Was „America First“ für die Welt und vor allem für Europa bedeutet
Wenn Donald Trump am 20. Januar 2025 als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, bleiben manche als sicher geglaubte Grundsätze auf der Strecke. Trump sei ein Isolationist, der die USA aus internationalen Krisen heraushalten und sich ganz auf das eigene Land fokussieren wolle, hieß es immer wieder. Das ist wohl eine Fehleinschätzung.
Inzwischen wissen wir: Das Motto „Make America Great Again“ bedeutet keineswegs einen Rückzug auf die USA. Der Slogan steht für eine knallharte nationale Interessenpolitik auch auf der internationalen Bühne. Amerikas wirtschaftlicher Vorteil wird zur obersten Maxime von Trumps Außenpolitik. Einschüchterung und Erpressung gehören zu den Instrumenten des ehemaligen New Yorker Immobilienmoguls.
Die Parameter von Trumps Außenpolitik sind zumindest in Umrissen erkennbar. Wenige Tage vor der Vereidigung fährt der künftige Präsident maximale Druck- und Drohkulissen auf. Die Warnungen, das rohstoffreiche Grönland notfalls zu annektieren sowie den für die Handelsschifffahrt bedeutenden Panamakanal zu übernehmen oder Kanada durch wirtschaftlichen Druck als 51. US-Bundesstaat zu vereinnahmen, sind ernstzunehmen.
Aber würde Trump wirklich so weit gehen? Völlig ausgeschlossen ist das nicht, aber unwahrscheinlich. Es entspricht dem Naturell des 78-Jährigen, Angst und Schrecken zu verbreiten, um einen Gewinn für sein Land herauszuholen. Im Fall von Grönland könnten dies mehr Rechte zum Abbau von kostbaren Ressourcen wie Seltenen Erden und Uran sein. Im Fall des Panamakanals könnte es um niedrigere Gebühren für die Passage amerikanischer Schiffe gehen.
Beides wären auch offensive Maßnahmen, um den wirtschaftlichen Einfluss Chinas zu beschneiden. Peking betreibt auf der atlantischen und der pazifischen Seite des Panamakanals jeweils ein Hafenterminal, was Trump ein Dorn im Auge ist. Darüber hinaus ist China bereits bei der Ausbeutung von Bodenschätzen in Grönland aktiv. Der wirtschaftliche, politische und militärische Aufstieg der Volksrepublik, die perspektivisch die Weltmacht Amerika überholen könnte, wird in Washington als größte strategische Herausforderung und Gefahr angesehen.
Aber auch Richtung Europa wird der Druck aus Washington stark zunehmen. Mit der Androhung einer Zollkeule von bis zu 20 Prozent will Trump europäische Unternehmen de facto zwingen, in den Vereinigten Staaten zu produzieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Für die Nato hat Trump die Messlatte extrem hoch gelegt: Fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung sollen die Bündnismitglieder für die Verteidigung ausgeben – eine Vorgabe, die bis dato nicht einmal die USA mit aktuell 3,4 Prozent erfüllen.
Der künftige US-Präsident hat immer wieder klargemacht, dass er sich an den Automatismus einer Bündnispflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags nicht gebunden fühlt. Europas Sicherheit sei in erster Linie Sache der Europäer. Springt dabei jedoch ein Deal für Amerika heraus, könnte die Lage anders aussehen: Im Fall von milliardenschweren Waffenbestellungen bei US-Rüstungsunternehmen wäre Trump vermutlich nicht abgeneigt, einen Schutzschirm über den Kontinent aufzuspannen. Militärleistung gegen Cash, lautet seine Devise. Ob Trump tatsächlich wie in seiner ersten Amtszeit mit dem Gedanken spielt, aus der Nato auszusteigen, ist offen.
In Bezug auf den Ukraine-Krieg ist Trumps Position klar: Der Waffengang soll so schnell wie möglich beendet werden. Bereits heute deutet vieles darauf hin, dass Amerika seine Militärhilfe für die Ukraine drastisch reduzieren oder sogar auf Null fahren wird. Dem Chef des Weißen Hauses schwebt eine Übereinkunft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor. „Er will, dass wir uns treffen, und wir sind dabei, das zu organisieren“, sagt der Republikaner. In Europa befürchtet man, dass eine mögliche Einigung mit Gebietsverlusten für die Ukraine einhergeht.
Es beginnt eine neue Ära der Großmächte. Die internationale Arena wird künftig von den Autokratien China und Russland dominiert sowie einem Amerika, das Trump zu einer Semi-Autokratie umgestalten will. Die EU muss sich neu erfinden, will sie nicht als impotenter Staaten-Club an den Rand gedrängt werden. Überwiegen Uneinigkeit und Spaltung, wird sie zum Spielball der XXL-Akteure. „America First“ ist ein Weckruf.