Die Füchse Berlin haben in der ersten Hälfte der Bundesliga-Saison überzeugt. Vor allem dank der Heimstärke darf das Team von Trainer Jaron Siewert weiter vom Titel träumen.

Für eine Parade geht Dejan Milosavljev zur Not auch dahin, wo es wehtut. Mitunter hält er den Ball auch mit dem Kopf – auch wenn das für die eigene Gesundheit ein Risiko ist. „Mir brummt danach immer ganz schön der Kopf, manchmal gibt es auch blaue Flecken im Gesicht. An der Stirn ist es am unangenehmsten“, sagte der Keeper der Füchse Berlin. Am besten verkraftet er diese Kopftreffer mit Siegen seiner Mannschaft: „Wenn wir gewinnen tut es nicht so weh.“ Zum Heim-Jahresabschluss musste Milosavljev, der unlängst zu Serbiens Handballer des Jahres gewählt wurde, nicht mit dem allerletzten Körpereinsatz spielen. Das 35:23 gegen Frisch Auf Göppingen war für den Hauptstadt-Club leicht herausgespeilt – auch, weil auf Milosavljev wieder Verlass war. Mit 13 Paraden war der 28-Jährige einer der Matchwinner und wurde von den 9000 Zuschauern in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle lautstark gefeiert.
Ungeschlagen-Serie daheim
Die Füchse wahrten damit ihre Ungeschlagenen-Serie daheim und auch ihre Titelchance. Vor dem letzten Spiel des Jahres am vergangenen Donnerstag beim VfL Gummersbach lag Berlin auf Platz drei in Schlagdistanz zu den Top-Teams aus Melsungen und Hannover-Burgdorf. Bester Torschütze der Hinrunde war mit Abstand Mathias Gidsel. Der dänische Welt-Handballer kam nach 16 Spielen auf 122 Tore. Vor allem dank des Olympiasiegers dürfen die Füchse weiter auf den ersten Meistertitel der Clubgeschichte hoffen. „Die Bundesliga wird von Jahr zu Jahr stärker, da ist es schwierig. Die Bundesliga ist die beste Liga der Welt“, sagte Gidsel. Doch es ist genau das, was ihn reizt und zusätzlich antreibt: „Das macht Spaß, weil es sechs oder sieben Mannschaften gibt, die deutscher Meister werden können.“
Die jüngste Niederlage bei der SG Flensburg-Handewitt tat den Berlinern jedoch noch immer weh und begleitete sie auch in die Feiertage. Dem Nordclub hatte man in einem hochdramatischen und teilweise auch hochklassigen Duell einen Riesenfight geliefert, am Ende aber knapp mit 37:38 verloren. Die erste Niederlage nach zuvor acht ungeschlagenen Spielen war auch deswegen so bitter, weil sie vermeidbar gewesen war. Die Flensburger strotzten nach einigen Saison-Enttäuschungen und der Trennung von Cheftrainer Nicolej Krickau nicht gerade vor Selbstvertrauen, was zu einer schnellen 10:6-Führung für die Berliner führte. Im Kasten war Milosavljev, der in der ersten Halbzeit sensationell alle vier Sieben-Meter-Würfe hielt, erneut ein großer Rückhalt. Und Topstar Gidsel zeigte sich enorm treffsicher. Doch mit der Schulterverletzung von Nils Lichtlein kam es zu einem Bruch im Spiel der Füchse, den Flensburg geschickt für sich nutzen konnte. Das Interims-Trainer-Duo Ljubomir Vranjes und Anders Eggert fand scheinbar die richtigen Worte und Maßnahmen. Füchse-Coach Jaron Siewert konnte die drohende Niederlage dagegen nicht mehr abwenden.
„Es fällt mir schwer zu akzeptieren, hier nicht mindestens mit einem Punkt aus der Halle zu gehen“, sagte Siewert hinterher: „Wir hatten das Spiel in der eigenen Hand. Da wollen wir nicht lamentieren.“ Sein Chef sah das dagegen etwas anders. Er wolle zwar „nicht als schlechter Verlierer dastehen“, sagte Sportvorstand Stefan Kretzschmar im Dyn-Podcast „Kretzsche & Schmiso“. Aber zehn Prozent der Flensburger Fans würden ihm „auf die Eier“ gehen. In der oft als „Hölle Nord“ bezeichneten Flensburger Arena sei die Stimmung zwar immer hitzig. „Aber nach dem Spiel zu rufen: ‘Berlin, Berlin, wir scheißen auf Berlin‘… Alter, was ist das? Was ist das für ein schlechter Stil? Da habe ich mich schon ein bisschen geärgert, muss ich zugeben“, sagte Kretzschmar.
Eine gute Nachricht gab es trotz der Verletzung für Lichtlein. Der 22-Jährige, der sich nach einem Griff von Flensburgs Abwehrchef Johannes Golla in seinen Arm verletzt hatte, wurde von Bundestrainer Alfred Gislason in den Kader für die WM-Vorbereitung nominiert – als einziger Füchse-Profi. Max Beneke und Tim Freihöfer stehen nur auf Abruf. Lichtlein hat dagegen gute Chancen, bei der WM in Kroatien, Dänemark und Norwegen ab dem 14. Januar sein zweites großes internationales Turnier zu spiele, sofern sich seine Verletzung nicht als schwerwiegender herausstellt. Der U21-Weltmeister gilt als kommender Star im DHB-Dress, auch wenn er bei Olympia in Paris nicht zum Kader gehörte. „Der Junge ist etwas Besonderes“, urteilt Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning: „Durch kluge Zeit- und Raum-Entscheidungen hat er seiner Mannschaft und dem Gegner das Gefühl vermittelt, dass er eine Sekunde in der Zukunft spielt.“
„Wir haben einen erfahrenen Spieler gesucht“
Zusammen mit den dänischen Topspielern Gidsel und Lasse Anderson bildet Lichtlein in Berlin einen Rückraum, der sich auch in Europa nicht verstecken muss. 44 Tore und 34 Assists gelangen Lichtlein in den ersten 16 Saisonspielen. Dazu überzeugte er mit Übersicht, Technik und großem Engagement. Doch noch ist die Entwicklung des Top-Talents nicht abgeschlossen. „Mit meinem aktuellen Gewicht kann ich mich zumindest im Angriff so einigermaßen durchsetzen“, sagte Lichtlein selbst: „Aber ich möchte gerne irgendwann auch vernünftig in der Abwehr spielen, da könnten ein paar Kilogramm Muskelmasse nicht schaden.“

An Körperlichkeit mangelt es Manuel Strlek nicht. Der 36-Jährige hat lange Zeit in der kroatischen Nationalmannschaft gespielt, die für ihren physischen Ansatz bekannt ist. Nach der schweren Verletzung von Jerry Tollbring, der sich einen Kreuzbandriss zuzog, wollten die Füchse unbedingt einen gestandenen Spieler verpflichten. Zumal auf der Position des Linksaußen sonst nur Eigengewächs Freihöfer im Kader steht. „Wir haben einen erfahrenen Spieler gesucht, der Tim Freihöfer absichern kann – das ist uns mit Manuel Strlek auf jeden Fall gelungen“, sagte Hanning. In seinen ersten Wochen war der Kroate bemüht, seine Spielfitness zu erlangen. Seine Quote von sechs Tore in den ersten sieben Spielen sollte man daher nicht zu hoch hängen. In der Rückrunde soll der Linksaußen für deutlich mehr Torgefahr sorgen und damit die Füchse-Offensive unberechenbarer machen. Viel Zeit für Sightseeing in seiner neuen Heimat hatte er noch nicht. „Ich hoffe aber, dass ich noch ein paar Sehenswürdigkeiten besuchen kann“, sagte Strlek und verriet: „Kulinarisch schmecken mir Currywurst, Brezeln und Weißwürste bereits sehr gut.“
Tollbring wird die kulinarischen Vorteile der Metropole dagegen nicht mehr genießen können. Der aktuell verletzte Linksaußen wechselt aufgrund seiner familiären Situation vor dem regulären Vertragsende zum dänischen Club Ribe-Esbjerg HH. Tollbring erwartet mit seiner Lebensgefährtin Nora Mörk, die als norwegische Handball-Nationalspielerin in Esbjerg unter Vertrag steht, ein Kind. Der 71-malige schwedische Nationalspieler erzielte in 41 Bundesligaspielen 90 Tore und hat die Erwartungen nach seiner Verpflichtung im Sommer 2023 erfüllt, wie Geschäftsführer Bob Hanning betonte: „Jerry war und ist eine Bereicherung für unseren Club. Wir hätten ihn gerne über die Saison hinaus behalten. Für seine familiäre Situation haben wir allerdings größtes Verständnis und wünschen ihm und seiner Freundin alles Gute.“