Seit dieser Saison gibt es das erste Vater-Sohn-Duo in der NBA – und was für eins! Der Sprössling von LeBron James, einem der besten Basketballer, steht auch bei den LA Lakers unter Vertrag. Aber wie groß ist sein Potenzial?

Die Nachricht schockte zunächst einige Fans der Los Angeles Lakers: Superstar LeBron James zieht seine Option zur Verlängerung nicht und steigt aus seinem mit jährlich 51,4 Millionen US-Dollar dotierten Vertrag bei den Los Angeles Lakers aus. Doch schnell wurde klar, dass der hochdekorierte Basketball-Profi die Lakers nicht verlassen will – im Gegenteil. James, so berichteten die Medien, wollte als sogenannter Free Agent der NBA-Franchise mit vergünstigten Konditionen sogar entgegenkommen, damit diese über mehr finanziellen Spielraum für weitere Trades verfügt. Am Ende kamen die Wechsel zum Beispiel von Klay Thompson und James Harden, die von James selbst vorgeschlagen wurden, nicht zustande. Und James selbst musste bei seinem neu ausgehandelten Vertrag auch keine finanziellen Abstriche machen. Der 39-Jährige unterschrieb einen neuen Zweijahresvertrag mit einem Volumen von 104 Millionen US-Dollar, wobei das zweite Vertragsjahr eine Option einzig und allein für den Spieler ist. Und noch etwas konnte James für sich aushandeln: eine No-Trade-Klausel. Das bedeutet, dass er nur mit seiner Zustimmung zu einer anderen Franchise getradet werden darf. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen lassen sich die Club-Bosse auf so etwas ein – aber LeBron James ist nun einmal LeBron James.
Zwei-Jahres-Vertrag
Der mit über 40.000 Punkten beste Korbjäger der NBA-Geschichte hat also vermutlich noch zwei Spielzeiten, um weiter an seinem Denkmal zu arbeiten, seine Rekorde auszubauen und neue Meilensteine zu erreichen. Doch James hängt auch aus einem anderen, sehr persönlichen Grund eine 22. und 23. Saison in der nordamerikanischen Profiliga dran: Er kann endlich mit Sohn Bronny gemeinsam auf dem Parkett stehen und um die Meisterschaft kämpfen. Ein fünfter NBA-Titel, den er zusammen mit seinem 20 Jahre alten Filius erreichen könnte, wäre ohne Zweifel die Krönung der schon jetzt ruhmreichen Karriere des dreimaligen Olympiasiegers. Und so war es keine Überraschung, dass sich LeBron James nur wenige Wochen nach der Vertragsunterschrift von Bronny ebenfalls offiziell zu den Lakers bekannte.
Viel Familienzeit verloren

Mitte Oktober war es dann so weit: Das erste Vater-Sohn-Duo der NBA-Historie stand bei der Partie der Lakers gegen die Minnesota Timberwolves erstmals in einem Pflichtspiel gemeinsam auf dem Court. Das Ergebnis – ein 110:103-Sieg für die Lakers – geriet sehr schnell in den Hintergrund. Sogar für den Superstar selbst. „Jetzt diesen Moment mit meinem Sohn zu haben, ist eines der größten Geschenke, das Gott mir je gemacht hat, und das werde ich voll auskosten“, sagte LeBron James. Er verriet, dass er durch seine Karriere als Profi-Basketballer „viel Familienzeit“ verloren habe, „weil ich dieser Liga alles untergeordnet habe“. Er habe deswegen auch viele Erlebnisse mit seinem zweiten Sohn Bryces und seiner Tochter Zhuris verpasst. Das tue ihm leid, denn: „Es ist Familie, Familie steht über allem.“ Umso mehr will er es nun genießen, mit Bronny in der besten Basketballliga der Welt zu spielen und ihm dort ein Anker zu sein. „Das ist nicht jeden Tag garantiert, dass man in dieser schönen Liga spielt. Es gibt nur 450 Spieler. Es wird dir nicht geschenkt, du musst dir jeden Moment verdienen“, sagte LeBron. Sorgen, dass sein Sohn nun abheben könnte, habe er aber keine: „Er weiß das, er will jeden Tag besser werden. Ich bin so stolz auf ihn.“
Zweieinhalb Minuten Einsatz

Sportlich verlief Bronnys Debüt in der NBA reichlich unspektakulär. Er bekam gegen Minnesota zweieinhalb Minuten Spielzeit, in der ihm ein Rebound gelang. Wie unpassend Vergleiche mit seinem Vater aktuell sind, zeigt der direkte Vergleich: LeBron erzielte in 35 Minuten 16 Punkte, fünf Rebounds und vier Assists, was eine eher unterdurchschnittliche Leistung von ihm war. Doch für Bronny ging es in diesem Spiel nicht um die persönliche Statistik, sondern um den Schritt an sich. „Mit meinem Vater zum Scorers-Tisch zu gehen und zum ersten Mal reinzukommen, das war ein verrückter Moment, den ich nie vergessen werde“, sagte er hinterher. „Ich bin einfach extrem dankbar, dass ich Teil dieser Liga sein kann und jeden Tag besser werden kann.“ In seinem zweiten Spiel Ende Oktober bei den Cleveland Cavaliers (110:134) erschien der Point Guard mit einem Sprungwurf aus rund zehn Metern zwei Minuten vor Schluss erstmals auf dem Scorerboard in der NBA. LeBron, der die ersten zwei Punkte seines Sohnes von der Bank aus sah, war sichtlich gerührt. In Cleveland hatte er einst seine NBA-Karriere begonnen, hier wurde Bronny auch geboren. „Zu sehen, wie er in der Arena, in der er aufgewachsen ist, seinen ersten NBA-Treffer macht, ist ein unglaublicher Moment“, sagte LeBron.

Sein Sohn kam ein Jahr nach seinem NBA-Debüt 2003 zur Welt, was sich LeBron James, der im Dezember seinen 40. Geburtstag feiert, manchmal selbst vergegenwärtigen muss: „Ich spiele länger in der Liga, als er alt ist.“ Doch zu alt für die NBA fühlt sich der Megastar noch lange nicht. Auch nicht, wenn sein eigener Sohn um ihn herumdribbelt. „Wenn du umgeben bist von jungen Leuten“, sagte er, „dann gibt dir das viel Energie, viel Leben. Es ist großartig.“ Als Vater schaut er natürlich etwas anders auf Bronny als es die anderen Teamkollegen tun. Doch das soll seine Einschätzung nicht trüben. Angeblich soll er seinem Sohn auch untersagt haben, ihn im Spiel mit „Dad“ anzusprechen. „Ich treibe ihn an, er treibt mich an, wir treiben unsere Kollegen an und sie uns“, sagte LeBron. Durch das Zusammenspiel mit Bronny habe er neue Motivation erhalten: „Es ist die reine Freude, jeden Tag zur Arbeit zu kommen und gemeinsam mit deinem Sohn zu arbeiten.“
Eine pure und ungetrübte Freude dürfte es für LeBron James Jr., so der vollständige Name von Bronny, aber nicht immer sein. Der Hype um das Vater-Sohn-Duo gefällt nicht jedem. Den laut Medienberichten mit 7,9 Millionen US-Dollar dotierten und garantierten Vierjahresvertrag halten Experten für zu hoch dotiert und zu langfristig. Der von den Lakers an Nummer 55 gedraftete Zweitrunden-Pick hätte wie üblich einen Two-Way-Vertrag bekommen sollen, meinen Kritiker. Manche äußern auch unverblümt die Vermutung, dass vor allem Marketing-Gründe für die Verpflichtung von Bronny James gesprochen hätten. Und dass sein Vater Druck auf die Lakers-Bosse ausgeübt habe. „Ich habe es schon in den sozialen Medien und im Internet gesehen, wie darüber gesprochen wurde, dass ich keine Chance verdiene“, erklärte der Youngster. Neu sind solche Dinge für ihn nicht. Er wird damit konfrontiert, seit er Basketball spielt. „Ich habe schon mein ganzes Leben lang mit solchen Dingen zu tun. Es ist nichts anderes. Es hat sich sicher noch verstärkt, aber ich kann es durchstehen.“
Sollte er diesen enormen Druck aushalten, hätte der NBA-Neuling, der den prominenten Namen trägt, tatsächlich einen großen Schritt getan. Doch zunächst wird er den größten Teil seiner Rookie-Saison für das LA-Farmteam in der G-League auflaufen und nur sporadisch beim A-Team der Lakers reinschnuppern. In der Pre-Saison konnte er nur selten auf sich aufmerksam machen, vor allem sein Größen-Nachteil fällt nun deutlicher auf. Mit 1,80 Metern ist Bronny im Vergleich zu den meisten NBA-Riesen eher klein, was sich auch nicht mehr ändern wird. Physisch kann und muss er noch nachlegen. Auch in Sachen Ballhandling und Scoring sehen Experten noch reichlich Nachholbedarf. Seine Stärken hat er nicht wie sein Vater in der Offensive, sondern in der Abwehrarbeit. Nicht umsonst nannte er die NBA-Profis Derrick White, Jrue Holiday und Davion Mitchell als Guards, denen er nacheifere. „Offensichtlich ist er sehr defensiv orientiert, er hat einige großartige Blocks“, lobte ihn Lakers-Center Anthony Davis: „Er lernt auch noch. Er versucht immer noch, alles zu verstehen.“

Die Erwartungen an den Jungen, die auch LeBron James und dessen Agent Rich Paul geschürt hätten, würden „nicht der Realität seines Spiels entsprechen“, zitierte der TV-Sender ESPN einen anonymen NBA-Manager. „Wenn sie eine wirkliche Vorstellung davon hätten, wie weit Bronny entfernt ist, hätten sie das nicht getan.“ Gemeint war die Anmeldung zum NBA-Draft im vergangenen Juni. Nicht wenige Experten sind der Meinung, für Bronnys Entwicklung wären ein oder zwei weitere Jahre am College gut gewesen.
„Das ist so ein verrücktes Gefühl“
Der Sohn des vielleicht besten Basketballers der Geschichte hatte vor seinem Schritt zu den Lakers bei der University of Southern California gespielt und durchaus auf sich aufmerksam gemacht. Doch im Juli des Vorjahres brach er bei einem Training zusammen, die Diagnose der Ärzte war ein Schock: Herzinfarkt infolge eines angeborenen Herzfehlers. Dieser konnte mithilfe einer Operation behoben werden, und Bronny beendete nach monatelanger Reha noch seine College-Saison für die USC Trojans. Doch wirklich berauschend verlief sein Comeback nicht. Davon will sich Bronny James aber nicht beirren lassen. „Ich habe mich sehr angestrengt, um wieder dahin zu kommen, wo ich war“, sagte er. Und nun ist er sogar noch weiter, im grellen NBA-Scheinwerferlicht an der Seite seines Vaters.
„Das ist so ein verrücktes Gefühl, mit deinem Vater im Training zu sein und sich auf diesem Niveau zu messen“, sagte der Junior: „Auf der anderen Seite, täglich im Training gegen LeBron James antreten zu müssen, das ist auch eine ganze Menge.“ LeBron will – darauf lassen zumindest seine öffentlichen Aussagen schließen – dem Sohn bei der Bewältigung der enormen Erwartungshaltung nicht aktiv helfen. Dieser sei schließlich „ein erwachsener Mann“ und könne „selbst mit dem ganzen Druck umgehen“. Bronny sieht sich für diese mentale Riesenherausforderung gut gerüstet: „Ich habe das Gefühl, dass es mich zu einem stärkeren Menschen gemacht hat.“
Im Baseball gab es solche Vater-Sohn-Duos in einem Team schon öfter. Ken Griffey Senior und Ken Griffey Junior zum Beispiel liefen in den 90er- Jahren gemeinsam in der MLB auf. Die beiden saßen beim historischen James-Debüt an der Seitenlinie, Ken Griffey Junior postete von diesem Abend ein Bild in den sozialen Netzwerken und schrieb dazu: „Wir haben Geschichte geschrieben, jetzt können wir Geschichte sehen.“