Am Wochenende vor Pfingsten herrscht in weiten Teilen des Saarlandes Land unter. Gigantische Wassermassen überfluten zahlreiche Ortschaften. Eine davon ist das Dörfchen Walpershofen.

In solch ein Ereignis wie an diesem Freitag, 17. Mai, können sich selbst alteingesessene Einwohner nicht erinnern. Bereits in den Tagen zuvor hat es immer wieder geregnet, und vor allem an den beiden Vortagen sind mit mehr als 23 beziehungsweise mehr als 31 Liter pro Quadratmeter ordentliche Wassermassen von oben gekommen. Entsprechend ist der Bachlauf des Köllerbachs in der Nacht zu Freitag in der Heusweiler Straße im Riegelsberger Ortsteil Walpershofen wieder einmal so stark angeschwollen, dass das kleine Bächlein über die Ufer getreten ist und die Straße unterhalb der kleinen Saarbahnbrücke überflutet hat. Es ist ein neuralgischer Punkt, der bei stärkerem Regen immer mal wieder überflutet wird, weil die Straße hier abschüssig ist und die scharfe Kurve in einer Senke liegt, in der sich leicht das Wasser sammeln kann. Die Zufahrt nach Heusweiler ist damit schon am frühen Morgen nicht mehr befahrbar.
Schüler kommen nicht mehr heim
Doch die Regenfälle werden nicht weniger. Mit bangem Blick sehen nicht nur die Autofahrer, dass der Wasserpegel des ansonsten so friedlichen Bächleins dem Rand der kleinen Brücke in der Ortsmitte stetig näher kommt. An dieser Stelle teilt der Köllerbach das 2.000-Seelen-Örtchen – es ist der einzige Übergang von einer Seite des Dorfes auf die andere. Und es regnet scheinbar unaufhörlich weiter. Fast 80 Liter pro Quadratmeter fallen an diesem Tag – Wassermassen, die weder die Kanalisation noch der kleine Bachlauf aufnehmen können. Binnen kürzester Zeit ist auch die Verbindung zwischen den beiden Dorfteilen überflutet und das Wasser steigt weiter. So stark, dass sich die Wassermassen von beiden überfluteten Punkten weiter ausbreiten, sich schließlich vereinen und die Ortsmitte in einen gigantischen See verwandeln, der weiter und weiter ansteigt.
Vor allem auf der rechten Dorfseite werden reihenweise Erdgeschosse und Keller ge- und überflutet, aber auch auf der linksseitigen Etzenhofer Straße steigt das Wasser immer stärker an. Auch hier läuft Keller um Keller voll. Selbst in Häusern, die nicht direkt von der Überflutung getroffen werden, herrscht Land unter, da die Kanalisation das Wasser von unten durch die Abflüsse in die Keller drückt. Aus vielen dieser Häuser kommen Feuerwehrschläuche, aus denen abgepumptes Wasser schießt und in den steigenden neuen See fließt.
Zur Mittagszeit geht nichts mehr in dem kleinen Örtchen. Längst haben Feuerwehr und das Technische Hilfswerk (THW) den Verkehr über die kleine Brücke in der Ortsmitte abgeriegelt und lassen auch keine Fußgänger mehr durch. Zu groß die Gefahr, dass diese von den Wassermassen mitgerissen oder von Gegenständen getroffen werden, die unter Wasser treiben und in der braunen Brühe nicht zu erkennen sind. Eine Autofahrerin allerdings ignoriert stur die Versuche der Sicherheitskräfte, sie aufzuhalten und fährt einfach weiter in die Wassermassen. Diese sind inzwischen jedoch so hoch, dass der Motor des Wagens im wahren Wortsinne absäuft und die Frau von den Hilfskräften letztlich aus ihrem Auto gerettet werden muss. Schüler, die noch mit den letzten Bussen angekommen sind und auf die andere Ortsseite müssen, um nach Hause zu kommen, sind gestrandet.
Die Situation wird immer dramatischer. Längst steht das Wasser in der Ortsmitte mehr als einen Meter hoch. Viele Menschen, die bis dahin versucht haben, von ihrem Hab und Gut zu retten, was zu retten ist, sitzen in ihren Häusern fest. THW und Feuerwehr setzen Rettungsboote ein, um Menschen aus ihren Häusern zu holen. Am frühen Abend wird eine ältere Dame mit ihren beiden völlig verängstigten Hunden als eine der Letzten aus ihrem überfluteten Haus gerettet. Längst ist in der Ortsmitte und Teilen der benachbarten Straßen der Strom abgeschaltet – aus Sicherheitsgründen. Drei Zufahrtsstraßen in den Ort sind inzwischen komplett gesperrt. Wer von einer Seite des Ortes auf die andere möchte, muss dafür einen etwa 30-minütigen Umweg mit dem Auto in Kauf nehmen – sofern er an anderer Stelle überhaupt auf die andere Seite des Bachs kommt.
Im Land zweistellige Millionenschäden

Der Köllerbach teilt nämlich nicht nur den Ort Walpershofen, sondern das gesamte Köllertal. Und vielerorts sind auch dort die Übergänge nicht mehr passierbar – im Püttlinger Ortsteil Köllerbach nicht und auch in Püttlingen selbst nicht, wo alleine drei Zufahrten gesperrt sind. Dort kommt für manche Anwohner das Wasser gleich von zwei Seiten, da der Bachlauf hier eine Kurve macht und die Häuser in der Nähe dadurch von vorne und von hinten von den Wassermassen eingeschlossen werden.
Auch die Hauptverkehrsader im Köllertal, die B268, die von Riegelsberg nach Heusweiler führt und im weiteren Verlauf nach Lebach beziehungsweise in Richtung A1 nach Saarbrücken führt, ist wegen Überflutung gekappt. Und auch die Heusweiler Ortsmitte rund um den ehemaligen Bahnhof ist längst ein großer See.
Im kleinen Dörfchen Walpershofen beruhigt sich die Lage über Nacht. Der Starkregen hört endlich auf, und am Samstagvormittag scheint sogar die Sonne. Der gigantische See, der hier am Vorabend noch stand, ist wie durch ein Wunder komplett verschwunden. Überall rattern an diesem Samstag vor Pfingsten und auch in den Tagen danach die Dieselgeneratoren der Pumpen und leeren die vollgelaufenen Keller. Erst nach und nach wird das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar. Zum Glück bleibt es bei Sachschäden und niemand ist ernsthaft verletzt oder gar getötet worden. Dennoch hat das Hochwasser auch hier Existenzen zerstört. Ein kleines Restaurant etwa, das kurz zuvor erst geöffnet hatte, wird seine Türen nicht mehr öffnen. Hier wurde alles vernichtet.
So wie im Köllertal sieht es über Pfingsten in weiten Teilen des Saarlandes aus. In Saarbrücken, Blieskastel, Lebach, Ottweiler, Neunkirchen, Mettlach und in vielen weiteren Ortschaften mehr. Die Gemeinde Kleinblittersdorf hat es sogar weitaus schlimmer getroffen als das Köllertal. Insgesamt haben die Kommunen der Landesregierung Schäden in Höhe von 43 Millionen Euro gemeldet. Hinzu kommen 18 Millionen Euro Schäden von Anwohnern ohne Elementarversicherung. Pfingsten 2024 wird vielen Menschen im Saarland für immer im Gedächtnis bleiben.