Das 46. Filmfestival Max Ophüls Preis widmet Christian Petzold das diesjährige Tribute. Das Festival präsentiert drei seiner Filme mit anschließenden Publikumsgesprächen.

Nach mehr als einem Vierteljahrhundert kommt Christian Petzold zurück zum Filmfestival Max Ophüls Preis. Mitte der 1990er-Jahre war der Regisseur so etwas wie ein Dauergast, nachdem in Saarbrücken sein Langfilmdebüt „Pilotinnen“ sowie seine folgenden Werke „Cubra Libre“ und „Die Beischlafdiebin“ als Premieren liefen. Die 46. Ausgabe des Festivals würdigt den heute 64-jährigen Filmemacher mit dem Tribute. „Großartig“, sagt er und erinnert sich noch gut an den Start seiner Karriere in Saarbrücken. „Daher hat diese Ehre für mich etwas Nostalgisches.“
Christian Petzold zählt mit seinen fast 20 Werken zu den renommiertesten deutschen Filmemachern. Schon in seiner Kindheit und Jugend entdeckte er seine Leidenschaft für das Kino. Selbstverständlich war das nicht. Kaum kam Christian Petzold, geboren 1960, in das Alter, in dem junge Leute gern ins Kino gehen, schloss das Lichtspieltheater in seiner Heimatstadt Haan zwischen Wuppertal und Düsseldorf. „Darum ist Kino immer etwas Besonderes. Filme sehen und machen wird für mich nie alltäglich“, sagt er. Seinen Hunger nach Geschichten stillte er in der lokalen Bücherei. Dort las er historische Bücher ebenso wie Filmzeitschriften.
„Filme machen wird nie alltäglich“
Anfang der 1980er-Jahre zog er nach Berlin und studierte Theaterwissenschaften und Germanistik an der Freien Universität. Dem schloss er ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) an. Eine Erzählung brauche die Krise, hat Christian Petzold einmal in einem Interview gesagt. Seine Filme hatten schon damals eine gewisse Ernsthaftigkeit, die keine Besucherin und keinen Besucher emotional unberührt lässt. Diese Erzählkunst war typisch für diese Zeit an der DFFB, in der die Studierenden alltägliche Erfahrungen für die Leinwand produzierten statt spektakulärer Blockbuster. Die Fachpresse gab diesem Stil bald den Namen „Berliner Schule“. Mit „Pilotinnen“ legte Petzold seinen Abschlussfilm vor: Zwei Frauen verkaufen als Handlungsreisende rund um Leverkusen billige Kosmetik. Eine harte Arbeit ohne Romantik und am Ende eine kurze Freundschaft – typische Themen der Berliner Schule und für die weiteren Filme Christian Petzolds, der fortan seine Drehbücher allein oder mit dem Autor Harun Farocki schrieb. „Das Schreiben von Drehbüchern ist eine einsame Arbeit“, sagt er. „Sie erinnert mich immer ein bisschen an die Zeit, in der ich als Jugendlicher allein in der Haaner Bücherei gelesen habe.“
Seinen puristischen Stil hat der heute 64-Jährige weiterentwickelt. Geschichten aus Deutschland sind es oft – und zwar aus beiden deutschen Staaten und mit all ihren Konflikten. Sein Kinodebüt war im Jahr 2000 „Die innere Sicherheit“. Ein im Untergrund lebendes Paar hadert mit seiner linksterroristischen Vergangenheit und einer Tochter, die sich ihrer isolierten Existenz entzieht.
Für seinen nächsten Film engagierte Petzold Nina Hoss. Fünf Filme haben die beiden miteinander gemacht, alle wurden von der Presse im In- und Ausland hochgelobt. In „Yella“ (2007) sucht eine aus der ostdeutschen Provinz stammende junge Frau einen Neuanfang in der Welt der Risikokapital-Verhandlungen. „Jerichow“ (2008) erzählt von Laura, die mit einem Afghanistan-Rückkehrer eine Affäre beginnt. „Barbara“ (2012) ist die Geschichte einer Ärztin, die aus der DDR ausreisen möchte und nach ihrem Antrag in ein Provinzkrankenhaus versetzt wird. Die deutsche Vergangenheit ist auch in „Phoenix“ (2014) das Thema: Eine Überlebende eines Konzentrationslagers trifft nach einer Gesichtsoperation auf ihren Mann. Er erkennt sie nicht und die Frau ahnt, dass er sie einst verraten hat.
„Drehbuchschreiben, eine einsame Arbeit“
Nach diesen Filmen machte Christian Petzold eine Pause von Kinogeschichten um die deutsche Historie und drehte drei „Polizeiruf 110“-Episoden für die ARD. Die Drehbücher für den TV-Klassiker schrieb er wie üblich selbst und machte aus Hanns von Meuffels eine typische Petzold’sche Figur: ein Kommissar in einer beruflichen und privaten Krise mit offenem Ende. Wie es weitergeht mit Hanns von Meuffels, wird voraussichtlich kommendes Jahr zu sehen sein. „Ich schreibe zurzeit an meinem vierten Polizeiruf“, verrät Petzold.

Trotz dieser Ausflüge ins Fernsehen bleibt das Kino der Mittelpunkt des Filmemachers. Im Jahr 2018 brachte er seinen Film „Transit“ heraus. Ein Mann flieht vor Nazi-Faschisten von Paris nach Marseille, um mit dem Visum eines verstorbenen Schriftstellers das Land zu verlassen. Marie, die Frau des Toten, weiß nichts vom Schicksal ihres Mannes. Die literarische Vorlage zu „Transit“ spielt in den 1940er-Jahren, für seinen Film veränderte Petzold die Zeitebene. „Ich war in Berlin und betrachtete die Stolpersteine, die in die Straße eingelassen sind und an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern“, sagt er. Diese in die Gegenwart eingebaute Erinnerung an die Vergangenheit habe ihn auf die Idee gebracht, die Handlung von „Transit“ ins Frankreich von 2018 zu verlegen. Die Vergangenheit befindet sich auf diese Weise im gleichen Raum wie die Gegenwart, sagt der Filmemacher, der heute das Erstarken rechter Kräfte ebenso wie eine Migrationspolitik an der Grenze zum Rassismus mit Sorge beobachtet.
Paula Beer spielt in „Transit“ die Hauptrolle und Petzold besetzte sie auch für die Titelfigur in dem Drama „Undine“ (2020). Mit der Geschichte einer in Berlin lebenden Wassernymphe, die sich nach einem Verbrechen ihrer Bestimmung widersetzt, rückt Petzold weiter ab von der schweren deutschen Vergangenheit. Auch „Roter Himmel“ (2023) ist ein reiner Gegenwartsfilm, in dem sich eine Gruppe von Menschen an der Ostsee trifft und von einem Feuer bedroht wird. Aktuell arbeitet Christian Petzold an „Miroirs No. 03“. Paula Beer überlebt als Klavierstudentin Emily einen Autounfall und wird von einer fremden Familie aufgenommen. Petzold verrät, der Film verknüpfe psychologischen Grusel mit dem, was einen Petzold-Film ausmacht: die Krise. „Sie steckt in der Familie, die ein Geheimnis verbirgt.“ Start von „Miroirs No. 03“ soll im Oktober 2025 sein.