In wenigen Tagen ist T-Day: Großunternehmer und Ex-Showmaster Donald Trump zieht erneut als Präsident der USA ins Weiße Haus ein. Genau 6.216,58 Kilometer Luftlinie entfernt läuten Alarmglocken: Die Europäische Union erwartet, dass vom Atlantik eine Gewitterwolke heraufzieht.
Schon in der ersten Amtszeit Trumps (2017 bis 2021) hatte Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission gestöhnt: „Wenn wir immer wieder mit unilateralen Entscheidungen konfrontiert werden, die unsere gemeinsamen Interessen gefährden, müssen wir uns fragen, wie wir unsere eigene Handlungsfähigkeit stärken können.“
Groß ist die Sorge, dass Europa vom Trump-Team an die Wand gedrückt wird. Die Spannungen und Konflikte könnten dieses Mal weit schärfer sein als bei der ersten Amtszeit. Doch was können die Europäer diesmal von dem 78 Jahre alte Populisten erwarten?
Trumps Leitthema lautet wie gehabt „America First“. Die Interessen der Vereinigten Staaten gehen über alles andere – auch über die der Verbündeten. Das hat Trump kürzlich bekräftigt: „Amerika wird für uns immer an erster Stelle stehen. Die Sicherheit, der Wohlstand und das Wohlergehen unserer Bürger werden für mich immer oberste Priorität haben.“
Die Politik „Amerika zuerst“ wird Ökonomen zufolge Handelskonflikte auslösen. Schon einmal hatte Trump fette Strafzölle auf europäischen Stahl und Aluminium verhängt. Damit hatte er die einheimische Industrie geschützt, aber die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ostufer des Atlantiks erheblich belastet.
So könnte es wieder kommen, warnt Peter Adrian, der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK): „Die deutsche Wirtschaft muss sich auf stärkeren Protektionismus und höhere Handelshürden einstellen.“ Die EU könnte Exportschäden mit dem scharfen Schwert von Sanktionen beantworten müssen.
Absehbar teuer für Europa ist das Thema Nato-Beiträge. In der EU gibt es die Einsicht, dass die Bedrohung durch Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich mehr Mittel als bislang erfordert – aber in Maßen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius: „Wir sind bereit, unseren Beitrag zur kollektiven Sicherheit zu leisten. Allerdings müssen solche Forderungen realistisch und im Einklang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten sein.“
Die Forderung Trumps, die Nato-Verbündeten möchten ihre Wehretats auf mindestens zwei Prozent des BIP erhöhen, ist bekannt. Viele EU-Länder haben ihre Ausgaben bereits erhöht. Darunter sind kleine Staaten wie die Baltik-Republiken und auch Polen, das so stark rüstet wie kein anderer EU-Staat. Doch in vielen EU-Hauptstädten erwartet man, dass Trump mehr will – er brachte schon fünf Prozent ins Spiel. Das befeuert Debatten über eine von den USA losgelöste EU-Verteidigung.

Ein zentraler Aspekt von Trumps Außenpolitik war der unorthodoxe Umgang mit Russland. Seine vermeintlich enge Beziehung zu Wladimir Putin hatte Europa beunruhigt. Noch vernebelt Trump seine heutigen Absichten etwa zur Ukraine. Deren Präsident Wolodymyr Selenskyj macht auf Zweckoptimismus: „Ich glaube, dass Donald Trump die notwendigen Qualitäten besitzt, um entscheidend dazu beizutragen, Wladimir Putin zu stoppen und den Krieg zu beenden.“
Ist die Hoffnung aus Kiew realistisch? Oder wird Trump eine Rückzugspolitik machen? Letzteres könnte die Geschlossenheit der EU in der Russlandpolitik erodieren. Schon jetzt machen Ungarn und die Slowakei nicht mehr mit. Antieuropäische und nationalistische Kräfte haben überall Aufwind.
Harter Test für Partnerschaft
Überschneidungen mit EU-Positionen könnte es bei der US-Chinapolitik geben. Peking gilt beidseits des Atlantiks als systemischer Rivale. Allerdings ist fraglich, ob Trumps Ansatz, auf bilaterale Deals zu setzen, vereinbar ist mit dem EU-Multilateralismus. Europa muss aufpassen, nicht zu sehr ins aufgewirbelte Fahrwasser des Trump-Tankers zu geraten. So rät Jorge Toledo, der EU-Botschafter in Peking: „Was auch immer im Weißen Haus geschieht, bedeutet nicht, dass sich die unfairen Handels- und Investitionsbeziehungen mit Europa von selbst ändern werden.“
Ein weiterer Bereich für potenzielle transatlantische Differenzen ist die Klimapolitik. Die EU ist strikt bei der Reduzierung von Treibhausgasen. Trump dagegen will auf fossile Energieträger setzen und könnte Klimaschutzpakte erneut kündigen. Dies würde die globale Kooperation im Kampf gegen Erderwärmung erschweren und europäische Bemühungen torpedieren.
Der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck fordert: „Man braucht gegenüber Trump eine klare Haltung.“ Die sei notwendig, um globale Bemühungen nicht zu gefährden.
Die Migrationspolitik wird ebenfalls ein sensibler Punkt bleiben. Trumps harte Haltung gegenüber illegal Eingewanderten wird neue Herausforderungen bringen. Das umso mehr, sollte es wieder zum Anstieg globaler Flüchtlingsbewegungen kommen.
Kurz vor dem Wiederantritt im Weißen Haus ist in Brüssel aber immer noch nicht genau geklärt: Wie soll die EU auf Trump II reagieren? Experten raten der Politik zu stärkerer interner Geschlossenheit und klarerer strategischer Ausrichtung. Dafür müssten sich die EU-Regierungen darauf einigen, die europäische Autonomie – sowohl im militärischen als auch im wirtschaftlichen Bereich – voranzutreiben. Parallel aber ist ein konstruktiver Dialog mit Washington notwendig, um gemeinsame Interessen wie Stabilität der Weltordnung und Kontrolle über neue Technologien zu wahren – ein Balanceakt!
Fazit: Donald Trumps zweite Präsidentschaft wirft viele Fragen für Europa auf. Die EU muss die Quadratur des Kreises schaffen, zugleich ihre strategischen Interessen zu wahren und die Beziehungen zu den USA zu hüten. Das wird die transatlantische Partnerschaft hart testen, glaubt Wolfgang Ischinger, Ex-Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz: „Wir können in einer Welt, in der es eher mehr als weniger Nuklearmächte geben wird, nicht bestehen, wenn wir diese transatlantische Verbindung nicht haben.“ Tröstlich: Überlebt die EU die kommenden Trump-Jahre unbeschadet, wird sie stärker sein als je zuvor.