nichts hält: „Aber wir haben noch nie etwas Kurzfristiges gemacht. Es muss Sinn machen und darf kein Aktionismus sein. Denn ein neuer Spieler braucht ja auch ein, zwei Monate, bis er wirklich integriert ist und helfen kann.“
Eine Soforthilfe könnte Koumadje darstellen – und der würde auch kein Extra-Geld kosten. Doch Alba steckt hier in einer Zwickmühle: Der 2,21 Meter große Profi aus dem Tschad wurde von der Vereinsführung Ende Oktober suspendiert. „Wir haben Kenntnis über Vorwürfe erlangt, die gegen Khalifa erhoben wurden. Diese Vorwürfe nehmen wir sehr ernst“, wurde Geschäftsführer Marco Baldi in einer Pressemitteilung zitiert. „Bis zur vollständigen Aufklärung“ würde der 28-Jährige aus dem Verkehr gezogen, so Baldi. Es ist nicht der erste Ärger, den der Club mit dem Center hat. Zuvor sorgte Koumadje auch für Negativ-Schlagzeilen, als er einen Doping-Fahnder der Nationalen Anti-Doping-Agentur attackiert hatte und deswegen für drei Pflichtspiele gesperrt wurde. In der Vorsaison war Koumadje dreimal von der BBL wegen unsportlichen Verhaltens gesperrt worden.