Der bisherige Saisonverlauf bei Handball-Drittligist HG Saarlouis gleicht einer Achterbahnfahrt. Nach einer steilen Abfahrt geht es inzwischen wieder bergauf. Dennoch muss der Trainer am Ende gehen. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

Verletzungssorgen, nur ein Mittelfeldplatz in der Liga, Trainerwechsel nach dem Saisonende – Ende Oktober 2024 sah die Welt bei Handball-Drittligist HG Saarlouis mehr als nur ein bisschen trübe aus. Nach einer Negativ-Serie mit nur einem Sieg aus sechs aufeinanderfolgenden Spielen riss das Team aber selbst das Ruder herum und gewann fünf der sechs folgenden Spiele vor der Winterpause. Bei Schlusslicht TV Korschenbroich im letzten Spiel des Jahres sogar mit dem rekordverdächtigen Ergebnis von 47:29. Auch das erste Spiel nach der Pause gestalteten die Saarlouiser mit einem 35:26-Heimsieg am vergangenen Samstag im Derby gegen die TSG Haßloch erfolgreich. Das Saisonziel, Platz drei, ist für den Tabellen-Vierten schon wieder in greifbarer Nähe.
„Neue Impulse und Perspektiven“
Trotzdem werden sich die Wege der HG und von Cheftrainer Philipp Kessler nach dem Ende der laufenden Saison trennen. Der Sportliche Leiter Daniel Altmeyer hatte bereits Mitte November verkündet man sei mit Philipp Kessler diesbezüglich übereingekommen und wolle der Mannschaft in der nächsten Spielzeit „neue Impulse geben und neue Perspektiven eröffnen“, heißt es in der Pressemitteilung des Vereins. „Philipp Kessler hat hier tolle Arbeit geleistet und geholfen, den Verein nach einem sportlich schwierigen Jahr deutlich zu stabilisieren“, erklärt Präsident Dr. Steffen Freichel darin. Das Präsidium danke Kessler dafür sehr, und er genieße bis zum Saisonende „unser uneingeschränktes Vertrauen.“ Wer der Nachfolger von Kessler werden soll, steht noch nicht fest. Man wolle sich Zeit lassen, den besten Kandidaten für die Aufgabe zu finden, hieß es aus der Sportlichen Leitung. Erste Kontakte zu geeigneten Trainerpersönlichkeiten gebe es aber bereits. „Der Zeitpunkt und die Art und Weise hat uns als Trainerteam schon etwas verwundert, und wir hätten uns schon gewünscht, dass man anders und wertschätzender miteinander umgeht“, sagt Kessler, der selbst als Spieler jahrzehntelang das HG-Trikot in der Zweiten und Dritten Liga getragen hat und die Mannschaft in der Vorsaison nach einem schwierigen Jahr auf Rang vier geführt hat. „Ich hätte mir gewünscht, dass die genannten Aspekte – sportliche wie nichtsportliche – bei der Bewertung berücksichtigt worden wären und dass man darüber in einen sachlichen Austausch gekommen wäre.“ Eigentlich hätten Verein und Trainer einen Drei- bis Fünfjahresplan verfolgt, „für den leider nicht alle unsere Wünsche im Bereich der Kaderplanung berücksichtigt wurden. Auch deshalb waren die Bedingungen zum Saisonstart nicht ganz einfach“, sagt Kessler und spielt auf die verletzungsbedingten Ausfälle der Schlüsselspieler Yves Kunkel (Bänderriss), Tom Paetow (Bänderriss und Rückenprobleme) sowie aktuell von Neuzugang Meti Durmishi oder Wladislaw Kurotschkin (Kreuzbandriss) an.
Dass die Mannschaft wegen Renovierungsarbeiten wochenlang nicht in der heimischen Stadtgartenhalle trainieren konnte und das erste Saisonspiel in Völklingen bestreiten musste, habe – wie auch das gnadenlose Auftakt-Heimprogramm, zu dem gleich die vier stärksten Teams der Liga gehörten – die Umstände nicht gerade erleichtert. Das macht auch einen Vergleich mit der erfolgreichen Vorsaison schwierig. „Letzte Saison haben wir mit 39:21 Punkten überperformt und haben eine Heimspiel-Bilanz von 26:4 Punkten. Dieses Jahr läuft es andersrum, wir haben auswärts bisher 13:5 Punkte geholt, zu Hause – wo wir nur einmal in Bestbesetzung antreten konnten – haben wir mit einer Bilanz von 5:7 wichtige Punkte liegen gelassen“, sagt Philipp Kessler.

Die Vorzeichen für die Rückrunde stehen wegen der Rückkehr der Genesenen und deutlich mehr Heim- (neun) als Auswärtsspielen (sechs) schon besser, findet Pechvogel Yves Kunkel. Als zweitbester Schütze der Vorsaison vom TV Homburg verpflichtet, konnte der frühere Nationalspieler verletzungsbedingt noch nicht in Tritt kommen. Unmittelbar vor dem Saisonstart der Bänderriss, dann folgte gleich im ersten Training nach seiner Rückkehr eine schwerwiegende Daumenverletzung an der rechten Wurfhand. „Meine Rückkehr nach Saarlouis hatte ich mir definitiv anders vorgestellt, das ist schon maximal blöd gelaufen. Ich konnte den Ball nicht richtig greifen, und das hat mich den Rest der Hinrunde begleitet“, berichtet Kunkel. Erst die Winterpause brachte Linderung: „Ich kann jetzt wieder fest zupacken und will in der Rückrunde Gas geben.“
„Ich habe mich gewundert“
Dass der Verein die Trainerposition nach der Saison anderweitig besetzen wird, hat den bundesligaerfahrenen Leistungsträger und seine Mannschaftskameraden „überrascht. Ich habe mich gewundert, dass man diese Entscheidung so früh mitteilt. Das hätte man sicher auch anders lösen können“, sagt Kunkel, dessen Vertrag noch zwei Jahr läuft. „Man hätte erst einmal im Hintergrund Gespräche mit anderen führen können und mit der Veröffentlichung noch abwarten können. So war es natürlich auch Thema in der Mannschaft und einer von mehreren Nebenschauplätzen, die für Unruhe gesorgt haben.“ Welche genau, will Kunkel nicht verraten.
Der geschasste Philipp Kessler findet die Entscheidung des Vereins „mit Blick auf die strategische Entwicklung grundsätzlich verständlich. Ohnehin hatte ich mich aus privaten Gründen schon mit einer möglichen Auszeit als Trainer beschäftigt.“ Der 39-Jährige wird nämlich im Mai dieses Jahres, etwa zwei Wochen nach Rundenende, zum zweiten Mal Vater. Bevor es so weit ist, will er sich anständig von den HG-Fans verabschieden. „Wir haben uns als Mannschaft ambitionierte Ziele gesteckt. Jetzt geht es an die Umsetzung. Wir als Trainerteam freuen uns darauf und versuchen, die Mannschaft bis zum Saisonende weiterzuentwickeln und das Bestmögliche dabei herauszuholen“, sagt Kessler und schiebt nach: „Ich bin sicher, dass wir dann noch einige Erfolge zusammen feiern werden.“ Das sieht auch Yves Kunkel so.