Drei Fragen
„Wir Deutsche sind keine Frustköppe“
Der jüngste Glücksatlas zeigt, innerhalb des europäischen Vergleichs liegen wir bei der Zufriedenheit im gehobenen Mittelfeld, so der Leiter der Zufriedenheitsstudie der Uni Freiburg, Prof. Bernd Raffelhüschen.
Herr Prof. Raffelhüschen, Sie sind Finanzwissenschaftler und Demografie-Experte und messen im Rahmen ihrer Forschung unter anderem das Glück. Wie macht man das?
Das ist sprachlich nicht ganz richtig, denn Glück kann man nicht in Parametern messen. Ich gehe bei Rot über eine Ampel und werde nicht überfahren, dann habe ich Glück gehabt, das ist nicht messbar. Wir untersuchen die Zufriedenheit der Menschen, also nicht ihres Lebensgefühls, sondern ihrer Lebensumstände. Also fragen wir die Menschen in ganz Deutschland wie sie leben. Das nicht nur grobmaschig nach Bundesländern, sondern, wir schauen uns die regionalen Besonderheiten in den einzelnen Ländern an.
Wer ist denn glücklicher oder besser zufriedener? Der Stadtmensch oder aber die Bewohner der ländlichen Räume?
Das kann man so nicht sagen, beim aktuellen Glücksatlas liegt Hamburg auf Platz eins gefolgt von Bayern. Auf dem vorletzten Platz bei der Zufriedenheit liegt Berlin, gefolgt von Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern. Daraus lässt sich kein Stadt-Land-Gefälle ablesen, sondern eher sagen, die Bundesländer, denen es finanziell und damit strukturell besser geht, haben mehr zufriedene Einwohner. Aber selbst so einfach ist es nicht, weil es in einem Bundesland erhebliche regionale Unterschiede gibt. Beispiel Brandenburg: Im sogenannten Speckgürtel um Berlin herum sind die Menschen sehr zufrieden mit ihren Lebensumständen. Das genaue Gegenteil ist im ländlichen Brandenburg der Fall. Klar dort gibt es weniger Geschäfte, Kitas, Ärzte oder ÖPNV-Anbindung.
Wie zufrieden sind wir Deutschen denn im europäischen Vergleich, also ist bei uns das Glas wirklich immer halbleer?
Nein, ganz und gar nicht, der jüngste Glücksatlas zeigt, innerhalb des europäischen Vergleichs liegen wir bei der Zufriedenheit im, wohlgemerkt, gehobenen Mittelfeld. Verfolgt man die Medien, entsteht immer der Eindruck, wir wären dauernd am Nörgeln und uns ist eigentlich nichts recht zumachen, aber das stimmt absolut nicht. Wir Deutsche sind keine Frustköppe, wie immer der Eindruck vermittelt wird, sondern im europäischen Vergleich doch rundherum zufrieden mit uns und unserem Leben. Interview: Sven Bargel
Rüge für Temu
Der chinesische Online-Marktplatz Temu muss beim Verbraucherschutz nachbessern. Gleich mehrere Praktiken auf der Plattform verstoßen gegen EU-Recht, wie die Europäische Kommission und das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) mitteilten. Temu habe einen Monat Zeit, um auf die Ergebnisse der Untersuchung zu antworten und zu erklären, wie es die verbraucherrechtlichen Probleme beheben wolle. Das CPC-Netz bemängelte außerdem, dass die Plattform Kaufdruck ausübe. Es werde der Eindruck vermittelt, dass Produkte nur begrenzt oder für kurze Zeit verfügbar seien. Auch eine sogenannte erzwungene Gamification kritisierten die Prüfer. Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden gezwungen, ein Glücksrad zu drehen, um auf den Online-Marktplatz zuzugreifen. Informationen über die Nutzungsbedingungen des Spiels würden jedoch verborgen. Ein Sprecher von Temu sagte, man werde eng mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um etwaige Probleme zu lösen und die Einhaltung der EU-Gesetze sicherzustellen.
Ansturm von Neumitgliedern
Zwei Parteien konnten angeblich zumindest bei den Mitgliederzahlen vom Bruch der Ampelregierung profitieren. Laut Angaben der SPD sind innerhalb von 48 Stunden nach dem Ende der Ampel mehr als 500 Neueintrittsanträge bei den Sozialdemokraten eingegangen, so SPD-Generalsekretär Matthias Miersch und sieht dies als Vertrauensbeweis für die eigene Politik. Zu Austritten aus der SPD gibt es keine aktuellen Zahlen, da dies dezentralisiert über die Kreisverbände laufen würde, heißt es bei der SPD. Auch der ehemalige Koalitionspartner in der Ampel verbreitete nach dem Ampelende eine ähnlich lautende Jubelmeldung aus der FDP-Parteizentrale und will den alten Partner bei den Neueintritten sogar noch übertrumpft haben. Dort seien innerhalb von 48 Stunden sogar mehr als 650 neue Mitgliedsanträge eingegangen. „Seit dem Ende der Koalition verzeichnen wir viele Eintritte und kaum Austritte“, so ein Parteisprecher. Garantiert belegt ist auf jeden Fall der Austritt eines Parteimitglieds: Bundesverkehrsminister Volker Wissing.
Linke Spitzenkandidaten
Es soll ein basisorientierter Bundestagswahlkampf der Linken werden. Also weniger Großveranstaltungen und dafür viel mehr Haustürbesuche. Der Parteivorsitzende Jan van Aken und die Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, Heidi Reichinnek, sollen beim zukünftigen Klinkenputzen vorangehen. Van Aken ist seit Oktober neuer Co-Parteichef der Linken, Reichinnek ist Co-Vorsitzende der Gruppe der Linke im Bundestag. Die inhaltliche Ausrichtung der Linken ist laut Spitzenkandidat van Aken einfach auf den Punkt zu bringen: „Wir hier unten gegen die da oben.“ Seine ersten Erfahrungen an den Haustüren fasst van Aken ebenso simpel zusammen: „Für viele Menschen gibt es nur ein Thema: die Inflation. Die Menschen haben immer weniger Geld in der Tasche.“ Laut den derzeitigen Umfragen ist es relativ unwahrscheinlich, dass die Linke als Partei den Sprung in den Bundestag schaffen kann. Die Hoffnung liegt auf dem Erfolg der Direktkandidaten.
Polen bietet Deutschland Hilfe an
In der Debatte um die Neuwahl hatte Bundeswahlleiterin Ruth Brand vor einem zu frühen Termin gewarnt und dies mit einer möglichen Papierknappheit begründet. Umgehend reagierten unsere polnischen Nachbarn auf die Meldung. „Wenn Deutschland Drucker und Papier braucht, werden wir beides auf jeden Fall an unsere Nachbarn verkaufen“, stellte Dariusz Jonski, Europa-Abgeordneter der Mitte-Links Bürgerkoalition der deutschen Seite in Aussicht. „Daran werden auch polnische Unternehmen verdienen, was die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft weiter steigern wird.“ Doch diese Art der „Wahlhilfe“ aus Polen wird nicht nötig sein. „Wir haben genügend Papier. Die deutsche Papierindustrie ist da sehr leistungsfähig“, versichert Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Verbands Die Papierindustrie. Auch für sehr schnelle Neuwahlen sieht sich der Papierverband gewappnet, „bei rechtzeitiger Bestellung können wir das benötigte Papier für eine vorgezogene Bundestagswahl liefern“, so Branchensprecher Reibnitz.
Initiative
Reform für Deutschland
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist in seiner Amtsfunktion seit dem Bruch der Ampel besonders gefordert. Doch Steinmeier sieht seine Aufgabe nicht nur darin, Regierungs- und Parteirepräsentanten den Weg zu weisen, sondern er will die gesamte Gesellschaft bei den in Deutschland dringend notwendigen Reformen mitnehmen. Darum hat er Mitte November in seiner Funktion die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ ins Leben gerufen. Der Plan für diese gesellschaftliche Arbeitsgruppe: 50 Vertreter der Zivilgesellschaft sollen ein Jahr lang regelmäßig in überparteilichen Runden, unter Schirmherrschaft des Bundespräsidialamtes, Maßnahmen zu diversen Themenfeldern der Reformen erarbeiten. Dazu wird es eine koordinierende Geschäftsstelle im Schloss Bellevue geben. Bereits in einem Jahr soll ein Abschlussbericht vorgestellt und der dann neuen Bundesregierung übergeben werden.
Sprachendebatte
Ein Luxemburger Abgeordneter hat unlängst im Europaparlament (EP) für Aufsehen gesorgt, weil er seine Rede auf Lëtzebuergesch (Luxemburgisch) halten wollte. Luxemburgisch gehört aber nicht zu den 24 Amtssprachen im EP. Auch in Luxemburg selbst wird es immer weniger gesprochen. Nur etwa die Hälfte der Einwohner sind Luxemburger. Offizielle Amtssprachen sind Französisch, Deutsch und Luxemburgisch, in der öffentlichen Verwaltung und im Geschäftsverkehr dominiert Französisch, in den Medien vielfach Deutsch. Zudem gibt es aufgrund der Zuwanderung eine große portugiesische Gemeinschaft. Englisch ist ohnehin weitverbreitet. Der Gebrauch der luxemburgische Sprache hat in den letzten Jahren abgenommen, von knapp 57 Prozent 2011 auf weniger als die Hälfte (48,9 Prozent im Jahr 2021, Quelle: Staatliches Statistikamt). Die Zeitschrift „L’Essentiel“ berichtet gar über eine Debatte, Luxemburgisch als Minderheitssprache anerkennen zu lassen. Die luxemburgische Regierung hat nun einen auf zwanzig Jahre angelegten Aktionsplan zur Förderung der luxemburgischen Sprache aufgelegt.
Klimakonferenz im Schatten der Weltpolitik
Die 29. Weltklimakonferenz (COP 29) in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku steht unter keinem guten Stern. Bis Ende November sollen Delegationen aus rund 200 Staaten bei der COP 29 über die Bekämpfung des Klimawandels beraten. Allerdings sind bahnbrechende Beschlüsse wieder einmal nicht abzusehen. Die USA sind nur noch mit einer Notbesetzung vertreten. Vom zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump wird prognostiziert, dass er den Klimaschutz eher zurückfährt, so könnten die USA erneut aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Auch von Deutschland ist nicht viel zu erwarten. So wird Bundeskanzler Olaf Scholz an der COP 29 nicht persönlich teilnehmen, weil er in Berlin mit der Abwicklung seiner Regierung beschäftigt ist. Seit 2020 verpflichtet sich die Staatengemeinschaft, 100 Milliarden Dollar jährlich zu sammeln, um ärmere Länder damit beim Klimaschutz zu unterstützen. Diese Vereinbarung läuft im kommenden Jahr aus. COP-Gastgeberland Aserbaidschan will nun einen neuen Klimafonds initiieren, bei dem nicht nur Staaten, sondern auch Unternehmen Geld investieren sollen.
Erneuerbare Energien
Vattenfall investiert
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall will bis 2028 mehr als fünf Milliarden Euro in das Geschäft mit erneuerbaren Energien in Deutschland stecken. Deutschland sei der am schnellsten wachsende Markt für erneuerbare Energien in Europa, hieß es seitens des Konzerns. Der Strombedarf werde hierzulande bis 2030 voraussichtlich um 40 Prozent steigen und könnte sich bis 2045 verdoppeln. Der Konzern wolle zum einen den Ausbau von fossilfreier Energieerzeugung sowie von Speicherkapazitäten vorantreiben. Jedes Jahr werde Vattenfall Solarparks mit einer Leistung von 500 Megawatt bauen sowie Großbatterien mit einer Kapazität von 300 Megawatt. Vattenfall verwies zudem auf die beiden entstehenden Offshore-Windparks Nordlicht 1 und 2 in der Nordsee, die mit einer Kapazität von insgesamt 1,6 Gigawatt bis 2028 ans Netz gehen sollen.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Wir haben ein Problem, Europa! Im Sport. Was ist geschehen?
Vorige Woche haben pro-arabische Fanatiker in Amsterdam nach einem Fußballspiel so gewaltsam auf israelische Fans eingeprügelt, dass Jerusalem Evakuierungsflieger losschickte. Die Stadt Anne Franks war für Juden stundenlang nicht sicher.
Das abscheuliche Geschehen war nicht das erste im Raum Benelux. Seit Jahren stacheln pro-palästinensische Banden zum Hass und zur Einschüchterung auf. In Städten wie Brüssel und Antwerpen.
Leider haben die Täter Erfolg. Erst im September musste Belgien sein Nations-League-Heimspiel gegen Israel ins abgelegene Debrecen/Ungarn verlegen. Die Hauptstadt Brüssel hatte wegen Terrorangst abgewunken. Danach wollte in Belgien niemand ins Risiko gehen: nicht Lüttich, nicht Löwen, nicht Antwerpen, nicht Brügge. Ein Erfolg für den organisierten Mob.
Es ist nicht nur der Fußball, auf den die Anhänger islamistischer Mördermilizen wie der verbotenen Hamas zielen. Das Terrorisieren soll israelischen Sportlern generell die Freude nehmen, an zivilisierten Turnieren teilzunehmen.
Es ist ein europaweites Phänomen. Schon 2018 musste in Barcelona ein Wasserballspiel zweimal verlegt werden, weil die ängstliche Stadtregierung es untersagt hatte. Und Deutschland? Mitglieder jüdischer Vereine werden bespuckt, beleidigt, drangsaliert.
Der Erstliga-Club Ajax Amsterdam hatte nun den Mut, den zugelosten Verein Maccabi Tel Aviv regelgemäß zu empfangen. Es ging 5:0 für die Gastgeber aus. Für ihre Gäste aber war nicht die haushohe Niederlage ein Alptraum. Es war die Hetzjagd danach. Wir haben ein Problem, Europa!
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.