Michael „Bully“ Herbig ist ein sehr angenehmer Interview-Partner. Natürlich ist er sich seines Images als Deutschlands erfolgreichster Filmemacher und Entertainer bewusst. Aber er will damit nicht beeindrucken. Wir hatten das Vergnügen, ihn über die Jahre mehrmals zu sprechen. Hier die Highlights.
Am Anfang war das Wort, steht in der Bibel. Man hat den Eindruck, dass es bei Ihnen das Bild war, oder?
Das ist eine sehr schöne Frage, die mir so noch niemand gestellt hat. Bei mir war es tatsächlich das Bild. Ich habe schon als Kind wahnsinnig gern gemalt, habe mir sozusagen schon sehr früh die Welt bebildert.

Wer hat Sie denn bei Ihrem Werdegang zu Deutschlands erfolgreichstem Komiker und Filmemacher am meisten beeinflusst?
Es gibt Fotos, wo ich als Zwölfjähriger in der Badewanne sitzend Otto imitiere. Mit Schaum auf dem Kopf. So etwas prägt natürlich. Aber Humor kann man ja nicht wirklich erlernen. Man kann nur von dem, was man als Inspiration aufnimmt, später das herausfiltern, was einen selbst anspricht.
Sie haben Ihre Karriere mit zwölf begonnen?
(lacht) Sozusagen. Denn schon damals gab es für mich nur zwei Alternativen: Ich wollte entweder Fußballweltmeister werden – oder den Oscar bekommen.
Als Schauspieler oder als Regisseur?
Das war mir, glaube ich, ziemlich egal. Ein Schlüsselerlebnis in diesem Alter war auf jeden Fall eine Theateraufführung, bei der ich viele Lacher bekommen habe. Das fand ich total cool. Von da an wollte ich nur noch Schauspieler werden. Mit ungefähr 15 bin ich dann allerdings ins Regiefach gewechselt und habe – mit der Videokamera eines Freundes – den ersten „Dogma“-Film gedreht.
Sie meinen, Sie haben mit der Kamera herumgewackelt.
Genau – und zwar ausschließlich bei natürlichem Licht, ohne Ton und ohne richtige Schauspieler (lacht).
Sonst noch irgendwelche Inspirationen?
Ich fand auch Mr. Bean immer ganz toll. Oder ganz klar die Abrahams/Zucker-Filme. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme ist „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“. Den schaue ich mir immer wieder gerne an.
Sie waren als Entertainer ein echter Frühstarter.
Nur in dieser Hinsicht. In allem anderen war ich ein Spätentwickler.
Sie scheinen die Dinge leicht zu nehmen.

Ich war nie karrieregeil, wenn Sie das meinen. Ich hatte aber immer Ambitionen. Wenn jemand an einer Olympiade teilnimmt, dann will er doch auch eine Medaille, oder etwa nicht? Ich finde es völlig schwachsinnig, wenn Leute nur so tun als ob.
Sie waren Ende 20, als Sie die Erfolgswelle traf. Sie sind aber auf dem Teppich geblieben. Ist Durchdrehen eine Altersfrage?
Eine Frage der Reife. Und ich wurde ja nicht über Nacht erfolgreich. Außerdem habe ich mir auch sehr schnell Gedanken darüber gemacht, wie es sein wird, wenn der Hype wieder vorbei ist. Ich kann ehrlich sagen, dass sich mein Leben dadurch sehr wenig verändert hat.
Tatsächlich?
Die Wahrnehmung von außen auf mich hat sich verändert, das ist wahr. Ich muss zum Beispiel heute etwas vorsichtiger sein mit dem, was ich sage, weil es eine ganz andere Gewichtung bekommen hat.
Gehen Sie eigentlich selbst oft ins Kino?
Natürlich, ich liebe das Kino. Es gibt keinen besseren Platz für einen Film. Was mich allerdings wahnsinnig macht, sind Leute, die während des Films dazwischen quatschen.
Und ich finde es geradezu deprimierend, wenn sich Leute Kinofilme auf ihrem Handy anschauen.
Über Billy Wilders Schreibtisch hing das Schild: „Wie würde es Lubitsch machen?“
Bei mir hängt da ein Bild von Hitchcock mit dem Schriftzug: „Right place, right time, right party“. Das ist eigentlich alles, was man als Regisseur wissen muss (lacht).
Haben Sie Ihre Firma „herbX film“ eigentlich aus Rache gegründet?
Sie meinen, weil ich bei der Filmhochschule abgewiesen wurde? Ein schöner Gedanke, aber nein. Obwohl einer der Professoren dort einmal gesagt hat: „Wäre Bully Herbig auf die Filmhochschule gegangen, hätte er den ‚Schuh des Manitu‘ nie gedreht.“ Der Film hat ja damals 120 Millionen Mark – damals waren es ja noch Mark! – an der Kinokasse eingespielt und erzielte mit fast zwölf Millionen Besuchern ein Rekordergebnis.
Und dieser Mega-Erfolg hat Sie wirklich nicht überrollt?
Am Anfang war das schon ein komisches Gefühl. Wir haben uns in der Firma auch alle gefragt, ob sich dadurch etwas ändern würde. Plötzlich kamen von überallher Anfragen und jeder wollte etwas mit uns machen. Irgendwie war das, als ob man mit 130 Sachen durch die Kurve fährt. Da muss man schon höllisch aufpassen, dass es einen da nicht hinausträgt.

Und? Haben Sie die Handbremse gezogen?
Vielleicht keine so gute Idee mit 130 in der Kurve. Nein, und so komisch das jetzt vielleicht auch klingt, aber mir hat vor allem geholfen, dass ich den „Manitu“-Erfolg als Endpunkt einer kontinuierlichen, immerhin schon 20 Jahre dauernden Arbeit angesehen habe.
Als kreativer Mensch ist es doch auch wichtig, sich immer wieder die Zeit zu nehmen, um das alles auf sich wirken zu lassen und zu reflektieren, oder?
Auf jeden Fall. Ich will eigentlich immer wissen, wo ich stehe. Da erinnere ich mich gerade an einen sehr prägenden Vorfall in meiner Kindheit. Mein ehemaliger Klassenlehrer, Herr Weibrecher, kam damals auf die Idee, im Sportunterricht Mädchen gegen Jungen Fußballspielen zu lassen. Das fand ich total cool. Wir Jungs wollten natürlich allen zeigen, wie toll wir sind. Also haben wir einen unfassbaren Ehrgeiz entwickelt, die Mädchen so hoch wie nur möglich zu schlagen. Was uns natürlich gelang. Dabei sind wir echt hart reingegangen. Nach dem Spiel hat uns der Lehrer richtig auf den Topf gesetzt. Was uns denn einfiele, so unsportlich zu sein. Man hätte die Mädchen ja auch – gentlemen-like – gewinnen lassen können. Oder wenigstens fair spielen können. Das ist mir bis heute hängen geblieben. Merke: Man kann sein Ziel auch aus eigener Kraft und ohne auf Kosten anderer erreichen.
Im Märchen vielleicht, aber in der Realität?
Gerade da, denn nur da zählt es. Bei mir haben jedenfalls Emporkömmlinge, die ständig nur ihre Ellenbogen einsetzen, sich mit geklauten Ideen hervortun und sich dann auf den Lorbeeren anderer ausruhen, keine Chancen. Das ist etwas, was ich zu tiefst verabscheue.
Was ist denn das wichtigste Kapital Ihrer Firma?
Ideen.
Sind Sie Bauch- oder Kopfmensch?

Ich bin dazu übergegangen, Entscheidungen, die ich mit dem Kopf getroffen habe, vom Bauch absegnen zu lassen.
Treffen Sie Ihre Entscheidungen alleine?
Ich habe Berater, die mir bei der Entscheidungsfindung helfen. Aber das sind nicht Berater, die ich dafür einkaufe. Das sind die festen Angestellten meiner Firma, meine Freunde, meine Frau. Das ist eine wunderbar eingeschworene Mannschaft, die sich da in den letzten Jahren herausgebildet hat.
Die Firma als Family?
Absolut. Es kann morgens, wenn ich in die Firma komme, passieren, dass mir jemand mit der Zahnbürste entgegenkommt, weil er die Nacht im Tonstudio durchgearbeitet hat. Das sind alles Menschen, denen ich wirklich endlos vertraue. Und die Tatsache, dass so ein kleiner Haufen für so viel Wirbel sorgt, ist das Lustigste überhaupt.
Bei den Dreharbeiten zu „Wickie und die starken Männer“ vor einigen Jahren konnte man einen kleinen Einblick in die Arbeitsweise von Michael Herbig bekommen.
Tatort: Malta. Am Abend vor dem großen Dreh wird für die Schauspieler, Produzenten und eine Handvoll Journalisten ein großes Gala-Diner im „Excelsior Grand Hotel“ nahe der Stadtmauer von Valletta gegeben. Der Einzige, der dabei fehlt, ist Regisseur Michael Herbig. Der Grund: Er muss die Szene auf dem Schiff, die am nächsten Morgen gedreht werden soll, noch einmal durchgehen. Da gibt es noch diverse Schwierigkeiten zu beseitigen. „Arbeit kommt vor Vergnügen“, wird er am nächsten Tag nüchtern feststellen. Die Szene klappt beim Drehen dann natürlich wie am Schnürchen. Bully als Regisseur am Set ist alles andere als der Spaß- oder Faxenmacher. Er ist zwar immer zuvorkommend und freundlich, aber auch sehr angespannt und bis in die Haarspitzen konzentriert. Man sollte meinen, dass es nicht so schwer sein sollte, den Deckel einer Schatzkiste zuzuschlagen und dabei einen kurzen Satz sagen. Als es aber nach dem 15. Take immer noch nicht richtig klappt, schießt Bully pfeilschnell aus seinem Regiestuhl heraus, stürmt auf das Schiff und macht dem verdutzen Ober-Wikinger vor, wie es geht. Und zwar richtig. Mindestens zwei gefühlte Stunden lang wurde noch mit dem Schatzkistendeckel geknallt. Perfektionisten haben es eben nicht immer leicht.

Sie sind ja – neben der Situationskomik, Slapstick und den Gags in Ihren Film-Komödien – sprachlich sehr versiert. Ihr Lieblingswort?
Ich habe zwei: „Und bitte!“ Das sage ich beim Drehen immer statt „Action!“ Und das Wort, das ich in diesem Zusammenhang am wenigsten mag, ist: „Aus!“
Was inspiriert Sie im Leben am meisten?
Echte Menschen. Menschen aus Fleisch und Blut, die man in jedem Lebensbereich findet. Ich beobachte wahnsinnig gerne Menschen.
Ihr Lieblings-Schimpfwort?
„Scheiße!“ Da bin ich ganz pragmatisch.
Stellen Sie sich vor, Sie treffen nach dem Tod Gott an der Himmelspforte – wie würden Sie Ihn begrüßen?
Mit „Servus!“