Halle Berry ist in dem dystopischen Mystery-Thriller „Never Let Go“ zu sehen. Ohne Glamour-Make-up, mit wirrem Haar und in abgerissener Kleidung haust sie mit ihren beiden Kindern in einem verwunschenen Wald. Dort kämpft sie gegen Monster und Dämonen.

So düster und bedrohlich ist der Wald, dass man fast darauf wartet, gleich Hänsel und Gretel auf dem Weg zur Hexe um die Ecke biegen zu sehen. So märchenhaft und unheimlich ist die Atmosphäre. Auch die Holzhütte, in der „Momma“ (Halle Berry) mit ihren Zwillingssöhnen Samuel (Anthony B. Jenkins) und Nolan (Pery Daggs IV) lebt, sieht alles andere als einladend aus. Eher wie eine herme-tisch abgeschirmte Festung. Vor langer Zeit hat Momma hier mit ihren Kindern Zuflucht gefunden, vor einer – wie sie nicht müde wird, ihren Sprösslingen einzubläuen – bösen, extrem feindlichen, ja todbringenden Welt. Und auch hier mitten im Wald werden sie ständig bedroht von mysteriösen Geistern, Dämonen und Zombies, die nur darauf warten, sie in Untote zu verwandeln. Ihre einzige Überlebenschance besteht darin, sich bei ihren Jagdausflügen immer mit einem Seil zu umwickeln, das sie mit der Hütte verbindet. Und von dem sie sich niemals losbinden dürfen: „Never let go!“ Denn sonst würden die Unmenschen von ihren Seelen Besitz ergreifen. Und das wäre das Ende der Familie. Etwas seltsam ist allerdings, dass diese zombiehaften Kreaturen anscheinend nur von der Mutter gesehen werden. Und dann löst sich bei einem Waldgang auch noch das Seil von einem der Zwillinge …
Beklemmende Schaueratmosphäre

Der französische Regisseur Alexandre Aja hat schon in Filmen wie „Oxygen“ und „Crawl“ seine klaustrophobischen Horror-Visionen effektvoll in Szene gesetzt. Auch bei „Never Let Go“ gelingt es ihm, über weite Strecken eine beklemmend surreale Schaueratmosphäre zu kreieren. Die er bei Gelegenheit gerne durch Schock-Elemente aufpimpt. Allerdings verblasst mit der Zeit der Horror-Appeal und die Geschichte verliert zunehmend an Fahrt. Es hapert zu oft an der Logik und der psychologischen Plausibilität. Sehenswert macht diesen Märchenspuk vor allem Halle Berry.

Schon lange hat man sie nicht so unglamourös, so roh und intensiv spielen sehen. Momma ist ihre vielleicht verstörendste Rolle seit „Monster’s Ball“, für den Halle Berry 2002 den Oscar als Beste Hauptdarstellerin bekommen hat. „Ich wollte ‚Never Let Go‘ unbedingt machen, weil ich die Geschichte so frisch, so neu, so faszinierend finde“, schwärmt Halle Berry.
„Eine Rolle wie Momma zu spielen, war ein Geschenk für mich. Es hat nämlich etwas ungeheuer Befreiendes, ganz und gar in einer Figur zu verschwinden und alle meine Hemmungen über Bord zu werfen. Da war niemand am Set, der mir sagte, ‚verschmier dein Make-up nicht‘ oder ‚pass auf, dass du auch die optimale Ausleuchtung hast, damit du vor der Kamera gut aussiehst’. Diesmal galt: Je schrecklicher der Look, desto besser.“
Wer Filme wie „Bird Box“, „A Quiet Place“, „The Babadook“ und „The Village“ schätzt, wird sich auch mit „Never Let Go“ gerne gruseln. Oder greift stattdessen wieder mal zu den Märchen der Gebrüder Grimm.