Nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga droht alleine im Saarland in diesem Jahr die Schließung von etwa 200 Betrieben. Hauptursache sei dabei die Wiedereinführung des Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent statt zwischenzeitlich sieben Prozent. Die Politik sei aber auch in vielerlei anderer Hinsicht gefordert.
Christoph Schneider betreibt das Grill- und Ausflugsrestaurant und Hotel „Margaretenhof“ in der kleinen saarländischen Gemeinde Berus. Er führt das Familienunternehmen gemeinsam mit seiner Frau in zweiter Generation und feiert 2025 Jubiläum: 50 Jahre gibt es den „Margaretenhof“ dann. „Schau’n wir mal“, schiebt Schneider sarkastisch nach. Wie viele Gastronomen bundesweit hat auch er massiv zu kämpfen: mit gestiegenen Lebensmittelpreisen beim Einkauf, mit gestiegenen Energiekosten seit Beginn des Kriegs in der Ukraine, gestiegenen Lohnkosten durch die Anhebung des Mindestlohns. Vor allem aber mit der Rückkehr vom ermäßigten Mehrwertsteuersatz zum regulären seit Anfang 2024. Dieser war während der Corona-Pandemie für Speisen von 19 Prozent auf sieben abgesenkt worden und gilt seit Januar wieder in ursprünglicher Höhe.
Die Kosten sind zu hoch
„Die Rückkehr zu den 19 Prozent hat uns alle wirklich schwer getroffen“, sagt auch Michael Buchna, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Saarland, und selbst Betreiber von „Buchnas Landhotel Saarschleife“. Bis Ende des Jahres seien alleine im Saarland etwa 200 der knapp 2.450 Betriebe aufgrund des immer größer werdenden Kostendrucks akut von einer Schließung betroffen, heißt es vonseiten des Verbands. Zum Vergleich: 2019, also vor der Corona-Pandemie und vor den Auswirkungen des Kriegs in Europa, lag die Zahl der Gaststätten im Saarland noch bei knapp 3.000. Der Dehoga wollte im Vorfeld seines Landesverbandstages entsprechend auf die Situation der Branche aufmerksam machen und hatte dazu auch einige Restaurantbetreiber der Region eingeladen, um diese aus ihrem Alltag berichten zu lassen.
Dabei wird deutlich, dass sich die Gastronomen schlicht von der Politik im Stich gelassen fühlen. „Wenn große Unternehmen wie aktuell etwa VW von Entlassungen betroffen sind, reagieren alle“, sagt Buchna in Richtung Politik. „Wenn aber in ganz Deutschland ständig kleine und mittelständische Betriebe in der Gastronomie aufgeben müssen, interessiert sich niemand dafür.“ Dabei seien die Zahlen der Betroffenen durchaus vergleichbar.
Bereits vor Corona habe es eine Vorlage zur Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie gegeben, sagt auch Schneider. Und auch während der Pandemie habe es immer wieder Signale aus der Politik gegeben, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz dauerhaft beibehalten zu wollen. Entsprechend hat auch André Folschweiller, Betreiber des „Grill au bois“ in Neunkirchen, Ende vergangenen Jahres die Preise für Feiern der ersten drei Monate dieses Jahres noch nach dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz kalkuliert – weil er sich wie viele seiner Kollegen schlicht nicht vorstellen konnte, dass die Politik tatsächlich die Rolle rückwärts vollziehen würde. Ab dem Frühjahr brachen dann seine Erträge ein – obwohl die Umsätze nach wie vor gut waren. Doch die Kosten waren schlicht zu hoch. So hoch, dass er drei Mitarbeiter entließ: „Nicht weil ich es wollte, sondern weil ich es aus unternehmerischer Sicht schlicht tun musste.“
Für die Gastronomen würde ein geringerer Mehrwertsteuersatz auch geringere Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ans Finanzamt bedeuten und somit deutlich mehr gestalterischer finanzieller Spielraum im Alltag. Viele Gastronomen, wie etwa auch Christian Heinsdorf von der Taverne „Römische Villa Borg“, haben diese Spielräume in den vergangenen Jahren beispielsweise dazu genutzt, um ihre Küchen und Gasträume zu modernisieren oder auch die Gehälter der Mitarbeiter anzupassen. „Das hat uns damals wirklich geholfen für Investitionen“, gibt er zu. Andererseits könne er jetzt auch nicht den Mitarbeitern das Geld wieder wegnehmen. Wie er fragen sich die Kollegen, warum die Politik nicht bereit sei, die Rückkehr zu 19 Prozent wenigstens schrittweise umzusetzen und der Gastronomie entgegenzukommen. Doch bislang seien Anfragen und Anregungen unbeantwortet geblieben. Auch wenn der Mehrwertsteuersatz jetzt wieder so hoch sei wie 2019, sei deshalb längst nicht alles wie vorher. Die Rahmenbedingungen haben sich seither gehörig verändert. Die Energiepreise sind stark gestiegen, ebenso die Lohnkosten.

Laut Dehoga ist der Ecklohn, also das Grundgehalt im Tarifvertrag, zwischen 2022 und 2024 um 15,8 Prozent gestiegen. Zudem hat unter anderem die Inflation die Lebensmittelpreise deutlich verteuert. Nach Angaben des Dehoga haben diese sich alleine zwischen Oktober vergangenen Jahres im Vergleich zum Januar des Jahres 2021 um 29 Prozent erhöht. Im selben Zeitraum seien die Preise für alkoholische Getränke um 23 Prozent gestiegen und die nichtalkoholischer um 17 Prozent. Aktuell liegen die Lebensmittelpreise im Saarland nochmals um 2,8 Prozent höher als im Oktober des Vorjahres. Besonders stark sind demnach auch die Preise für Speisefette und Speiseöle gestiegen und zwar um fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Hinzu kommt, dass gleichzeitig mit der Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer auch die Corona-Hilfen zurückgezahlt werden müssen. Wiederum Geld, das im Betriebsalltag fehlt. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten spüren natürlich nicht nur die Gastronomen, sondern die Bevölkerung ganz allgemein. Was wiederum dazu führt, dass die Menschen seltener essen gehen. Laut einer Konjunkturumfrage des Dehoga vom Juli dieses Jahres verzeichnen 63,3 Prozent der Restaurants und Gaststätten weniger Gäste, 62,4 Prozent berichten von sinkenden Umsätzen und zwei Drittel der Gastronomen von entsprechenden Ertragsrückgängen.
Wachsende Bürokratie
Christoph Schneider vom „Margaretenhof“ bringt es auf den Punkt: „Die Kunden kommen noch immer, aber deutlich seltener im Monat. Erst recht, wenn sie für ein Stück Rindfleisch 30 bis 40 Euro bezahlen müssen.“ Denn die Gastronomen kommen längst nicht mehr umhin, die gestiegenen Kosten zumindest in Teilen an ihre Kunden weiterzugeben. Alle anderen Spielräume sind meist bereits ausgereizt. Viele haben ihre Öffnungszeiten verändert, zwei Ruhetage statt einem eingeführt. Die Angebote überarbeitet, etwa Beilagen, die früher automatisch dabei waren, einzeln ausgepreist. Geplante und möglicherweise dringend benötigte Investitionen zurückgestellt. Alles, um die laufenden Kosten zu minimieren.
„Wir versuchen alles, um den Restaurantbesuch als Erlebnis aufrechtzuerhalten“, betont auch Frederik Theis. In seiner „Maimühle“ in Perl setzt der Gastronom vor allem auf nachhaltige, regionale Produkte. „Man stellt sich aber schon die Frage, wie lange man noch das Eins-a-Produkt vom Hof um die Ecke kaufen kann und wie lange es sich noch rechnet, regionale Küche zu machen. Umgekehrt leidet langfristig das Ansehen, wenn man plötzlich auf Standardprodukte zurückgreifen muss.“ Und es zieht – ähnlich wie bei den Zulieferern in der Automobilbranche – einen Domino-Effekt nach sich. Denn auch kleine Betriebe, die die Gastronomie mit hochwertigen Produkten beliefern, stehen vor existenziellen Problemen, wenn die Gastronomie als bislang zuverlässiger Abnehmer immer häufiger wegfällt.
Gleichzeitig wachsen die Anforderungen durch Vorschriften und Richtlinien an die Gastronomen Jahr für Jahr. Aber auch die Forderungen nach einem Bürokratieabbau blieben laut Dehoga trotz zahlreicher Vorschläge der Branche ungehört oder zumindest unbeantwortet. Dehoga-Präsident Michael Buchna spricht hier gar von einer „Herrschaft der Verwaltung“. Und zu guter Letzt erschwere auch der Mangel an Fach- und Hilfskräften die Situation. „Obwohl wir ohnehin keine Kräfte finden, müssen wir beispielsweise Festlichkeiten doppelt besetzen, weil der Arbeitsschutz selbst die Mitarbeiter, die vielleicht gerne länger arbeiten möchten, bei solchen Anlässen zwingt, frühzeitig nach Hause zu gehen“, erklärt Schneider. Hinzu komme, dass durch die Einführung des Bürgergeldes für viele der Anreiz fehle, als Hilfskraft zu arbeiten.
Christoph Schneider ist aber noch lange nicht gewillt, aufzugeben. „Manchmal fragt man sich als Unternehmer zwar schon, warum machst du das eigentlich?“, räumt er ein. Aber wie seine Kollegen, die von ihren Nöten berichten, ist auch er Gastronom aus Leidenschaft, und das anstehende 50. Unternehmensjubiläum sei etwas, was ihm die nötige Kraft gebe, um jeden Morgen aufzustehen. Und: „Sarkasmus hilft in unserer Situation. Und irgendwie wird es schon weitergehen.“