Mariella Thamm zeigt mit gerade mal 15 Jahren so viel Selbstbewusstsein, Leistung, Disziplin und trotzdem Leichtigkeit, dass sie, wie auch andere Nachwuchsspielerinnen, Hoffnung auf eine neue goldene Generation im deutschen Damentennis macht.

Liebe Mariella, wie geht es dir bei den Ersten Therme Erding Open in Ismaning? Du bist ganz gut, oder?
Ich hoffe, danke! Ich habe mich durch die Quali gespielt, und schon über den ersten Sieg im Hauptfeld habe ich mich sehr gefreut. Letzte Woche habe ich in Hamburg nach vier Matchbällen ganz knapp verloren. Das war mental schon hart. Da war ich ziemlich am Boden. Und danach wieder so einen Sieg zu feiern, tut mir natürlich gut. Ich habe gestern wieder richtig gut gespielt. Und das freut mich natürlich und gibt wieder Selbstvertrauen.
Ziehst du hier in Ismaning etwas daraus, dass ältere Spielerinnen bei diesem höherrangigen ITF-Turnier dabei sind, die neben Erfolgen schon einiges wegstecken mussten?
Auf jeden Fall. Ich habe auch selber in den letzten Monaten schon sehr viel Erfahrung sammeln können. Aber sich mit solchen Spielerinnen zu umgeben, die dann mit dir sprechen, mit dir Doppel spielen. Wo du dir vieles einfach abgucken und auch noch mehr Erfahrungen sammeln kannst, also ich liebe das.
Du bist im Porsche Junior Team, aber doch erst fünfzehn Jahre. Wie viel bist Du schon international auf Turnieren unterwegs?
Viel, sowohl auf der Profitour der Frauen als auch bei den Juniors. Die Juniors enden, sobald ich 18 Jahre bin, also sehen wir schon mal weiter. Auf ITF-Ebene ist das jetzt ungefähr mein drittes oder viertes Turnier.
Du willst voll in die Profi-Laufbahn einsteigen?
Ja, aber dafür muss ich weiter an mir arbeiten, doch ich bin mir sicher, da geht noch mehr. Nummer eins der Welt zu werden, ist natürlich ein Ziel. Klar.
Die goldene Generation deutscher Spielerinnen ist mit Angelique Kerber, Andrea Petkovic und Julia Görges fast ganz abgetreten. Können die deutschen Damen da wieder anknüpfen mit Hilfe deiner Generation?
Das hoffe ich, wir geben dafür auf jeden Fall alles.

Das internationale Umfeld wird auch bei den Damen immer härter. Kommt Ihr unter den hiesigen Bedingungen mit Eurem Training hinterher, um bei diesen Leistungsanforderungen mithalten zu können?
Ja, ich denke schon. Also zum Beispiel mit den Russinnen oder Ukrainerinnen mitzuhalten, ist natürlich sehr schwer, weil die einfach ein bisschen ein anderes Leben führen. Die müssen nicht zur Schule, was wir hier als schulpflichtige Jugendliche neben dem Tennis leisten müssen. Das ist schon ziemlich schwer, aber ich denke, mit gutem Mindset kann man auch die schlagen. Wir trainieren viel, aber das ist halt nichts im Vergleich zu diesen Spielerinnen. In dieser Hinsicht ist es im internationalen Vergleich schon ziemlich schwer. Aber ich denke, mit den anderen aus Europa können wir gut mithalten.
Also auch mit Italienerinnen, Spanierinnen und Französinnen, die von vielen nationalen Turnieren profitieren, die sich auch aus Grand-Slam-Erträgen und dem Profit anderer großer Turniere finanzieren?
Ja, genau. Da sind wir auf jeden Fall schon vorne mit dabei.
Training ist das eine. Doch wenn Ihr noch etwas anderes im Leben habt, könnten Euch andere Erlebnisse, Freunde und so weiter, ausgleichend pushen gegenüber Ukrainerinnen und Russinnen, die mehr auf Tennis fixiert sind?
Nein, also ich muss echt sagen, für Freunde oder sonstige Aktivitäten bleibt nicht viel Zeit. Wir müssen auch schon ziemlich viel opfern. Das, was unser Leben ausmacht, wenn wir nicht auf dem Tennisplatz stehen, ist dann natürlich tatsächlich Schule. Also das ist nicht komplett kompensierbar, weil da nicht mehr viel Zeit für Freizeit bleibt. Was die osteuropäischen Spielerinnen mehr trainieren können, sitzen wir in der Schule. Aber wir verbringen auch schon sehr, sehr viel Zeit auf dem Tennisplatz.
Wie machst du das mit Schule, aktuell sind beispielsweise keine Ferien, aber ein Turnier?
Ich gehe in Frankfurt auf eine internationale Schule. Ich gehe montags in Präsenz hin, und den Rest mache ich auf meinem iPad. Das heißt, Hausaufgaben oder für Arbeiten lernen.
Und das geht gut?
Ja, das geht gut. Ich habe gerade erst die Schule gewechselt, aber ich mache es jetzt schon seit fast drei Jahren so. Daher konnte ich mich schon daran gewöhnen.
Ich kann es mir auch gar nicht mehr anders vorstellen. Man braucht viel Disziplin dafür, dann zu Hause, wenn die Couch neben dir steht, trotzdem Hausaufgaben zu machen. Aber ich denke, man gewöhnt sich daran. Wenn man nach vorne kommen möchte, muss man so was auch ertragen.

Was planst Du für das nächste Jahr?
Auf jeden Fall weiter auf der Profitour zu spielen, ein bisschen nach oben zu kommen und vielleicht nächstes Jahr dann Junior Grand Slams zu spielen. Einfach auf allen Rängen höher zu klettern. Dazu gehört natürlich aber auch, meine Schwächen im Training zu verbessern und dadurch auch wieder besser aufsteigen zu können.
Willst Du damit bei den Australian Open am Jahresanfang starten?
Das hätte ich machen können, aber das mache ich eher nicht. Denn es ist ziemlich schwer, wenn man so lange fliegt und dann nicht weiß, wie viele Runden man schafft. Deshalb sehe ich das jetzt noch nicht so. Aber ich könnte tatsächlich schon dieses Jahr… Aber nein, das mache ich wohl eher nicht. Bei Roland Garros oder Wimbledon hingegen würde ich schon gerne aufschlagen.
Du klingst sehr entschlossen. Wer macht bei Dir die Planung, entwickelt Deine Strategie?
Meine Mutter ist überall dabei, die macht den größten Teil. Aber auch meine Coaches.
Mit wie vielen Jahren hast Du mit Tennis angefangen?
Mit fünf.
Und wo hast Du begonnen?
Bei mir zu Hause. Ich wohne seit vielen Jahren in der Nähe von Stuttgart, da ist ein kleiner Verein gewesen. Da habe ich mal ein bisschen reingeschnuppert. Meine Mutter hat schon Tennis gespielt. Ziemlich gut sogar. Mein Vater kommt aber eher aus dem Fußball. Dann habe ich auch mal Tennis versucht, und es hat ganz gut geklappt.
Hat sich im Raum Stuttgart ein Kontakt zu Laura Siegemund ergeben?
Sie wohnt vielleicht zehn, fünfzehn Minuten entfernt. Aber einen Kontakt gab es nicht wirklich. Nein, sie ist ja auch ein ganz anderes Alter, eine andere Tennis-Generation und momentan noch viel in der Welt unterwegs.
Gibt es Kontakte der jüngeren Spielerinnen zu Andrea Petkovic oder zum Beispiel auch zu anderen ehemaligen Spielerinnen?
Mit Petko habe ich auf Lehrgängen schon etwas gemacht. Und mit Barbara Rittner.
Läuft so etwas ganz gut mit Petko?
Ja, sie bringt auf jeden Fall viele Sachen mit, die wir bei den Lehrgängen machen. Sie ist echt sehr nett, und es macht Spaß, mit ihr was zu machen.
Was würdest Du Dir noch an Unterstützung für Euch nachkommende Spielerinnen wünschen?

Vielleicht, dass zu den Turnieren ein bisschen mehr die Coaches mitfahren, weil das wirklich wichtig ist, dass jemand vor Ort dabei ist zur Unterstützung. Das ist jetzt noch nicht so ganz ausgeprägt. Aber das wäre schon ziemlich gut.
Findest Du, dass sich zu viel Aufmerksamkeit aufs Herrentennis richtet?
Schon. Dort ist man mit beispielweise Alcaraz und Sinner mitten im Generationenwechsel. Aber wenn man gute Leistungen bringt und dann Sensationen schafft, denke ich, wird man sich auch mehr auf das Damentennis fokussieren. Es ist schon viel Konzentration aufs Herrentennis, das muss ich sagen. Das ist ziemlich schade.
Vor acht Jahren waren die deutschen Damen viel besser als die deutschen Herren. So eine Welle könnte es wieder geben. Vielleicht kommt Deine Generation dann gerade nach, und Ihr überholt Zverev und Co.?
Das wäre schon cool.