Der Künstler Oskar Holweck wäre im November dieses Jahres 100 Jahre alt geworden. Die Moderne Galerie des Saarlandmuseums präsentiert die Retrospektive „Oskar Holweck – Form und Textur“. Das Institut für aktuelle Kunst im Saarland erinnert an seinen Einfluss als Kunstprofessor mit der Ausstellung „sehen“.

Derzeit kann man in zwei Ausstellungen – in Saarbrücken und in Saarlouis – erleben, wie ein saarländischer Künstler wiederentdeckt wird. In der Mediathek des Saarländischen Rundfunks steht abrufbar der dreißigminütige Bericht „Oskar Holweck – Ein stiller Großer“ von Regisseur Boris Penth.
Die Aufmerksamkeit gilt einem Künstler, der weit über die Grenzen des Saarlandes bekannt war, der einer der wichtigsten Vertreter der Konkreten Kunst in Deutschland war und der trotzdem zweimal eine Einladung der documenta in Kassel überraschend ablehnte. Im Mittelpunkt dieser Ehrungen stehen seine Kunstwerke. Denn der Mensch Oskar Holweck trat hinter seiner Kunst zurück. Eine Kunst, die durch ihre radikale Reduktion auf das Material Papier bis heute überrascht, fasziniert und tief beeindrucken kann.

Oskar Holweck wurde am 19. November 1924 in St. Ingbert geboren. Bereits früh kam er mit der Kunst in Kontakt, die sich an den Prinzipien des Bauhauses orientierte, was nicht ohne Einfluss auf ihn bleiben sollte. Zuerst war der Künstler Leo Grewenig am reformierten Realgymnasium in St. Ingbert sein Kunstlehrer. Grewenig war selbst Bauhaus-Schüler, studierte bei Wassily Kandinsky und Paul Klee. Aber auch sein Professor Boris Kleint an der neu gegründeten Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken, an der Oskar Holweck ab 1946 studierte, orientierte sich am Bauhaus. Boris Kleint führte in Saarbrücken eine „Grundlehre“ ein, die dem Vorkurs des Bauhauses entsprach, und bei der ihm Oskar Holweck schon bald assistierte. Ein Auslandsstipendium ermöglichte es Oskar Holweck im Jahr 1949, an der École des arts appliqués à l’industrie und an der Académie de la Grande Chaumière in Paris zu studieren. Dort kam er schließlich auch mit der klassischen Moderne in Kontakt. Zurück in Saarbrücken, erhielt er zuerst eine Stelle als Assistent für den Grundlehre-Unterricht von Boris Kleint, 1956 übernahm er die Leitung der Grundlehre, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1989/90 fortführen sollte.
Die Einfachheit seiner Kunst fasziniert

Oskar Holweck war wohl ein strenger, aber auch sehr engagierter Kunstprofessor, der viele seiner Studenten und Studentinnen beeinflusst hat. Das erklärt auch, warum er sich nur in den Semesterferien seinen eigenen künstlerischen Arbeiten widmete. Obwohl er den Kunstbetrieb ablehnte und eher zurückgezogen lebte, stand er zwei künstlerischen Gruppierungen nah. So gründete er 1957 mit anderen Künstlern die „neue gruppe saar“, mit der er bis zu seinem Austritt im Jahr 1961 häufiger ausstellte. 1958 wurde die Gruppe „ZERO“ auf ihn aufmerksam und lud ihn zu ihrer Ausstellung ein. Dieser renommierten Gruppe, die maßgeblich auf den puristischen Ideen der konkreten Abstraktion aufbaute, fühlte er sich verbunden. Seine erste institutionelle Einzelausstellung hatte Oskar Holweck 1961 in Leverkusen. Da hatte er sich in seiner Kunst bereits total reduziert.
Zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit zeichnete Oskar Holweck viel, arbeitete gegenständlich und figurativ. Gerade seine frühen Kriegserfahrungen in den Jahren 1943 bis 1945, als er Panzergrenadier an der Ostfront war, hat er in prägnanten, figürlichen Zeichnungen festgehalten. Im Jahr 1956 vollzog sich dann ein radikaler Wandel. Er verzichtete auf die traditionelle Bildsprache, auf Farben und Formen und reduzierte seine künstlerische Arbeit auf schwarze Tusche und industriell gefertigtes Papier. Dazu wählte er die immer gleich großen Papierbögen, arbeitete akribisch und genau mit einer Pipette, mit der er schwarze Tusche konzentriert und geplant auf das Papier tropfte. Die Regelmäßigkeit dieser Farbtropfen, der Rhythmus des Auftragens und die minimalen Farbspritzer, die sich bei dieser Tätigkeit ergaben, wurden für ihn zum immer wieder zu variierenden Motiv. Beim Betrachten dieser Werke in der grandiosen Ausstellung in der Modernen Galerie scheint es, als sei die Zeit stehen geblieben. Der Betrachter taucht in eine reduzierte, stille, aber sensible und disziplinierte Kunst ein, deren Einfachheit fasziniert. Oskar Holweck variiert diesen einfachen, aber wohl durchdachten Farbauftrag von schwarzer Tusche, indem er auch Pinsel mit Farbe in einer kleinen, wiederkehrenden Kreisbewegung auf dem Blatt dreht. Oder winzige Tropfen an einer geraden Linie hinunterlaufen lässt. Diese Blätter sind radikal in ihrer Einfachheit, aber trotzdem auch leicht und anmutig.
In den späten Sechzigerjahren bemerkt er, dass er in der Reduktion seiner Kunstwerke noch einen Schritt weitergehen kann. Er verzichtet nun auch auf die schwarze Tusche. Stattdessen beginnt er, das weiße Papier selbst zu gestalten, indem er es zuerst knäult, reißt oder mit einem Werkzeug von hinten prägt. Der Faltenwurf, die Risse, die Ritzungen und die Erhebungen und Einkerbungen werden nun zum Motiv. Oskar Holweck wählt das weiße Papier nun zum eigenständigen künstlerischen Material, das er verletzt, reißt, knüllt, stößt, drückt, faltet und mit Werkzeugen bearbeitet. So brutal sich diese Vorgehensweise anhört, so legt er damit die Qualitäten des Papiers frei, zeigt sein Innenleben, seine Schichtungen und Strukturen.

Schichtungen und Strukturen
Und selbst bei diesen elementar einfachen Arbeiten gelingt es Oskar Holweck, sie weiterzuentwickeln. Denn er findet die Buchform, das unbedruckte Buch mit weißen Blättern und Bindung. In diesen Büchern ritzt er zuerst kleine, lineare Formen ein, die an Zeilen und Schriften erinnern, dann beginnt er, mit diesen Büchern den Raum zu erobern. Denn auch hier reißt er die Blätter, legt sie kräuselnd frei, erschafft aus planen, aufgeschlagenen Büchern Objekte, deren weiße, zerklüftete Blätter in den Raum wachsen – zuerst flach liegend, dann aber auch als meterhohe Skulptur. Dazu reißt er die Buchseiten nicht durch, sondern immer weiter an, sodass sich die eingerissenen Seiten wie ein Wasserfall nach unten neigen. Diese Objekte, die lediglich aus gerissenen Buchseiten entstehen, sind von einer großen Ästhetik. Das Papier wirkt mal spröde, mal kräftig, mal hart, dann aber auch ganz weich, samtig und flauschig, sodass es fast an Schwanenfedern erinnern kann. Manche dieser Arbeiten haben sogar einen textilen Charakter. Und sie überraschen, begeistern, faszinieren. Denn es ist brillant, mit wie wenig Material, aber dafür umso mehr Ausdruck und Vehemenz Oskar Holweck seine Kunstwerke gestaltet hat.

Die aktuelle Retrospektive in der Modernen Galerie honoriert den Künstler, die Ausstellung im Institut für aktuelle Kunst in Saarlouis widmet sich dagegen dem Kunstprofessor und seinem Grundkurs. Denn im Jahr 1966 wurden in der Ausstellung „sehen“ in Köln nicht etwa seine Kunstwerke vorgestellt, sondern die spektakuläre Ausstellung widmete sich seiner Grundlehre und den Arbeiten seiner Studierenden. Diese Ausstellung wurde anschließend auch in Zürich, Middlesbrough, Manchester, London, Bristol, Glasgow, Birmingham und Saarbrücken gezeigt. Und sie nahm auch die eigene Kunst Oskar Holwecks, der nun international bekannt wurde, in den Fokus. Die öffentliche Anerkennung im Saarland folgte, so wurde ihm 1978 der Kunstpreis des Saarlandes, 1990 der Saarländische Verdienstorden und 1994 der Albert-Weisgerber-Preis für Bildende Kunst der Stadt St. Ingbert verliehen.
Oskar Holweck starb nach langer Krankheit 2007 in St. Ingbert. Seine Kunstwerke wurden in den letzten Jahren kaum öffentlich gezeigt. Erst im Jahr 2022 änderte sich dies, als sie auf der Art cologne für Erstaunen sorgten. Und 2023 in einer Ausstellung in Paris bezauberten. Rechtzeitig zu seinem 100. Geburtstag sind sie nun wieder im Saarland zu sehen. Diese Wiederentdeckung und Ehrung von Oskar Holweck ist mehr als verdient.