Seit Monaten wird im Bundestag über ein Prüfverfahren für ein AfD-Parteiverbot diskutiert. Befürworter machen Druck und sehen sich eigentlich in der Mehrheit. Aber weite Teile der SPD und der Grünen, aber auch der CDU zögern wegen der Unwägbarkeiten des Verfahrens.
Zum Demonstrieren ist es schon seit Wochen nicht wirklich das ideale Wetter in der Bundeshauptstadt. Drei bis vier Grad, wolkenverhangener Himmel, dazu Nieselregen. Davon lassen sich Lukas Theune und seine vielleicht 20 Mitstreiter nicht abhalten. Sie stehen auch an diesem Vormittag wieder vor dem Reichstagsgebäude. Auf dem mitgebrachten weißen Transparent wird zum „Haltung zeigen“ aufgerufen und ein „AfD-Verbot jetzt“ gefordert.
Demonstranten harren vor dem Bundestag aus
Der Kampagne haben sich laut Theune, Geschäftsführer des Republikanischen Anwaltsvereins, 50 Organisationen angeschlossen. Mit dabei der Chaos Computer Club, Omas gegen Rechts, der Deutsche Bundesjugendring, die Naturfreunde Deutschland, Christians for Future oder auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. „Als breites Bündnis aus Kultur, Sozialem, Religion, Jugend, Klimaschutz und Wirtschaft fordern wir die Bundestagsabgeordneten auf, jetzt für die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens zu stimmen“, erläutert Mitorganisator Lukas Theune das Anliegen.

Entstanden ist die außerparlamentarische Kampagne, nachdem federführend der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz aus Chemnitz eine fraktionsübergreifende Unterschriftenaktion für einen entsprechenden Antrag im Bundestag initiiert hatte. Zusammengekommen ist ein von 113 Abgeordneten fast aller Parteien (außer der AfD selbstverständlich) unterschriebener Antrag. In diesem wird eine „Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der ‚Alternative für Deutschland‘“ gefordert. Würde dieser Antrag eine Mehrheit finden, soll der Bundestag beim Bundesverfassungsgericht beantragen, festzustellen, dass die AfD verfassungswidrig ist und damit verboten werden könnte. Der parlamentarische Vorgang zeigt, wie kompliziert allein schon die Prüfung eines möglichen Parteiverbots in Deutschland ist.
Gefahr durch V-Männer schwer einschätzbar
Bis zu einem solchen Verbotsverfahren ist es dann noch ein langer Weg. Dafür soll das Parlament die Bundesregierung und die Landesregierungen auffordern, „durch ihre Nachrichtendienste unverzüglich auf die Herstellung der vom Verfassungsgericht für Parteiverbotsverfahren formulierten Anforderung strikter Staatsfreiheit hinzuwirken“. Was unter anderem bedeutet, dass die Verfassungsschützer in Bund und Ländern mögliche Informationsquellen innerhalb der AfD und ihrer Parteigliederungen abschalten sollen. Dieser explizite Hinweis ist eine bittere Lehre aus dem ersten NPD-Verbotsverfahren, das im März 2003 vom Bundesverfassungsgericht eingestellt wurde, nachdem die Richter feststellten, dass selbst im Führungszirkeln der NPD V-Männer vor allem von den Landesämtern für Verfassungsschutz installiert waren. Eine Gefahr, die auch bei einem möglichen AfD-Verbotsverfahren nur schwer einzuschätzen ist.
Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (CDU), sagte noch kurz vor seinem Rücktritt als Präsident des Bundesamtes gegenüber FORUM, er gehe davon aus, dass derzeit auch von den Ländern nicht mit direkten nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen über die AfD gesammelt werden. Die AfD wurde zwar bundesweit als „rechtsextremer Verdachtsfall“ vom Bundesamt eingestuft. Ob die Erkenntnisse aus dieser Einstufung den Verfassungsrichtern auch für ein Parteiverbot ausreichen, ist die offene Frage.