Deutschpunk und die Neue Deutsche Welle, kurz NDW, wurden als authentisches Zeitgefühl respektiert, bisweilen gab es auch Spott, zumeist aber wurde das Phänomen geliebt. Bald fand eine Kommerzialisierung statt, schnell landete alles auf den Ramsch-Tischen. Eine Schlageraffinität wurde ausgemacht, manchen wiederum waren Teile der Szene zu rechts. Das Achtziger-Revival hält dennoch bis heute an.
Es braucht also durchaus eine kritische Analyse jener Ära. Frank Apunkt Schneider hat sie geliefert, bereits 2007. Nun erscheint die 4. Auflage seines Buches „Als die Welt noch unterging“. Was bedeutet: Das Interesse an Aufarbeitung und Einordnung, Glorifizierung und Distanzierung bleibt ungebrochen groß. Grund genug, parallel zur Neuauflage nun auch eine musikalische Untermalung anhand von 20 NDW-relevanten Songs darzubieten (siehe CD-Tipp links).
Schneider beleuchtet mit Klugheit, Leidenschaft und feiner Handschrift die Jahre zwischen 1976 und 1985.
Das Wettrüsten zwischen Ost und West trieb damals viele in die Resignation. Etliche flüchteten in musikalische Revolten. Der Übergang zu „Spaß, der dem ‚Sinn‘ von der Schippe sprang“ war dabei fließend. Über stolze 150 Seiten streckt sich allein die Diskografie.
Bands hießen damals The Boikottz, Hass, Genius & Wahnsinn und Schwachsinniges Geklimper. Wohl fast jedes musikalische Lebenszeichen auf Vinyl oder Kassette wird hier gelistet (und kommentiert). Das Stöbern darin bereitet Freude. Als ebenso ergiebig wie freudvoll erweist sich die Lektüre.
Schneider hält den diffusen Begriff NDW bewusst aufrecht, weil er „eine gewisse Schwammigkeit zulässt, die dem Phänomen durchaus entspricht“. Top-Acts wie Trio, Andreas Dorau, Ideal und die Ärzte (mit ihrem Skandal-Song „Claudia hat ’nen Schäferhund“) haben Raum, indes nicht zu viel. Saarbrücken wird im NDW-Städte-Ranking übrigens auf Platz 16 geführt. Gibt es Leserinnen und Leser, die noch Sinalco Flour S, Tod durch Müsli und Safari Grünspan kennen?