Jahresrückblick Saarland: Die Kommunalwahlen im Juni haben die politische Farbenlehre verändert. Im Herbst war Halbzeitbilanz für die alleinregierende SPD angesagt. Die politische Großwetterlage hinterlässt ihre Spuren im Land.

Der Start ins Jahr 2024 war bunt und bewegt. Tausende von Saarländerinnen und Saarländern verbrachten viel Zeit auf Straßen und Plätzen. Es war die Zeit großer Kundgebungen, ausgelöst durch Correctiv-Veröffentlichungen über Remigrationspläne der AfD. Die hatten Menschen parteiübergreifend bewegt, etliche Wochenenden hintereinander für demokratische Grundwerte zu protestieren. In diesen Momenten standen andere politische Differenzen erst einmal zurück.
Die wurden aber schnell wieder deutlich, als es auf den großen Wahltag Anfang Juni zuging. Kommunalwahlen, dazu eine ganze Reihe von Bürgermeister-, Oberbürgermeister- und Landratswahlen, gekoppelt mit der Europawahl. Für die CDU war es nach der herben Niederlage etwas mehr als zwei Jahre nach der Landtagswahl und kurz vor Halbzeit der SPD-Landesregierung ein fast noch entscheidenderes Datum als für die Mitbewerber, hatten doch viele in der CDU Saar die Niederlage als so etwas wie einen Betriebsunfall angesehen. CDU-Landesvorsitzener Stephan Toscani sprach von einer „Regierung im Wartestand“.
Am Abend des 9. Juni war klar: Die CDU war bei den Kommunalwahlen wieder stärkste politische Kraft geworden. Zwei Wochen später bei notwendigen Stichwahlen kamen noch einige weitere Erfolge hinzu, wie beispielsweise der (knappe) Sieg von Marc Speicher bei der Oberbürgermeisterwahl in Saarlouis. Die CDU landet bei knapp 35 Prozent, die SPD bei knapp 30, die Grünen verlieren (Ergebnis: 7,3 Prozent), die FDP bleibt unter vier Prozent, die Linke verliert weiter (Kreistagswahlergebnisse). Bemerkenswert sind die Zugewinne freier Wählergruppierungen, hervorzuheben etwa Kleinblittersdorf, wo die Gruppe „Wählbar Kleinblittersdorf“ mit 35 Prozent die größte Fraktion im Gemeinderat stellt, oder Völklingen, wo Stephan Tautz von „Wir Bürger Völklingen“ die Stichwahl gegen Amtsinhaberin Christiane Blatt gewonnen hat. Auch das neue BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) hat vor allem punktuell aus dem Stand beachtliche Ergebnisse erzielt, etwa in Dillingen (über zwölf Prozent, 5 Sitze im Stadtrat) erzielen konnten. Und ebenso bemerkenswert: Die AfD kommt auf knapp über zehn Prozent – und das, obwohl sie beispielsweise in Saarbrücken gar nicht gewählt werden konnte (keine Liste wegen parteiinterner Streitereien).
Insgesamt hat das kommunale Wahlergebnis vielerorts zu einer Zersplitterung der Räte geführt, was wiederum Mehrheitsfindungen deutlich erschwert. Besonders deutlich wurde das bei der heftig umstrittenen Bezirksbürgermeisterwahl in Saarbrücken West. Ein CDU-Politiker wurde (mutmaßlich mit AfD-Stimmen) zum Bezirksbürgermeister, ein AfD-Politiker zu seinem Stellvertreter gewählt. Woher die notwendigen Stimmen in geheimer Wahl kamen, ist bis heute unklar und ebenso umstritten, wie die vielzitierte „Brandmauer“.
CDU bei Kommunalwahl wieder vorne
Gut drei Monate später zeichnet der Saarland-Trend zur Halbzeit der Regierung ein ähnliches Bild. Die CDU vorn, wenn auch deutlich knapper (31 Prozent, SPD: 29 Prozent), die AfD mit Zugewinnen und zweistellig (14 Prozent), die Grünen mit Verlusten und das erst Anfang des Jahres gegründete BSW bei zehn Prozent. FDP und Linken wurden mit ihren Ergebnissen nur noch unter „Sonstige“ geführt.
In den Ergebnissen dieser „Sonntagsfrage“ spiegelt sich Mitte September ohne Zweifel auch die bundesweite Stimmungslage wider. Im Land selbst hat die SPD in alleiniger Regierungsverantwortung zur Halbzeit an Glanz verloren. Aber bei einer (nicht möglichen) Direktwahl hätte CDU-Oppositionsführer Stephan Toscani keine Chance gegen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, obwohl deren Zufriedenheitswerte auch leicht rückläufig waren.

Die AfD im Land profitiert vor allem von einem allgemeinen Trend. Dass die Partei immer vor allem durch innerparteiliche Machtkämpfe für Schlagzeilen sorgt, sich bei landespolitischen Themen allenfalls auf Überschriften beschränkt, ist offenbar nicht von sonderlicher Bedeutung.
Die Grünen im Land haben sich nach den heftigen parteiinternen Querelen unter neuer Führung konsolidiert und investieren viel in inhaltliche Arbeit, leiden aber unter dem allgemeinen Bundestrend für die Grünen und unter der Mühsal, sich als außerparlamentarische Partei Gehör zu verschaffen.
Die FDP bleibt nach Erfolgen bei der letzten Bundestagswahl in einem Bereich unter der Fünf-Prozent-Hürde, unklar ist, wie sich die Vorgänge um den Bruch der Ampel-Koalition auswirken. Die Linken sind weitgehend in der Versenkung verschwunden.
Zur Halbzeit der Legislaturperiode ist die politische Landkarte im Saarland zwar wieder bunter geworden, auch wenn SPD und CDU nach wie vor hierzulande stabile Volksparteien sind. Aber auch sie sind, wie die Mitbewerber, nicht völlig losgelöst von bundesweiten Entwicklungen und Stimmungen. Spätestens nach der Bundestagswahl im Februar 2025 wird sich der Blick auf die nächste Landtagswahl (regulär im Frühjahr 2027) richten.