Seit Ende der 80er produziert Wagner Tiefkühl-Pizzen im Saarland. Das Unternehmen, seit elf Jahren ein Teil des Nestlé-Konzerns, bezieht den notwendigen Strom nun teilweise aus einem benachbarten Windpark.

Die Industriestrompreise müssen sinken, die Produktion muss grün und das Klima besser geschützt werden – Anforderungen und Ansprüche, die nicht jedes Unternehmen gleich erfüllen kann. Auch bei Wagner hat es ein wenig gedauert: Die in der Lebensmittelbranche erstmals komplette Strom-Direktbelieferung aus dem benachbarten Windpark Nohfelden-Eisen für das Wagner Pizza Werk in Otzenhausen könnte aber nun Modell für die ganze Region werden.
Direktleitung zum Werk
Rund ein Drittel des benötigten Stroms im Pizzawerk Otzenhausen kommt seit diesem Herbst direkt aus dem nahe gelegenen Windpark Nohfelden-Eisen. Die restlichen zwei Drittel kaufe das Unternehmen als Grünstrom derzeit noch virtuell am Markt, aber das Unternehmen arbeite mit Hochdruck daran, mehr und mehr Strom aus regenerativen Energiequellen direkt vor Ort zu erzeugen und zu nutzen, betonte Marketing-Leiter Oliver Schoß Ende November bei der Vorstellung des Projekts in Otzenhausen. Damit senkt die Original Wagner Pizza GmbH nicht nur ihre Stromkosten, sondern produziert nachhaltig und klimaschonend. Ein Plus fürs Image, aber auch für das Klima.
Möglich macht das ein regionales Modell der Zusammenarbeit von Wagner und der VSE-Gruppe, einem regionalen Stromversorger. Jenes Modell kommt in dieser Form in der Lebensmittelbranche erstmalig zur Anwendung. Der Windpark Nohfelden-Eisen mit drei Anlagen mit je 3,3 Megawatt installierter Leistung erzeugt jährlich eine Wind-Strommenge von rund 22,1 Millionen Kilowattstunden pro Jahr und kann davon zirka 60 Prozent direkt ins Werk über eine neu gebaute, 750 Meter lange Leitung einspeisen. Insgesamt erspart der Windpark der Umwelt rund 16.700 Tonnen klimaschädliches CO2 pro Jahr. Für die komplette Infrastruktur samt Übergabestation hat das Unternehmen einen hohen sechsstelligen Betrag investiert. Zug um Zug soll auch das interne Netz für weitere Stromverbraucher wie das Hochregallager an die neue Übergabestation angeschlossen werden, um mit Windstrom versorgt werden zu können. Die Investition gilt auch als ein wichtiges Signal für die Zukunft des Standorts Otzenhausen, an dem rund 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dreischichtbetrieb tätig sind. Von der Idee und Planung über die Grundstücksverhandlungen bis zur Realisierung im laufenden Betrieb hat das Projekt zwei Jahre gedauert.
Während der Ausbau der Netze in ganz Deutschland nur langsam vorankommt und besonders energieintensive Unternehmen die hohen Stromkosten hierzulande beklagen, zeigen der Mittelständler und die VSE mit dem Netzbetreiber Energis-Netzgesellschaft Wege auf, wie eine zukunftsorientierte Energieversorgung im produzierenden Gewerbe samt Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit aussehen kann. Den Grünstrom vor Ort zu erzeugen und ihn direkt zu verbrauchen, sei der echte Königsweg in der Energieversorgung, so VSE-Vorstand Stephan Tenge. Diese innovative Direktbelieferung reduziere nachhaltig die Stromnebenkosten und sei ein Beitrag zur Senkung der Industriestrompreise.
Zu den Anteilseignern des Windparks Nohfelden-Eisen, der bereits 2016 in Betrieb genommen und dessen Strom an der Börse vermarktet wurde, gehören unter anderem die VSE, die Bürger Energie Genossenschaft St. Wendeler Land, die Ökostrom Saar Bürgerkraftwerke und die Gemeinde Nohfelden. Letztere erhält nicht nur Gewerbesteuer, sondern ist damit auch anteilig an den Ausschüttungen der Windpark Nohfelden-Eisen GmbH beteiligt.
Wirtschafts- und Energieminister Jürgen Barke hob hervor, dass mit regionalen Partnerschaften und innovativen Ideen die Umstellung auf eine klimaschonende, CO2-reduzierte Energieversorgung möglich sei. „Es ist ein Musterbeispiel für eine gelungene Energiewende im Saarland.“

Das Interesse aus Industrie und Gewerbe an innovativen Lösungen für die Energieversorgung von morgen ist hoch. Das regionale Energieunternehmen VSE ist im Saarland an rund 126 Megawatt installierter Windkraft direkt beziehungsweise über Kooperationen beteiligt und plant in naher Zukunft den Zubau von weiteren 76 Megawatt Windkraft. Auch weitere Investoren planen neue Windkraftanlagen oder warten auf das Ende des Genehmigungsprozesses. Anfang Dezember wurde beispielsweise eine neue Windkraftanlage für den Betreiber EnBW genehmigt, weitere fünf Anlagen für die Betreiber Entega und VSE lagen Mitte Dezember zur Genehmigung vor.
Reduzierung der Nebenkosten
Für den energieintensiven Produktionsbetrieb Wagner Pizza, der in neun europäischen Ländern seine Produkte verkauft, sind Klimaneutralität und Nachhaltigkeit mittlerweile ein wichtiger Wettbewerbsvorteil im internationalen Markt. „Der Wettbewerbsdruck nimmt zu, schon aufgrund der unterschiedlichen Entwicklung der Energiewende in anderen Ländern. An dem Ziel weg von den fossilen Energieträgern führt kein Weg vorbei“, so Oliver Schoß. Der ökologische Fußabdruck entwickelt sich zur neuen Währung für Wagner. Mehr Flexibilität und Innovationskraft, schnellere Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie sowie lokale Zusammenarbeit scheinen der dringenden Energiewende Flügel zu verleihen – Unternehmen, Kommunen und Bürger-Energieprojekte profitieren direkt.