„Die Flutkatastrophe im Ahrtal vor wenigen Jahren hat uns gezeigt, dass Deutschland vor Hochwasser nicht mehr sicher ist“, sagt Dieter Homburg, der auf Versicherungsleistungen bei Elementarschäden spezialisiert ist. Wir fragen nach.
Herr Homburg, kann die Versicherungswirtschaft generell abfedern, was die öffentliche Hand nicht (mehr) leisten kann, wenn es zu Überschwemmungen und Flutkatastrophen kommt?
Aktuell eher nein, da nicht alle Hausbesitzer eine Elementarschadenversicherung haben. Es ist aber schon länger in der Diskussion, die Elementarschadenversicherung zur Pflicht zu machen.
Was kostet es, ein Häuschen im Grünen zu versichern für den Fall, dass es irgendwann im Wasser steht? Wie berechnen sich die Prämien bei einem Hotel oder bei einem mittelständischen Industrie-Unternehmen?
Deutschland ist in sogenannte „ZÜRS-Zonen“ eingeteilt. Das ist ein Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen. Es gibt vier Zonen sowie drei Starkregengefährdungsklassen, abgekürzt „SGK“. Ist das zu versichernde Haus in Zone 1, dann ist die Prämie sehr gering; ist das Haus in Klasse 4, kann es nicht gegen Elementarschäden versichert werden. Das gilt auch für Hotels sowie Gewerbe- und Industriegebäude.
Wie hoch sind die Versicherungsleistungen, wenn Existenzgrundlage und Erinnerungen davongeschwemmt werden: Kann mit ihnen tatsächlich neu gebaut und ausgestattet werden?
Es wird geleistet bis zur vertraglich vereinbarten Versicherungssumme, also ja.
Wann lohnt es sich nicht, das eigene Domizil zu versichern, beziehungsweise wann lehnt die Versicherung einen solchen Schutz für Hab und Gut ab?
Es lohnt sich immer, das eigene Domizil zu versichern. Die wenigsten Menschen haben genug Geld, um einfach so ein Haus zu bauen. Die Reichen hingegen haben keinen Grund, ihr Vermögen aufzubrauchen, wenn man sich dagegen versichern kann. Versicherer lehnen ab, wenn man in ZÜRS-Zone 4 wohnt. Manche Gesellschaften lehnen Versicherungsschutz bereits ab Zone 3 ab.
Muss ein Wiederaufbau an Ort und Stelle erfolgen, oder können Geschädigte mit dem Versicherungsgeld ein sichereres Grundstück für den Neuanfang ankaufen?
Grundsätzlich ja, es sei denn, der Wiederaufbau an derselben Stelle wird durch Behörden untersagt. Sollten durch behördliche Anweisung Mehrkosten entstehen, dann werden diese nur in dem Umfang ersetzt, in dem sie auch bei Wiederherstellung an bisheriger Stelle entstanden wären.
Kann es sein, dass die Versicherung nicht zahlt, weil notwendige oder beschlossene Hochwasserschutzmaßnahmen durch die öffentliche Hand nicht beizeiten umgesetzt worden sind?
Nein.
Gibt es auch Versicherungen für Schäden an der Haussubstanz, weil der Grundwasserspiegel zu stark sinkt, beziehungsweise der ausgedörrte Untergrund bröckelt und ins Rutschen gerät?
Im Rahmen der Elementarschadenversicherung werden auch Schäden durch Erdsenkungen und Erdrutsche versichert, sofern sie naturbedingt anfallen.
Was haben Sie selbst schon bei konkreten Hochwasser-Schäden für Ihre Klienten leisten können?
Im Schadenfall steht man seinen Kunden zur Seite; man vermittelt zum Beispiel Handwerker oder hilft bei der Suche nach einer Unterkunft. Außerdem sorgt man dafür, dass möglichst schnell die Gelder, etwa für den Kauf von neuen Kleidungsstücken, fließen.
Wirkt die Versicherungswirtschaft– analog zur Gesundheitsvorsorge– an Präventionsmaßnahmen gegen Katastrophen mit, die durch den Klimawandel begünstigt werden?
Ja, das tut sie. Der Gesamtverband der Versicherer, GDV, setzt hier auf ein Gesamtkonzept aus Prävention, Klimafolgenanpassung und Versicherungslösungen. Damit Schäden und auch die Versicherungsprämien bezahlbar sind und bleiben können, muss hier präventiv gearbeitet werden. Teil des Gesamtpakets sind verbindliche Schutzmaßnahmen wie Bauverbote in gefährdeten Gebieten, eine Pflicht zu überschwemmungsresilienten Baustoffen und eine Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen sowie ein Naturgefahrenausweis, der die Schadenanfälligkeit von Gebäuden aufzeigt.