In Berlin sind wieder die Trecker auf den Straßen unterwegs. Dabei ist der frühere Gegensatz von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft längst aufgehoben – den Bauern geht es um das wirtschaftliche Überleben.
Pünktlich zum Beginn der Grünen Woche, der weltgrößten landwirtschaftlichen Ernährungsmesse, stehen sie wieder in einer Zweierreihe Trecker an Trecker auf drei Kilometer Länge von der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor. Für die zahlreichen Bauern-Demonstrationen ist es die beste Jahreszeit, jetzt im Januar haben sie nicht viel zu schaffen.
In diesem Jahr geht es zum einen erneut um den Agrardiesel, die Subvention ist bereits im vergangenen Jahr auf 13 Cent pro Liter halbiert worden. Seit dem ersten Januar bekommt der Landwirt nur noch 6,44 Cent, und im kommenden Jahr ist Schluss mit der Diesel-Subvention für die Landwirtschaft. Der Bund spart so 450 Millionen Euro ein, das Finanzministerium hat Mehreinahmen, die natürlich längst verplant sind. Trotzdem hoffen die Bauern, die verbliebene Subvention mit ihren Demonstrationen noch irgendwie retten zu können, was allerdings in Anbetracht der knappen Kassenlage eher unwahrscheinlich ist.
Im vergangenen Jahr waren sie fast sechs Wochen in Berlin unterwegs. In diesem Jahr scheint die Chance, dass der Protest vielleicht doch auf fruchtbareren Boden fällt, höher zu sein. Es ist schließlich Bundestagswahlkampf.
Ein weiteres Anliegen, wo die massiven Proteste tatsächlich noch etwas bewirken könnten, ist die Verhinderung des Mercosur-Abkommens. Die neue Freihandelszone mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay soll für die EU-Bauern neue Märkte auf der anderen Seite des Atlantiks erschließen. Die Verhandlungen sind abgeschlossen, nun müssen noch die 27 EU-Staaten zustimmen. Konventionelle und ökologische Landwirtschaftsproduzenten sind sich einig: Das Abkommen geht eher auf Kosten der Europäer, als dass es einen nachvollziehbaren Nutzen haben wird.
Gegen diese Freihandelszone sprechen für die Landwirtin und Agrarexpertin der Deutschen Umwelthilfe Rheinhild Benning einige Gründe: „Es macht keinen Sinn, unsere Milch nach Südamerika zu schippern, um umgekehrt von dort Fleisch nach Europa zu verschiffen. Schon aus ökologischen Gründen ist das widersinnig, wenn Sie an den CO2-Ausstoß denken, der durch die riesigen Containerschiffe verursacht wird, die bekanntermaßen mit Schweröl fahren. Obendrauf kommen die Transportkosten, die am Ende ja auch wieder auf die Kunden umgeschlagen werden. Da macht es doch weit mehr Sinn, wenn die Menschen die landwirtschaftlichen Produkte nehmen, die bei ihnen im Land hergestellt werden. Ganz abgesehen von den Qualitätsstandards, zum Beispiel beim Fleisch. Dort wird genmanipuliertes Tierfutter verwendet. Alle in der Landwirtschaft Tätigen fordern die Bundesregierung auf, den Mercosur-Vertrag noch zu verhindern.“
Dabei hofft Benning auch auf die Solidarität der Bauern in den anderen europäischen Ländern, die von möglichen Billigimporten aus Südamerika ebenso betroffen sind, wie sie umgekehrt dazu gezwungen sein könnten, ihre Produkte unter Produktionspreis in die Mercosur-Staaten zu exportieren. „EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss Wort halten und die gemeinsame Marktordnung der EU gründlich überarbeiten, denn bisher lässt die mangelhafte Regulierung zu, dass Bäuerinnen und Bauern zu Tausenden gezwungen sind, unter Produktionskosten zu verkaufen. So arbeiten sie unter erheblicher wirtschaftlicher Unsicherheit und erhalten nicht einmal Verträge, bevor sie Tonnen an Produkten wie Milch oder Fleisch liefern.“ Das Freihandelsabkommen soll im Sommer ratifiziert werden, doch dann haben die Bauern keine Zeit mehr, massenhaft zu demonstrieren, dann sind sie nämlich mit der Ernte vollauf beschäftigt. Ohne genau zu wissen, wieviel sie dafür bekommen werden.