Die Schauspielerin Ines Marie Westernströer, seit 2019 als Hauptkommissarin im saarländischen „Tatort“, spricht über ihre Arbeit beim Burgtheater Wien, das Besondere an Fernsehrollen und den Spagat in ihrem Beruf.

Frau Westernströer, wie sind Sie eigentlich zum saarländischen „Tatort“ gekommen?
Ich wurde damals vom Redakteur des Saarländischen Rundfunks, Christian Bauer, mit dem ich schon den Kinofilm „Die Hannas“ gemacht hatte, zum Casting eingeladen. Da sollte ich für die beiden Kommissarinnen vorsprechen. Das war eine besondere Herausforderung, weil ich zwischen beiden Figuren switchen musste. Schließlich habe ich die Rolle der Kommissarin Pia Heinrich bekommen und Brigitte Urhausen die Rolle der Kommissarin Esther Baumann.
Sie spielen Hauptkommissarin Pia Heinrich schon seit fünf Jahren. Sie scheinen die Rolle sehr zu mögen – oder warum sind Sie immer noch dabei?
Weil es immer noch spannend für mich ist und ich mit tollen Leuten arbeite. Was ich an unserem „Tatort“ ganz besonders mag, ist, dass es eine horizontale Erzählweise gibt. Die Handlung der neuen Folge setzt also immer da an, wo der vorige Fall aufgehört hat. Und das bietet ganz besondere Möglichkeiten. Wie zum Beispiel beim nächsten „Tatort“, „Das Ende der Nacht“, wo der Fokus diesmal mehr auf meine Rolle gelegt wurde.
Sie haben Pia Heinrich als Figur beschrieben, „die sich tief in die Fälle reingräbt und alles der Arbeit unterordnet“. Trifft das auch auf Sie als Schauspielerin zu?
(lacht) Manchmal ja, aber ich arbeite daran, dass meine Arbeit nicht so viel Raum einnimmt. Ich habe eine kleine Tochter und da muss ich schon aufpassen, dass ich die Balance zwischen Privat- und Berufsleben halte. Besonders schön finde ich es, wenn ich mal einen freien Sonntag habe. Ich spiele ja auch Theater, und wenn da Endproben sind, rückt die Arbeit schon mehr ins Zentrum.
Was sind denn die wichtigsten Prioritäten in Ihrem Leben?
Die Familie ist das Wichtigste. Dann kommt schon sehr schnell meine Arbeit am Theater und beim Film. Und meine Freundschaften.
Wann haben Sie erkannt, dass Sie Talent zur Schauspielerei haben?
Ich habe damals im Jugendclub des Schauspielhauses Bochum begonnen, Theater zu spielen. Nach dem Abi habe ich lange mit mir gehadert, ob ich mich an Schauspielschulen bewerben soll. Weil ich einfach zu viele Geschichten von gescheiterten Karrieren gehört hatte. Schlussendlich konnte ich mich aber mit keinem anderen Berufswunsch anfreunden und bin dann doch zum Vorsprechen gegangen – und wurde auch schnell in Leipzig an der Schauspielschule angenommen.
Aber was genau hat denn Ihre Leidenschaft für den Beruf angefacht?
Das geschah zu der Zeit, als Leander Haußmann Intendant am Schauspielhaus in Bochum war. Da war das Theater ein wahnsinnig flirrender Ort. Die Premieren waren immer ausverkauft, es gab dort die unglaublichsten Feiern, das alles hat mich damals elektrisiert. Dann die Zeit im Jugendclub des Theaters, die Leute dort. Das alles hat mich begeistert. Und Begeisterung braucht man auch, denn man muss da über vieles hinwegsehen: Oft hat man lange Drehtage oder Nachtdrehs, viele Proben am Theater und sonntags auch Vorstellungen.
Hatten Sie als junge Schauspielerin eigentlich einen Mentor?
Auf der Schauspielschule hatte ich den Schauspieldozenten Olaf Hilliger, der an mich geglaubt hat und der mir auch Türen öffnete. Oder auch der Theaterregisseur Frank Castorf: Nachdem ich mit ihm gearbeitet hatte, habe ich anders gespielt. Da taten sich plötzlich ganz andere Räume auf. So etwas durfte ich immer mal wieder erleben. Und solche Begegnungen braucht man.

Eine leicht ketzerische Frage: Warum begibt sich eine so leidenschaftliche und erfolgreiche Theaterschauspielerin wie Sie überhaupt in die Niederungen des Films oder gar Fernsehens?
Das sind aus meiner Sicht keine Niederungen. Es ist eine völlig andere Herausforderung, eine andere Art, zu spielen. Beim Film oder Fernsehen kann man mit einem Gedanken oder einem Blick wahnsinnig viel erzählen. Und diese Bandbreite hat mich immer interessiert und ich bin froh, in beiden Welten zu arbeiten.
Sie kommen einmal im Jahr für einen „Tatort“-Dreh ins Saarland. Was haben Sie denn für eine Beziehung zum Saarland?
Ich fühle mich dort jedes Mal extrem wohl. Ich freue mich auf die Kollegen vor und hinter der Kamera, die in vielen Positionen ja immer dieselben sind. Beim letzten Dreh war auch meine Familie mit dabei. Das Saarland ist ein Stück weit meine zweite, kleine Heimat geworden. Die Landschaft ist schön, und die Menschen sind total freundlich. Ich mag auch, dass man die Nähe zu Frankreich spürt. Da sitzen die Leute zu Mittag mit einem Glas Wein am Tisch. Das gefällt mir (lacht).
Könnten Sie ein paar Tipps geben? Zum Beispiel wo man im Saarland gut essen kann?
Ich gehe sehr gerne in dieses kleine japanische Restaurant „Hashimoto“, das in einer Seitenstraße neben dem Sankt Johanner Markt in Saarbrücken liegt. Da isst man wirklich wahnsinnig gut. Und manchmal esse ich im „Gasthaus Zahm“ direkt daneben.
Wenn Sie sich für ein neues Projekt entscheiden, welche Kriterien sind Ihnen da am wichtigsten?
Die Rolle muss spannend sein. Ich liebe komplexe Rollen. Dann achte ich auch immer darauf, welche Kollegen noch mitspielen. Und natürlich ist die Regie auch sehr wichtig.
Seit diesem Jahr sind sie ein festes Ensemblemitglied des Burgtheaters in Wien. Ist die Burg so etwas wie der Olymp für einen Schauspieler?
Das Burgtheater ist natürlich ein ganz besonderer Ort und eine prestigereiche Station für einen Schauspieler. Aber es ist auch einfach ein Theater, wo Menschen einfach arbeiten und künstlerisch auf der Suche sind. Ich habe dort sehr feine Kollegen. Der große Unterschied ist vielleicht, dass hier Menschen mit einer so großen Leidenschaft dabei sind und zwar in allen Abteilungen. Hier geben alle immer ihr Bestes. Das alles macht es mir leicht, anzukommen. Wie die Stadt auch. Ich mag Wien sehr gern. Es ist eine wunderschöne, aufregende Stadt.
Welche Rolle spielen Sie denn aktuell im Burgtheater in dem Rainald-Goetz-Stück „Johann Holtrop“?
Ich spiele den ehemaligen Firmenchef Thewe, der von Johann Holtrop entlassen wird, der ein schweres Alkoholproblem hat und schlussendlich Suizid begeht. Eine Figur, die sehr weit von mir als Privatperson entfernt ist. Umso größer war der Reiz für mich, so einen Alkoholiker und Machtmenschen zu verkörpern. (lacht) Und ich sterbe jeden Abend auf der Bühne.
Was lesen Sie lieber: anspruchsvolle Literatur, wie zum Beispiel „Irre“ von Rainald Goetz, oder Krimis?
Auf jeden Fall „Irre“ von Rainald Goetz. Und gerade habe ich mir das neue Buch von Miranda July, „Auf allen vieren“, gekauft. Ich lese sehr gerne, aber eigentlich keine Krimis. Ich schaue mir auch selten Krimis im Fernsehen an. Ich frage mich, woher diese große Begeisterung der Deutschen für Mord und Totschlag im Fernsehen kommt. Ich glaube, 70 Prozent von all dem, was im deutschen TV gesendet wird, sind Krimis.
Wie kombinieren Sie eigentlich Ihren künstlerischen Beruf mit den Anforderungen des Alltags?
Es ist immer wieder ein Spagat. Natürlich klaffen da verschiedene Welten auseinander. Und gerade mit einem kleinen Kind ist es noch schwieriger. Wenn man abends eine Vorstellung hatte, wird man trotzdem am nächsten Morgen um halb sechs geweckt. Das ist nun mal so. Die Schauspielerei ist eben kein Bürojob. Aber den hätte ich mir ja auch nicht ausgesucht.

Haben Sie als Schauspielerin Vorbilder?
Cate Blanchett ist eine wundervolle Schauspielerin. Sie ist unglaublich wandelbar. Im Film „Manifesto“ spielt sie 13 verschiedene Rollen. Es gelingt ihr auch immer wieder, eine echte Nahbarkeit zu erzeugen. Das finde ich schon großartig. Ich mag auch Isabelle Huppert sehr. Ach, da gibt es einige …
Wie verbringen Sie denn am liebsten Ihre Freizeit?
Ich gehe gerne ins Museum. Vor kurzem habe ich mir im Kunsthistorischen Museum die neue Rembrandt-Ausstellung angesehen. Die kann ich wirklich sehr empfehlen. Ich gehe wahnsinnig gerne spazieren, um den Kopf nach Proben wieder frei zu kriegen. Und ich habe eine enge Beziehung zu meinen Freundinnen. Das gibt mir auch viel Kraft.
Beschreiben Sie sich bitte mit vier Worten.
Das ist schwer … Ich würde sagen, ich bin offen. Und ich bemühe mich auch, genau zu sein, vor allem in der Arbeit. Und ich bin, glaube ich, eine gute Freundin.