Erst wenige Jahre vor seinem frühen Tod infolge einer Tuberkulose-Erkrankung gelang George Orwell der literarische Durchbruch mit seinen Romanen „Farm der Tiere“ und „1984“. Ihnen verdankte er den Aufstieg zum meistgelesenen englischen Autor des 20. Jahrhunderts. Vor allem „1984“ hat bis heute an Aktualität nichts verloren.

Als sich George Orwell im Mai 1947 dazu entschlossen hatte, sich aus der britischen Öffentlichkeit zurückzuziehen, um in der Abgeschiedenheit der vor der schottischen Westküste liegenden Hebriden-Insel Jura die Fertigstellung seines literarischen Meisterwerks und zugleich letzten Romans „1984“ in Angriff zu nehmen, war er mental und gesundheitlich schon schwer angeschlagen. Nur zwei Monate zuvor war Orwells Ehefrau Eileen, mit der er seit 1936 verheiratet war, völlig überraschend während einer Routine-Operation an Herzversagen verstorben. Kurz vorher hatten die beiden noch einen Jungen, Richard Horatio, adoptiert. Bei Orwell selbst hatte eine Tuberkulose-Erkrankung, die ihn schon seit mehr als einem Jahrzehnt schwer beeinträchtigte, immer dramatischere Formen angenommen. Von daher war es fraglos keine gute Idee gewesen, sich ausgerechnet ins feuchtkalte Klima des schroffen Eilands zu begeben und dort in einem baufälligen Bauernhof ohne Stromanschluss Quartier zu beziehen.
Immerhin hatten sich seine finanziellen Verhältnisse endlich deutlich verbessert. Mit seinem 1945 publizierten satirischen Roman „Farm der Tiere“, in dem er in Form einer Parabel seine Kritik am Scheitern der russischen Revolution vorgetragen und den Verrat der sozialistischen Ideale durch den Stalinismus angeprangert hatte, war ihm der schriftstellerische Durchbruch gelungen. Seitdem war er wohlhabend. Zuvor war Orwell in Großbritannien bestenfalls als freier Journalist bekannt gewesen, der mit seinen zahllosen Artikeln, Essays, Rezensionen, Kolumnen oder auch diversen Buchveröffentlichungen finanziell gerade so über die Runden kam.
Großer Erfolg erst nach seinem Tod

Vermutlich dürfte Orwell geahnt haben, dass „1984“ sein Vermächtnis werden würde. Das am 8. Juni 1949 veröffentlichte Opus wird bis heute dank der geradezu hellseherischen Beschreibung eines künftigen Überwachungsstaates zu den bedeutendsten Dystopien der Weltliteratur gezählt. Kurz nach Beendigung des ersten Entwurfs erlitt Owell einen kompletten körperlichen Zusammenbruch.
Er wurde in ein Pflegeheim in den Cotswolds gebracht, danach in das Londoner University College Hospital, wo er bereits todkrank im Oktober 1949 die 15 Jahre jüngere Journalistin Sonia Brownell ehelichte. In der Nacht des 21. Januar 1950 erlitt George Orwell eine neuerliche Lungenblutung und verstarb im Alter von nur 46 Jahren in der Londoner Klinik.
Der überwältigende internationale Erfolg kam für den Autor selbst zu spät. Doch schon in den Nachrufen hatte die britische Presse seinen Roman „Farm der Tiere“ als beste englische Satire seit Jonathan Swifts Werken bezeichnet und seinen letzten Roman „1984“ zur spektakulärsten Roman-Neuveröffentlichung des Jahres 1949 gekürt. Diese beiden Bücher ließen George Orwell laut „Spiegel“ „zum meistgelesenen englischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts“ aufsteigen. Vor allem „1984“ hat bis zum heutigen Tag nichts an Aktualität verloren. Immer dann, wenn sich die weltweiten Diskussionen um kontroverse Themen wie gesellschaftliche Überwachungsmechanismen, Cancel Culture oder Fake News drehen, wird dieses Buch, das vom „Deutschlandfunk“ „als wirkmächtigster Warnruf vor einem totalen Überwachungsstaat“ und als „der einflussreichste politische Roman des 20. Jahrhunderts“ gelobt wurde, wieder als Referenz herangezogen. In der Bundesrepublik war er beispielsweise im Rahmen der umstrittenen Volkszählung in den 1980er-Jahren wieder in aller Munde. Nach Bekanntwerden des NSA-Überwachungsskandals tauchte „1984“ erneut in den Bestseller-Listen auf. Um schließlich sogar 2017 den Spitzenplatz im US-Buch-Ranking zu erklimmen, nachdem im Trump-Umfeld der Begriff der „alternativen Fakten“ geprägt worden war.

Die Lektüre der Orwell-Klassiker wurde und wird auch durch deren eingängigen Stil erleichtert. Dem Autor ist es als leidenschaftlichem Journalisten stets darum gegangen, einen möglichst großen Leserkreis anzusprechen. Er hatte gute Prosa mit der Transparenz von Fensterglas verglichen und sich daher jegliche experimentelle sprachliche Verstiegenheit oder Extravaganz verkniffen. Eine ganze Reihe der Formulierungen aus seinen beiden bekanntesten Werken haben längst Eingang ins sprachliche Allgemeingut gefunden, beispielsweise „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“ aus „Farm der Tiere“ oder „Big Brother is watching you“, „Doppeldenk“ und „Neusprech“ aus „1984“.
Wandlung hin zum Sozialisten

Am 25. Juni 1903 wurde Orwell in der nordindischen Stadt Motihari unweit der nepalesischen Grenze als Eric Arthur Blair geboren. Den Künstlernamen legte er sich erst kurz vor der Publikation seines ersten Buches „Erledigt in Paris und London“ 1933 zu. Der Name ist vermutlich eine Kombination aus dem Namen des regierenden britischen Monarchen und einem lokalen Fluss. In seinem ersten Buch hielt er seine beschwerlichen Erlebnisse als Clochard oder Hilfsarbeiter in den beiden Metropolen ab 1928 fest. Schon ein Jahr später ließ er mit „Tage in Burma“ seinen ersten Roman folgen, in dem er eine Bilanz seiner Jahre als Polizist im Dienste der britischen Kolonialmacht zog. Obwohl sein Vater bis zu seiner Pensionierung 1911 in Indien als beamteter Kontrolleur für den damals legalen Opiumhandel tätig blieb, wuchs Sohn Eric doch in mütterlicher Obhut in England auf und konnte dank Stipendium sogar Eliteschulen wie Wellington oder das Eton College besuchen. In Eton wurde er unter anderem auch von Aldous Huxley unterrichtet, dessen 1932 veröffentlichter Roman „Schöne neue Welt“ neben „1984“ als herausragendes dystopisches Meisterwerk gilt.

Obwohl Eric durch die Veröffentlichung von Gedichten in Lokalblättern schon früh literarisches Talent hatte erkennen lassen, entschied er sich 1922 für eine Rückkehr nach Indien und schlug dort eine Laufbahn im burmesischen Polizeidienst ein. Im Laufe der folgenden fünf Jahre, in denen er Hindi und Burmesisch erlernte, entwickelte er sich immer mehr zu einem scharfen Kritiker des britischen Imperialismus, was sich in den zwei autobiografisch geprägten Essays „Eine Hinrichtung“ (1931) und „Einen Elefanten erschießen“ (1936) niederschlug. Zudem vollzog er eine persönliche Wandlung hin zum überzeugten Sozialisten.

Nach Quittierung seines Polizeidienstes und der Rückkehr nach Europa im Sommer 1927, versuchte er sich als freier Journalist einen Namen zu machen, indem er für linke Blätter in Paris oder für die Londoner Literaturzeitschrift „The Adelphi“ arbeitete. Damit konnte er allerdings trotz seines armseligen Hausens in schäbigen Unterkünften seinen Lebensunterhalt nicht finanzieren. Deshalb war er zeitweise zusätzlich als Hilfslehrer oder auch als Mitarbeiter einer Londoner Buchhandlung tätig.

In seiner Freizeit arbeitete er daran, seinen zweiten Roman „Eine Pfarrerstochter“ 1935 und ein Jahr später seinen auf den Erlebnissen im Buchhandel basierenden dritten Roman „Die Wonnen der Aspidistra“ fertigstellen zu können. Im Auftrag eines Verlegers hatte er undercover in Wallraff-Manier Material für eine im Jahr 1937 unter dem Titel „Der Weg nach Wigan Pier“ erscheinende Sozialreportage in nordenglischen Industrie-Revieren gesammelt.
Durch Halsschuss schwer verletzt
Als bekennender Sozialist trat Orwell Ende 1936 als freiwilliger Kämpfer und gleichzeitig als Korrespondent in den Spanischen Bürgerkrieg ein. Dabei wurde er durch einen Halsschuss nicht nur lebensgefährlich verletzt, sondern entwickelte auch einen glühenden Hass auf die Handlanger des Stalinismus, die alle anderen dort am Kampf beteiligten linken Kräfte zu unterdrücken versuchten.
Dies deckte er als neues Mitglied der Independent Labour Party in seinem 1938 veröffentlichten Roman „Mein Katalonien“ schonungslos und verbunden mit einem Angriff auf die kritiklose Haltung eines Großteils der englischen Linken und Intellektuellen gegenüber der sowjetischen Propaganda auf. Seine Ablehnung jeglicher Form von Totalitarismus und seine tiefe Bewunderung für einen demokratischen Sozialismus brachte er auch in seinem 1946 publizierten Essay „Warum ich schreibe“ nochmals unmissverständlich zum Ausdruck.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Orwell zum überzeugten Patrioten und attackierte in seinem 1941 publizierten Essay „Der Löwe und das Einhorn“ die aus seiner Sicht in Sachen Vaterlandsliebe eine viel zu unentschlossene Position einnehmenden englischen Intellektuellen auf das Schärfste. Da er wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustandes vom Militärdienst ausgeschlossen wurde, war er von 1941 bis 1943 in der Propaganda-Abteilung der BBC für Südostasien tätig, um gleich danach den Posten des Feuilletonchefs und Literaturkritikers bei der demokratisch-sozialistischen Londoner Zeitschrift „Tribune“ anzutreten. Daneben schrieb er auch Artikel für die Londoner Sonntagszeitung „The Observer“ und die „Manchester Evening News“ . Von beiden Blättern wurde er Anfang 1945 zudem als Kriegsberichterstatter nach Paris und Köln geschickt.