Wie viel erneuerbare Energien brauchen wir, um unsere Klimaziele zu erreichen? Welchen Beitrag leistet dabei die Windenergie? Und zu welchem Preis? Wenn dafür gesunder Mischwald abgeholzt wird, geht die Rechnung nicht auf, sagt eine Bürgerinitiative, die das Aufstellen neuer Windräder verhindern möchte.

Wir stehen inmitten eines Waldes in Sulzbach, einer Gemeinde im Saarland. Warum sind wir hier? In diesem Naherholungsgebiet sollen Windräder errichtet werden – ein Vorhaben, das an gleich drei Stellen erhebliche Waldflächen zerstören würde. Dieser Ort steht exemplarisch für viele andere in Deutschland, wo Bürgerinnen und Bürger gegen den Verlust ihrer Wälder zugunsten von Windkraftanlagen protestieren. Hier in Sulzbach engagiert sich die Bürgerinitiative „Wald statt Windräder“ für den Erhalt dieses einzigartigen Lebens- und Erholungsraums.
Der Wald, den wir heute durchstreifen, ist nicht nur ein natürlicher Rückzugsort, sondern auch ein zentraler Bestandteil des Lebens vieler Menschen in Sulzbach und den umliegenden Gemeinden. Er ist schnell erreichbar und bietet Joggern, Radfahrern, Spaziergängern – mit oder ohne Hund – und Kindern einen Ort der Ruhe und Entspannung. Die Bedeutung solcher Wälder für das Wohlbefinden ist wissenschaftlich belegt. Laut der Naturwald Akademie verbessern Wälder nachweislich die Gesundheit: „Das Rauschen der Blätter, die Duftstoffe der Bäume, Vogelgesang und Bachplätschern senken den Blutdruck, reduzieren das Stresshormon Kortisol und verlangsamen den Puls.“ Studien aus Japan bestätigen diese Effekte bereits nach wenigen Minuten im Wald. Wälder sind also nicht nur ein Erholungsraum, sondern eine natürliche Quelle der Heilung.
Ist es da nicht widersprüchlich, diese wertvollen Lebensräume zu zerstören? Aus Sicht der Menschen in Sulzbach und Umgebung ist die Antwort klar. „Es ist ja nicht nur so, dass wir unseren Wald lieben und für das schätzen, was er uns gibt“, sagt Sigrid Zimmer, die gemeinsam mit Tiziana Marino-Weber und weiteren Engagierten die Bürgerinitiative „Wald statt Windräder“ leitet. „Die Errichtung riesiger Windräder bringt erhebliche umweltschädliche Kollateralschäden mit sich, die den Nutzen und die Sinnhaftigkeit des Projekts ernsthaft infrage stellen.“
Wald ist viel mehr als nur Bäume

Zimmer führt zahlreiche Argumente an, die ihre Haltung untermauern. Tatsächlich ist Windenergie – trotz ihrer Einstufung als erneuerbare Energie – mit Herausforderungen verbunden. Im Jahr 2023 machte sie Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge 31 Prozent des deutschen Strommixes aus. Zudem wurden vielerorts Windkraftanlagen abgebaut und die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird zunehmend reduziert. Die Lebensdauer eines Windrads beträgt im Schnitt 21 Jahre, doch nach 20 Jahren entfällt die EEG-Förderung, wodurch der Betrieb vieler Anlagen unrentabel wird. Allein in diesem Jahr könnten fast 12.000 Anlagen stillgelegt werden – das sind fast 50 Prozent der bestehenden Kapazitäten.
Doch was passiert mit den ausgedienten Anlagen? Die Praxis zeigt, dass Recyclinglösungen oft unzureichend sind. Betonsockel bleiben im Boden zurück und Rotorblätter werden teils ins Ausland verkauft, ohne nachhaltige Entsorgungskonzepte. All dies wirft Fragen zur langfristigen Umweltverträglichkeit der Windkraft auf.
Neben diesen ökologischen Bedenken ist der Wald in Sulzbach auch für die Gesundheit der Menschen unverzichtbar. Die saubere, feuchte und kühle Luft des Waldes, angereichert mit Terpenen – natürliche Duftstoffe, die das Immunsystem stärken –, ist ein unschätzbarer Vorteil für die Lebensqualität. Dieser Wald ist nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch ein natürlicher CO₂-Speicher und eine Quelle für ein gesundes Leben.

Für die Bürgerinitiative und die Menschen vor Ort ist der Wald weit mehr als nur eine Ansammlung von Bäumen – er ist ein unersetzbarer Teil ihrer Identität und Lebensqualität. „Wir verstehen die Wichtigkeit von Windrädern und Windenergie und sind keine Gegner. Aber man muss schauen, wo es Sinn macht. Wäre dies hier ein reiner Nadelwald, wäre die Lage eine völlig andere. Aber wir haben hier einen gesunden Laubwald in einem Ballungsgebiet, mit dem Karl-Mai-Wanderweg einen prämierten Wanderweg, eine prämierte Radfahrstrecke. Von all diesen Vorzügen wird nichts mehr bleiben, wenn die Räder aufgestellt werden, wie aktuell befürchtet“, sagt Sigrid Zimmer. Und sorgt sich weiter: „Wie viel genau aufgestellt gestellt werden, wissen wir noch nicht. Für Sulzbach ist es klar, für St. Ingbert beispielsweise noch nicht. Durch die Windpotenzial-Studie (siehe Link unten), die vom Saarland in Auftrag gegeben wurde, wissen wir, dass alle Flächen dort liegen, wo die Menschen hier in der Umgebung den Wald zur Erholung nutzen.“ Warum zerstört man so etwas, fragt sie am Ende unseres Gesprächs. Eine Antwort darauf kann ausschließlich die andere Seite geben – das Umweltministerium des Saarlandes.
Wir haben das Umweltministerium um eine Stellungnahme gebeten und folgende Antwort erhalten:
„Sowohl der Schutz unserer Natur als auch der Schutz des Klimas und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind drängende Herausforderungen unserer Zeit und zugleich auch gleichberechtigte Aufgabengebiete unseres Hauses. In konkreten Einzelfällen gilt es dabei, sorgsam alle Argumente für und wider abzuwägen und so fundierte Entscheidungen zu treffen. Folgend erläutern wir, worin die Notwendigkeit zum Ausbau der Windkraftanlagen auch in Waldgebieten im Saarland begründet ist: Zur Erreichung der Klimaziele und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland ist es dringend erforderlich, die Windenergie an Land auszubauen. Die Bundesregierung hat sich deshalb mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ambitionierte Ausbauziele gesetzt. So soll die Stromerzeugungsleistung der Onshore-Windenergieanlagen bis 2030 verdoppelt werden. Dafür sind nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) bis Ende 2032 bundesweit Flächen im Umfang von durchschnittlich zwei Prozent bereitzustellen. Die Landesregierung ist der Verpflichtung zur Umsetzung des WindBG mit dem Saarländischen Flächenzielgesetz nachgekommen, das im Juli 2024 in Kraft getreten ist.

Um die bundesweiten Flächenziele zu erreichen, ist es nicht vermeidbar, insbesondere in waldreichen Bundesländern wie dem Saarland, dessen Landesfläche zu mehr als 36 Prozent aus Wald besteht, dass Windenergieprojekte auch auf Standorten im Wald umgesetzt werden. Dies soll aber behutsam und geordnet geschehen. Im Saarland sind rund 87 Prozent der saarländischen Waldflächen (31 Prozent der Landesfläche) wegen zahlreicher gesetzlicher Gründe (Lärm- und sonstiger Immissionsschutz, Natur- und Artenschutz, Wasserschutzgebiete, etc.) für Windenergie ausgeschlossen.
Ziel der Landesregierung ist es, die Bedürfnisse der Energiewende und des Klimaschutzes mit den Bedürfnissen der Aufrechterhaltung der Funktionen des Waldes für den Naturhaushalt, die Gewinnung und Verwendung von Holz als klimaneutralem Rohstoff und die Erholung der Bevölkerung sowie seiner besonderen Bedeutung für die Vielfalt an Lebensräumen, Lebensgemeinschaften und Arten als auch für die Biodiversität angesichts der neuen Herausforderungen zu vereinbaren. Hierzu bedarf es einerseits einer Nutzung des Waldes für die Energiegewinnung, andererseits aber auch des Schutzes besonders sensibler und schutzbedürftiger Naturbestandteile, auf die aus waldökologischer Sicht nicht verzichtet werden kann.
Der Ausbau der Windenergienutzung verursacht wie jegliche Infrastrukturvorhaben Konflikte mit anderen Nutzungen sowie Schutzbedürfnissen. Das betrifft zum Beispiel bestehende Nutzungen wie Siedlungen, Verkehrswege, Militär und Bergbau sowie Schutzbelange wie Naturschutzgebiete, Vorkommen kollisionsgefährdeter Vogelarten, ökologisch wertvoller Wald- und Wasserschutzgebiete. Durch räumliche Planung und die Auswahl möglichst konfliktarmer Standorte für die Anlagen können die Konflikte gemindert oder vermieden werden. Die Landesregierung hat vor diesem Hintergrund eine landesweite Flächenpotenzialstudie beauftragt, die von einem externen Auftragnehmer durchgeführt wurde. Die Vorgehensweise zur Studie hat sich dabei grundlegend an der Methodik der Bundesstudie orientiert, die auf die spezifischen Datengrundlagen und Werthaltungen im Saarland angepasst wurde.

Die Belange des Waldschutzes wurden in diesem Zusammenhang in verschiedenen Varianten geprüft und letztlich das Landeswaldgesetz auf dieser Grundlage novelliert. Durch die durchgeführte Änderung des LWaldG und den Ausschluss der Waldschutzkriterien in der Potenzialstudie, die als Planungshilfe den Kommunen zur Verfügung steht, wird die Nutzung des Waldes für WEA unserer Auffassung nach sinnvoll gesteuert. Es konnte damit die für das Saarland bestmögliche Verbindung des Ausbaus der Windenergie im Sinne des Klimaschutzes und der Energiewende mit den berechtigten Interessen des Naturschutzes erreicht werden.
Wir benötigen eine saubere, bezahlbare und krisensichere Energieversorgung. Die Energiewende ist daher nicht verhandelbar, sondern eine ökonomische und ökologische Notwendigkeit. Ziel der Landesregierung ist, aus unserer Region einen zukunftsorientierten, attraktiven und wettbewerbsfähigen Standort im Herzen Europas zu machen. Erneuerbare Energien gehören hier dazu.“
Die Bürgerinitiative stellt dem vielerlei stichhaltige Argumente entgegen, wundert sich auch darüber, dass der Schutz des Gebiets, der rechtliche Bestand, vergangenen Sommer zugunsten der Errichtung der Windräder aufgehoben wurde, und betont, wie viel tatsächliche Fläche durch den Antransport der benötigten Materialien in Mitleidenschaft gezogen würde. Es bleibt abzuwarten, was die Bürgerinitiative bewirken kann. Nach aktuellen Informationen ist wohl keine Rettung mehr möglich. Mit Empathie und Einfühlungsvermögen ist der Unmut der Betroffenen nachvollziehbar, die Argumentation des Umweltministeriums auch. Einen Mittelweg zu finden, mit dem beide Seiten zufrieden sind? Schwierig.