Drei Fragen
„Wir brauchen ein Pflegeministerium“
Die letzten drei Ampel-Jahre waren verlorene für die Pflege, wir müssen endlich raus aus der politischen Nische, fordert Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege.
Frau Halletz, Sie fordern gleich ein komplettes Bundesministerium für die Pflege, warum reicht Ihnen das Gesundheitsministerium nicht mehr?
Weil wir dort weiterhin nur sehr stiefmütterlich behandelt werden, die letzten drei Ampel-Jahre waren verlorene Jahre für die Pflege, gerade für die Altenpflege. Mit einem eigenen Ministerium käme Pflege raus aus der politischen Nische, damit sie die Bedeutung erhält, die sie verdient. Pflege betrifft auch alle anderen Wirtschaftsbereiche. Wenn zu Pflegende nicht ambulant oder stationär betreut werden können, können Arbeitnehmende auch nicht zur Arbeit gehen. Darum fordern wir, Pflege muss endlich in der Priorität Nummer eins sein.
Was werfen Sie denn der Ampelregierung vor? Immerhin wurden verschiedene Reformansätze bei der Pflege diskutiert und auf den Weg gebracht.
Diskutiert ja, auf den Weg gebracht vielleicht, sind aber nicht bei uns angekommen! Die ausgelaufene Ampel stand die ganze Zeit auf Rot, gerade in der Altenpflege. Wir hätten uns da deutlich mehr Unterstützung, und zwar nicht nur finanzieller Art, sondern auch beim Anpacken der Pflegereform gewünscht, aber bis zur Bundestagswahl wird nichts mehr passieren. Ergebnis, die Eigenbeiträge, insbesondere im stationären Bereich, werden auch im kommenden Jahr weiter steigen. Und da stellt sich die Frage, wie lange ist die Pflege überhaupt noch bezahlbar? Sowohl aus Sicht derer, die sie brauchen, aber auch aus Sicht der Arbeitgeber!
Warum aus Sicht der Arbeitgeber? Die bekommen doch das Pflegegeld, das gezahlt wird.
Das ist generell richtig, wenn die Einrichtungen denn das Geld auch in einem zeitlich vernünftigen Rahmen bekommen. Die Pflegeanbieter gehen ständig in Vorleistung und müssen dann auf ihr Geld warten, weil sich Kassen und Sozialhilfeträger alle Zeit der Welt bei der Vergütung lassen. Darum brauchen die Unternehmen auf jeden Fall viel mehr Sicherheiten, die auch vom Staat flankiert werden müssen. Deshalb fordern wir zum Beispiel Verzugszinsen, sowohl von den Pflegekassen, als auch von den Sozialhilfeträgern, wenn sie nicht pünktlich ihre Rechnungen bezahlen. Interview: Sven Bargel

Kein Böllerverbot
Das bundesweite Aktionsbündnis für ein böllerfreies Silvester ist sauer auf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Auch in diesem Jahr wurde sie erneut in einem offenen Brief aufgefordert, ein umfassendes Verkaufs- und Anwendungsverbot von privatem Feuerwerk zu erlassen, so das Bündnis. Diesem gehören 30 Organisationen an, etwa die Deutschen Umwelthilfe, die Gewerkschaft der Polizei, Bundesärztekammer und der Deutsche Tierschutzbund. Doch auch in diesem Jahr hat die Bundesinnenministerin nicht reagiert, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Jürgen Resch. „Es ist absurd, an über 360 Tagen im Jahr darf niemand Pyrotechnik kaufen oder zünden. Doch ausgerechnet an Silvester, wenn viele Menschen Alkohol trinken, wird das Abbrennen gefährlicher Feuerwerkskörper erlaubt. Ein Verkaufs- und Anwendungsverbot ist die einzige Lösung, die Gefahren wirklich zu kontrollieren, alles andere ist Augenwischerei“, sagt Resch. In verschiedenen deutschen Städten wurden allerdings auch zu diesem Jahreswechsel wieder Böllerverbotszonen eingerichtet.
Möglicher Streik bei Fastfood-Ketten
Ausgerechnet im Advents-Shopping-Schlussspurt und über die Weihnachtsfeiertage könnte es in der Systemgastronomie zu Warnstreiks kommen. Damit droht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), nachdem die Verhandlungen mit dem Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) seit einem halben Jahr auf der Stelle treten. Betroffen davon könnten zum Beispiel Ketten wie McDonald’s, Burger King oder Nordsee sein, so die Gewerkschaft NGG. „Der BdS hat sein ursprüngliches Magerangebot, das bei rund 13 Euro pro Stunde in den unteren drei Tarifgruppen lag, um ganze fünf Cent erhöht. Zudem wurde uns eine inakzeptable Laufzeit von 42 Monaten und eine erste Erhöhung ab 1. Januar 2025 vorgelegt“, sagt NGG-Verhandlungsführer Baumeister. Betroffen von den Tarifverhandlungen im Fastfood-Segment sind gut 120.000 Beschäftigte. Die Arbeitgeber halten dagegen, dass es in den letzten Jahren bereits Lohnerhöhungen von bis zu 20 Prozent gegeben hätte. Gegenargument der Gewerkschaft: Etwas anderes blieb ihnen auch nicht übrig, sie lagen damals noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn.
Wahlkampfkosten der Parteien
Die ersten Parteien haben ihre veranschlagten Kosten für den anstehenden Bundestagswahlkampf veröffentlicht. Im Ranking führen derzeit die Grünen, sie wollen bis zum 23. Februar 19 Millionen Euro ausgeben. Dahinter kommt derzeit die SPD mit 15 Millionen Euro. Allerdings dürfte am Ende die Union bei den Wahlkampf-Investitionen vorne liegen, 2021 betrugen die Kosten 20 Millionen. Die Linke plant knapp sieben Millionen Euro ein. Am Ende der Ausgabentabelle der im Bundestag vertretenen Parteien liegt das BSW mit vier Millionen Euro. Wobei laut Parteiangaben die Summe vor allem von Spendern noch nicht vollständig beisammen ist. Von der AfD gibt es keine Angaben zum Wahlkampfbudget.
Linke will Preisbremse für Schokolade

Der Co-Chef der Partei Die Linke, Jan van Aken, bekennender „Schokoholic“, hat sich in den vergangenen Wochen massiv geärgert. „Es kann nicht sein, dass der identische Schokoladen-Weihnachtsmann vom letzten Jahr in diesem 50 Prozent teurer ist. Ich bekomme also nur noch den halben Weihnachtsmann zum alten Preis.“ Er macht für die in den Wochen vor Weihnachten explodierten Preisen für Schokoladen-Produkte zum einen die Spekulanten an der Rohstoffbörse in London, zum anderen die Gier der deutschen Hersteller und Einzelhandelskonzerne verantwortlich. Geht es nach der Linken, soll dem künftig ein Riegel vorgeschoben werden. „Wir brauchen ein Verbot von Spekulationen auf Nahrungsmittel und hier in Deutschland eine Aufsichtsbehörde für Lebensmittelpreise“, fordert van Aken. Komme es zukünftig zu solchen Preissprüngen wie beispielsweise bei der Schokolade, dann müssten Hersteller und Einzelhandelskonzerne genau beweisen, dass ihre Einkaufspreise derart gestiegen sind.

EU-Industriepolitik
Scholz für Stahlgipfel
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sich auch auf EU-Ebene für eine Stärkung der kriselnden Stahlindustrie einsetzen. Der Kanzler setze sich für einen zeitnahen europäischen Stahlgipfel ein, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach einem nationalen Stahlgipfel in Berlin mit. Scholz traf sich mit Branchenvertretern, Betriebsräten und Gewerkschaften. Die Bundesregierung setzte sich auch gegenüber der EU-Kommission dafür ein, dass wichtige Entlastungsinstrumente für die Stahlindustrie bestehen bleiben oder verbessert werden sollen, hieß es. Die Kommission müsse vor allem dann handeln, wenn es um Wettbewerbsverzerrungen durch Dumping und marktverzerrende Subventionen gehe und gegebenenfalls weitere handelspolitische Schutzmaßnahmen für den Stahlbereich prüfen. Scholz bekräftigte außerdem Pläne der rot-grünen Bundesregierung, die Netzentgelte zu dämpfen und energieintensive Firmen damit bei den Stromkosten zu entlasten. Allerdings hat Rot-Grün nach dem Scheitern der Ampel keine Mehrheit mehr im Bundestag. Ob die Pläne vor der Wahl verabschiedet werden können, ist fraglich.
Saarland frankophon
Der Beschluss im Landtag war einstimmig und ist mehr als nur ein symbolischer Akt: Das Saarland wird offiziell Teil der frankophonen Welt. Das Land stellt bei der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie (APF) einen Antrag auf Vollmitgliedschaft. „Wir fühlen uns geehrt, dass wir als erster Landtag in Deutschland eingeladen sind, unsere Erfahrungen in der APF einzubringen und mitwirken zu dürfen“, betont Landtagspräsidentin Heike Winzent. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Toscani hob hervor: „Das ist etwas Einzigartiges, dass ein deutsches Bundesland dem französischen Sprachraum beitritt. Das ist eigentlich etwas Spektakuläres.“
Diese Versammlung der Frankophonie ist wiederum ein beratendes Gremium der Organisation Internationale de la Francophonie (OIF), der mehr als 90 Staaten und Regierungen angehören. Dort hat das Saarland bereits seit Oktober einen Beobachterstatus.
Rentendebatte in Luxemburg
Die Rentenversicherung in Luxemburg steht zwar nicht unter akutem Druck, aber die Prognosen haben die Regierung veranlasst, eine Rentenreform anzustoßen. An der Debatte, wie die Renten auch künftig sicher gemacht werden können, sind auch Bürger direkt beteiligt worden. Bis 1. Dezember konnten sie auf einer Online-Plattform Vorschläge und Anregungen notieren. Über 2.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich dabei eingebracht und Vorschläge und Ideen formuliert. Die werden jetzt ausgewertet. Eine erste Sichtung durch das Ministerium hat ergeben: Die Vorschläge sind durchgängig von Pragmatismus und dem Bestreben nach Fairness geprägt.
Es gibt Vorschläge etwa nach höheren Renten für Menschen mit geringem Einkommen oder besonderen Belastungen. Diskutiert wird auch über das Renteneintrittsalter. Das liegt gesetzlich bei 65 Jahren, in der Realität im Durchschnitt bei etwa 61. Die wichtigsten Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger sollen im Februar im luxemburgischen Parlament, der Chambre des Députés, diskutiert werden.
BSW mit Spitzenkandidatin

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geht im Saarland mit Désirée Kany an der Spitze in den Bundestagswahlkampf. Die 31-jährige Berufsschullehrerin wurde auf einer Versammlung in Ensdorf auf Platz eins der Landesliste gewählt. Das BSW hatte bei der Europawahl im Saarland aus dem Stand 7,9 Prozent erreicht. Derzeit zählt die Partei im Saarland 29 Mitglieder, allerdings stünden einige Hundert auf einer Warteliste. Im Januar soll eine Öffnung für weitere Mitglieder beschlossen werden. Oskar Lafontaine hatte stellvertrend für Parteigründerin Wagenknecht für eine Friedenspolitik geworben, Maßnahmen gegen Deindustrialisierung sowie eine andere Rentenpolitik nach dem Beispiel Österreichs mit deutlich höheren Renten gefordert.

Merz: Rückkehr zu Atom-kraft unwahrscheinlich
Zwar wird von Vertretern von CDU/CSU immer wieder gefordert, die letzten drei im April 2023 abgeschalteten Atomkraftwerke sollten wieder ans Netz gehen. Doch selbst wenn die Union die absolute Mehrheit im Bundestag hätte, ist es relativ unwahrscheinlich, dass es so käme, so der Kanzlerkandidat der Union. „Je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlicher wird ein Neuanlauf der vom Netz genommenen Kernkraftwerke“, erklärte Friedrich Merz auf einer Fachtagung zur Energie-Versorgungssicherheit. Merz begründet die pessimistischen Aussichten für ein Wiederanlaufen der AKW damit, dass seit anderthalb Jahren mit jedem Tag die Demontage der Anlagen weiter voranschreite. Auch die Energiekonzerne zeigten wenig Interesse, den Rückbau zu stoppen oder sogar rückgängig zu machen, da die Kosten viel zu hoch wären. Derzeit werden in zwölf EU-Mitgliedstaaten Kernkraftwerke betrieben. Eine ganze Reihe, allen voran Frankreich, plant den weiteren Ausbau der Kernenergie. Weltweit werden derzeit etwa 90 neue AKW gebaut oder geplant.
SPD
Limbacher auf Platz eins

Die Saar-SPD hat den Bundestagsabgeordneten Esra Limbacher auf Platz eins der Landesliste für die Bundestagswahl gewählt. Esra Limbacher ist auch Wahlkreiskandidat für den Wahlkreis Homburg, den er 2021 für die SPD gewonnen hat. Er ist der mittelstandspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2023 Generalsekretär der Saar-SPD. Limbacher warnte davor, Deutschland kaputt zu sparen, und forderte einen „Pakt der Mitte für unser Land“. Als weitere Wahlkreiskandidaten treten die Bundesabgeordneten Josephine Ortleb (Wahlkreis Saarbrücken) sowie Christian Petry (Wahlkreis St. Wendel) an. Im Wahlkreis Saarlouis tritt erstmals der Landtagsabegordnete David Maaß an. Trotz der derzeit schwachen Umfragen zeigte sich die Partei auf ihrer Delegiertenkonferenz zuversichtlich. Limbacher dazu: „Die Zeiten sind ernst, verdammt ernst. In solchen Zeiten braucht unser Land ernsthafte Politik, keine Spieler, keine Zocker“, und ergänzte: „Viele hatten uns damals (Bundestagswahl 2021) auch schon abgeschrieben. Sie haben sich geirrt. Und sie werden sich auch diesmal irren.“

Wahlkampf
120 Euro mehr Rente
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will im Rahmen einer „rentenpolitischen Sofortforderung“ eine Erhöhung der Renten um 120 Euro pro Monat für alle umsetzen. Dies soll eine der Hauptforderungen des BSW im Bundestagswahlkampf sein. „Wir brauchen eine zusätzliche Rentenerhöhung um 120 Euro im Monat für alle als sofortigen Inflationsausgleich“, begründet Sahra Wagenknecht das Anliegen ihrer Partei. Dies sei „das Mindeste“ nach drei Jahren, in denen Rentner „erheblich an Kaufkraft“ verloren haben und damit real ärmer geworden seien, so Wagenknecht. Eine pauschale Rentenerhöhung für alle wäre für untere Einkommensgruppen besonders wirksam, „von einer solchen Anhebung würden Rentner mit kleinen und mittleren Bezügen, das sind insbesondere Frauen, überproportional profitieren“. Wie eine solche pauschale Rentenerhöhung finanziert werden soll, ließ Wagenknecht offen. Perspektivisch sieht sie dabei Österreich als Vorbild für Deutschland, erklärte Wagenknecht. Die Rente erhöhte sich auf Beschluss der Bundesregierung zum 1. Juli um 4,57 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Europa ist ein „Kontinent ohne Eigenschaften“. Das sagt Peter Sloterdijk, einer der großen Denker unserer Zeit. Damit will er aufzeigen, dass Europa in der Welt kein aktiver Akteur mehr ist. Der Befund ist bitter.
Den Grund für den Bedeutungsverlust sieht der Philosoph in einem „Amoklauf der Selbstbezichtigung“. Unsere Intellektuellen und Führungseliten pflegten Ressentiments gegenüber den eigenen Fähigkeiten. So blockierten sie schöpferische Energien. „Europa hat sich selbst von der Weltgeschichte in die Niemandsposition zurückgezogen.“
Schauen wir auf die Diskussion über Hilfen für die bedrängte Ukraine. Statt Putins Provokation kreativ zu beantworten, ergehen wir uns seit Jahren in Debatten über die Grenzen unserer Unterstützungsbereitschaft. Manche verkaufen mutlose Zögerlichkeit sogar als Friedenspolitik.
Dabei haben wir keine Zeit mehr. Europa wird längst angegriffen. Das zeigt der Blick vor unsere Haustür, die Ostsee. Dort werden unterseeische Datenkabel durchtrennt. Nato-Jets steigen täglich zur Abwehr auf. Spionageschiffe forschen Infrastruktur aus. Die Kreml-Schattenflotte bringt sanktioniertes Öl zu dunklen Kunden in die Welt. Russische Soldaten feuern auf einen deutschen Marinehubschrauber.
Während Mächte wie Russland, China oder der Iran skrupellos ihre Interessen durchsetzen, handeln wir Europäer laut Sloterdijk in einer Haltung, die uns marginalisiert und lähmt. Autokratien, für die Menschenrechte bloße Ideologien sind, nutzten Europas Selbstzweifel, sagt er. Und fordert zu Recht: Um in der Welt zu bestehen, müssen wir Europäer uns auf unsere Errungenschaften und Potenziale rückbesinnen.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.