Französisch ist sexy, Deutsch ist cool – von wegen: Die Realität spricht eine andere Sprache, nämlich Englisch. Um bei jungen Menschen Lust auf die Sprache der Nachbarn zu wecken, braucht es kreative Ansätze. Davon war viel die Rede beim Besuch der französischen Bildungsministerin Anne Genetet im Saarland, dem „französischsten aller Bundesländer“.

Schön wär’s nämlich, wenn junge Deutsche und Franzosen so denken würden und einfach Lust hätten, die Sprache des jeweiligen Nachbarn zu lernen. Da überwiegt doch eher der Frust: Die Sprache Molières gilt hierzulande als höfisch, bürgerlich-elitär, verschnörkelt und kompliziert obendrein. Die Sprache Goethes kommt bei unseren Nachbarn nicht besser weg: Schwierig, hölzern, bisweilen militärisch hart und zackig, ohne Leidenschaft sowie oftmals unaussprechbar für französische Feingeister. Nur rund ein Viertel der Schülerinnen und Schüler in Deutschland lernen Französisch, und in Frankreich trauen sich nur noch 15 Prozent der jungen Menschen, die deutsche Sprache zu lernen. Sie weichen lieber sofort auf Englisch aus.
Schlüsselrolle in Europa
Klar ist Spracherwerb ein Dauerthema in den Schulen, aber es fehlt schlichtweg die Begeisterung und Überzeugung, dass angemessene Sprachkenntnisse in Deutsch und Französisch in vielerlei Hinsicht sehr nützlich sein können. Angesichts der enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Europa im Zeitalter der Transformation und des Klimawandels kommt dem Sprachenlernen und dem damit verbundenen gegenseitigen Kennenlernen eine ganz neue Bedeutung zu. Mehr Miteinander statt Alleingänge ist mehr denn je gefragt, und Deutschland und Frankreich kommt trotz unterschiedlicher Bildungssysteme in Europa wieder einmal eine Schlüsselrolle und Vorbildfunktion zu.
Wie das Erlernen der Sprache des Nachbarn wieder cool und sexy werden kann, welchen Nutzen dabei Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) spielen und wie Lehrkräfte besser vorbereitet werden können, darüber diskutierten hochrangige Vertreter der Bildungspolitik aus den Bundesländern und Frankreich Mitte November auf dem Halberg in Saarbrücken. Eingeladen zu der sogenannten Recteurskonferenz inklusive eines Besuchs des Deutsch-Französischen Gymnasiums hatten die Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten, Anke Rehlinger, die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot, sowie die französische Ministerin für Bildung und Jugend, Anne Genetet.
Um die Transformation durch Bildung gemeinsam zu gestalten, unterzeichneten die drei mit der „Saarbrücker Erklärung“ eine Absichtserklärung zur Stärkung der deutsch-französischen Bildungskooperation. Schwerpunkte darin sind der Ausbau des bilingualen Bildungsangebots, die Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität für Schüler, Auszubildende, Studierende und Lehrkräfte, der Einsatz maßgeschneiderter digitaler Lernplattformen und Lernassistenzsysteme sowie Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs.
Anke Rehlinger warnte davor, Englisch gegen Französisch oder Deutsch auszuspielen und warb eindringlich für Mehrsprachigkeit. Der Wettbewerb gegen die englische Sprache sei eh nicht zu gewinnen, aber junge Menschen von besseren Karrierechancen zu überzeugen, wenn sie Französisch verstehen und anwenden, sei durchaus möglich, schließlich werde Französisch in vielen Ländern der Welt gesprochen. „Wir sollten vor allem die Ansprache an Jugendliche überdenken, in die Lebenswelten der jungen Menschen eintauchen und sie für die französische Sprache samt Kultur begeistern. Kino, Musik, Sport bieten dafür ideale Voraussetzungen. Französisch ist nichts Elitäres und mehr als nur das Lernen und richtige Anwenden des Subjonctifs.“
„Französisch ist nichts Elitäres“

Die saarländische Kultusministerin Christine Streichert-Clivot sieht im verstärkten Austausch unter den Schulen eine gute Gelegenheit, die Neugierde auf das Sprachenlernen des jeweiligen Nachbarn wiederzubeleben. Die Erlebbarkeit durch den direkten Austausch habe während der Corona-Pandemie sehr stark gelitten. „Durch Dialog, Austausch und interkulturelle Erfahrungen bringen wir die Menschen einander näher und machen wieder aufeinander neugierig. Das gilt es mit kreativen Lösungen gezielt zu fördern, und bei den Jüngsten gelingt uns das im Saarland bereits sehr gut.“
Dass auch die Lehrkräfte auf die künftigen Anforderungen in den Schulen besser vorbereitet werden müssten, betonte die französische Bildungsministerin Anne Genetet: „Wir brauchen schon angesichts des Fachkräftemangels Lehrkräfte, die durch Wertschätzung, Motivation und Tatkraft gestärkt sind, um die Entwicklung starker und selbstbewusster Kinder und Jugendlicher zu fördern. Die Attraktivität des Lehrerberufs muss deutlich erhöht werden, Deutschland und Frankreich stehen hier vor den gleichen Herausforderungen.“
Deutsch und Französisch lernen ermöglicht den Zugang zu beiden Kulturen und schafft somit ein besseres Verständnis füreinander, wie der jeweilige Nachbar so tickt, und für ein gemeinsames europäisches Bewusstsein. Das wäre schon mehr als nur cool und sexy. Es wäre der Schlüssel für eine bessere Welt.