Drei Fragen
„Wir brauchen eine Silvester-Wende“
In den vergangenen zehn Jahren sieht der Chef der Gewerkschaft der Polizei in Berlin, Stephan Weh, eine stetige Eskalation der Feuerwerksgewalt, die man mit den bisherigen Maßnahmen nicht in den Griff bekomme.
Herr Weh, innerhalb weniger Tage haben mehr als zwei Millionen Menschen Ihre Forderung nach einem Feuerwerksverbot
unterschrieben, ist das für Sie eine gewisse Genugtuung?
Nein, ganz und gar nicht, sondern es ist traurig, dass es überhaupt so weit kommen musste. Bundesweit fünf Tote, Hunderte zum Teil schwer Verletzte und unbewohnbare Wohnungen, nicht nur durch Kugelbomben. Es reicht schon, wenn eine freiverkäufliche Rakete in die Wohnung geschossen wird und diese anschließend ausbrennt. Dazu werden nicht nur wir Sicherheits- oder Rettungskräfte angegriffen, sondern völlig unbeteiligte Passanten. Zwei Millionen Menschen haben klar bekundet, sie haben davon endgültig die Nase voll, sie wollen friedlich ins neue Jahr feiern.
Bundeskanzler Scholz oder Innenministerin Faeser lehnen ein Verbot ab, zu viele Menschen würden in ihrer Feier-Freiheit beschränkt. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Nein, absolut nicht, es wird nämlich vergessen, dass sich Tausende Menschen an Silvester spätestens ab 16 Uhr nicht mehr auf die Straße trauen. Was ist denn mit deren Recht auf die Freiheit? Dann darf man nicht vergessen: In den letzten 10 Jahren haben wir nicht nur in Berlin eine stetige Eskalation der Feuerwerksgewalt, die wir mit den bisherigen Maßnahmen nicht mehr in den Griff kriegen. Mittlerweile ist es normal, dass mit Raketen und Pyro-Pistolen gezielt in Menschenmengen geschossen wird.
Aber in vielen Städten wurden doch Böllerverbotszonen eingerichtet, in denen privates Feuerwerk verboten war — wie erfolgreich war das?
Allein hier in Berlin gab es drei Feuerwerksverbotszonen. Wir als Polizei haben mehr als 4.000 Kräfte auf die Straße gebracht und konnten das Böllerverbot dort durchsetzen. Doch damit haben wir das Problem nur verlagert. Die Kugelbombe in Schöneberg zum Beispiel ist wenige Hundert Meter von der Feuerwerksverbotszone explodiert und hat 36 Wohnungen unbewohnbar gemacht. Darum brauchen wir eine Sylvester-Wende. Aber ich befürchte, dass uns da auch die zwei Millionen Unterschriften für ein Feuerwerksverbot nicht helfen werden. Die Debatte wird erneut versacken und dann ist plötzlich wieder Silvester und alles geht von vorn los. Interview: Sven Bargel

Scharfe Kritik vom eigenen Aufsichtsratschef
Bislang haben sich die Bahnchefs mit ihrer Kritik am eigenen Unternehmen weitgehend zurückgehalten und immer versucht, Verspätungen, Ausfälle und die ständigen Störungen des Zugverkehrs moderat zu erklären. Damit ist nun Schluss. „Die Bahn hat Probleme, und sie muss besser werden. Die Infrastruktur ist zu alt, zu voll und zu störanfällig“, so Werner Gatzer (SPD), der Aufsichtsratschef der Bahn und damit der mächtigste Kontrolleur des Staatskonzerns. Gatzer war vor seinem Job bei der Bahn 18 Jahre lang Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und damit indirekt am Sparkurs für die Bahn beteiligt. Nun die späte Erkenntnis: „Wir haben Bahn und Bundeswehr viel zu lange, viel zu stiefmütterlich behandelt. Da habe auch ich Fehler gemacht.“ Doch jetzt will Gatzer es besser machen. „Wir haben nicht mehr viele Chancen und hinken hinter den eigenen Zielen her“, mahnte der 66-Jährige. „Es muss jetzt klappen: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Infrastruktur und auch bei der Wirtschaftlichkeit.“
CDU und CSU uneinig über E-Auto-Prämie
Trotz aller Beteuerungen, dass zwischen den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz und CSU-Chef Söder kein Blatt Papier mehr passt: Ganz so weit her scheint die große Einigkeit zwischen den Schwesterparteien nicht zu sein. CDU-Chef Friedrich Merz lehnt die Neuauflage einer Prämie für E-Autos kategorisch ab. „Subventionen und Prämien sind grundsätzlich keine gute Lösung in unserer Wirtschaftsordnung. Sie können im Ausnahmefall gerechtfertigt sein. Aber dann muss das auch ein Ausnahmefall bleiben“. Die CSU fordert aber eine E-Auto-Prämie in ihrem „Bayernplan“. Darin steht auch die Forderung nach einer Ausweitung der Mütterrente, was bei der CDU ebenfalls auf wenig Gegenliebe stößt. Der gemeinsame Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz gibt sich diplomatisch: „Das ist eine Forderung der CSU, die wir respektieren.“
Maul- und Klauenseuche
Nach dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche am östlichen Rand Berlins in Brandenburg auf einer Wasserbüffelfarm mussten bis Mitte Januar mehr als 500 Tiere vorsorglich getötet werden. Es ist der erste Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) seit mehr als 30 Jahren. Einen letzten Fall gab es Ende der Achtzigerjahre in Niedersachsen. Vermutet wird, dass die MKS durch Wildschweine aus Polen eingeschleppt wurde, beweisen lässt sich dies allerdings nur schwer.
Die Krankheit endet für Tiere immer tödlich, für Menschen ist sie allerdings völlig ungefährlich. Vorbeugend wurden in Berlin der Zoo und der Tierpark auf unbestimmte Zeit geschlossen. Besonders hart trifft es die weltgrößte Landwirtschaftsmesse Grüne Woche unter dem Berliner Funkturm. Alle Paarhufer – Rinder, Schweine, Schafe oder Ziegen – dürfen nicht gezeigt werden.
Die bisherigen Schutzmaßnahmen, also zum Beispiel Sperrung der Höfe und ganzer Landkreise, wird vermutlich bis zum Frühjahr andauern. Schon jetzt sind die deutschen Fleischexporte von Vorsorgemaßnahmen der Importländer betroffen.
Luxemburg gegen Trump-Forderung
Luxemburg hat wie andere europäische Partner der Trump-Forderung nach massiven Erhöhungen von Verteidigungsausgaben eine Absage erteilt.
„Was wir brauchen, sind militärische Fähigkeiten, keine abstrakten Prozentsätze“, betont Verteidigungsministerin Yuriko Backes. Investitionen müssten sich am militärischen Bedarf orientieren und dürften nicht zum Selbstzweck werden. Außerdem könnten nicht einzelne Staaten entscheiden, was andere ausgeben sollen. Darüber würden die 32 Nato-Mitgliedsstaaten gemeinsam entscheiden. Yuriko Backes betont, dass auch Luxemburg am Zwei-Prozent-Ziel festhalten wolle. Dazu muss das vergleichsweise reiche Luxemburg aber noch nachlegen. Luxemburg gehört nach Medienangaben mit 1,3 Prozent (vom Bruttoinlandsprodukt) zu den neun Nato-Staaten, die das Ziel noch nicht erreicht haben. Spitzenreiter ist Polen, das mit über 4,1 Prozent noch weit vor den USA liegen, die selbst mit knapp 3,4 Prozent auch weit unter dem liegen, was Trump von den Europäern fordert.
56 Parteien zur Wahl zugelassen

Dass diese vorgezogenen Bundestagswahlen etwas Besonderes sind, zeigt allein der Umstand, dass erst genau 40 Tage vor dem Wahltermin klar war, welche Parteien überhaupt antreten dürfen. Ein Novum in der bundesdeutschen Wahlgeschichte. 56 Parteien sind nun zur Bundestagswahl zugelassen, darunter auch kuriose wie die „Döner Partei“ oder die „Guten“. Dadurch, dass erst fünf Wochen vor dem Termin klar war, wer antreten darf, konnten auch die Wahlunterlagen erst so spät wie nie in den Druck gehen. Das hat Folgen für die Briefwahl, denn auch diese Unterlagen liegen so spät wie noch nie vor. Darum empfehlen bundesweit alle Landeswahlleiter, ausnahmsweise doch lieber am 23. Februar im Wahllokal direkt die Stimme abzugeben und auf die Briefwahl zu verzichten, wenn es denn geht. In Sachsen beispielsweise wird das kritisch, denn dort sind Winterferien und eine nicht unerhebliche Zahl der Wahlberechtigten wird wohl im Urlaub sein.

Wirtschaft
Landwirte in Not
Die deutsche Landwirtschaft sieht sich zum Jahresstart einer schwierigen Geschäftslage gegenüber. „Der Motor stottert weiter, das ist leider so“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied kurz vor dem Start der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin. „Bei Getreide ist das Stottern sogar stärker geworden, denn die Perspektiven auf den Märkten sind eher düster.“ Bei der Schweinehaltung, die zuletzt als einziger Bereich ein ordentliches Ergebnis erzielt habe, zeigten sich rückläufige Preise. „Daher müssen wir dort auch mit rückläufigen Ergebnissen rechnen.“ Arbeitsintensive Kulturen wie Spargel, Erdbeeren oder Wein würden durch die Erhöhung des Mindestlohns zusätzlich belastet. „Der einzige Lichtblick ist im Moment der Milchsektor.“ Zur Lage auf den Feldern sagte Rukwied: „Die Kulturen stehen im Moment ordentlich da, was Weizen, Gerste oder Raps betrifft.“ Niederschläge im Herbst und auch jetzt im Winter hätten die Wasservorräte im Boden aufgefüllt. „Insofern haben wir ordentliche Startbedingungen. Aber bis zur Ernte im Juli kann noch vieles geschehen.“
Bildung
KI an Schulen gefordert

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist für markige Worte bekannt. Nun fordert der streitbare Grüne eine wahre „KI-Revolution“ an den deutschen Schulen; im Zeichen der digitalen Umwälzungen müssten alle Schulfächer überprüft werden, inwieweit sie unsere Kinder fit machen, damit sie sich in ihrer zukünftigen Welt zurechtfinden. Aus Kretschmanns Sicht ist etwa der Geografie-Unterricht völlig überholt: „Früher war es sehr wichtig, Kartenlesen zu lernen. Sonst konnte man sich nämlich nicht zurechtfinden, wenn man irgendwo hinwollte. Das ist heute nicht mehr in diesem Maße nötig. Wir haben Navigationssysteme, jeder hat ein Handy und kann über GPS navigieren“, so Baden-Württembergs Ministerpräsident. Zudem will Kretschmann auch die Lehrer durch den Einsatz von KI-basierten Tutoren-Tools auf dem Handy auf die neue Zeit vorbereiten. Damit könnten dann zum Beispiel Klassenarbeiten korrigiert werden, das würde den Lehrern viel Zeit sparen, die sie sinnvoll für die Betreuung der Schüler verwenden könnten.

Greenwashing mit Einweg-Plastiktüten
Immer mehr Supermärkte verlangen für Einweg-Plastiktüten für Obst und Gemüse Geld. So fordert seit dem 1. Januar auch Kaufland einen Cent für die Klarsichttüte. Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist dies ein dreistes Greenwashing. Der Lebensmitteleinzelhändler begründet den Aufpreis damit, die Kunden für einen bewussteren Verbrauch von Einweg-Plastik zu sensibilisieren. Für die DUH ist der Tüten-Cent jedoch wirkungslos für die Umwelt. „In Deutschland werden pro Jahr insgesamt 2,4 Milliarden dünne Einweg-Plastiktüten verbraucht. Ein Cent pro Tüte wird daran nichts ändern. Ein Lenkungseffekt hin zu einem geringeren Verbrauch ist bei einem so niedrigen Betrag nicht zu erwarten“, so Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH. „Damit tatsächlich weniger von den dünnen Tütchen verbraucht werden, sollten sie mindestens 20 Cent kosten“. Doch Barbara Metz bleibt zuversichtlich: Ab dem 1. Januar 2030 werden die dünnen Einweg-Plastiktüten für Obst und Gemüse europaweit ohnehin verboten.
Wiegand will’s wissen
Blickpunkt Europa
Nun geht’s los – die Trump-Ära kommt! Die einen fürchten sich. Die anderen freuen sich. Kalt lässt der Meister aller Populisten niemanden.
Die Welt starrte schon aufs Weiße Haus, bevor sich der neue Hausherr dort eingerichtet hatte. Auch Europa fragte sich: Was wird nun kommen? Das Problem ist: So richtig weiß bis heute keiner, was der 78-jährige Nachfolger des 82-jährigen bisherigen Amtsinhabers Joe Biden mit uns vorhat.
Zunächst einmal sorgte schon Trumps Ankündigungs-Tsunami für Erstaunen, Hektik und Nachdenken. Grönland kaufen, Kanada angliedern, Panamakanal besetzen. Quasi im Tagestakt ließ Trump die Erregungswellen vom anderen Ufer des Großen Teiches heranschwappen.
Die transatlantischen Strudel treffen auf einen bröseligen Kontinent. Der EU-Zustand ist derzeit beklagenswert. Die wichtigsten Staaten Deutschland und Frankreich ringen um stabile Regierungen. Um die lahmen Enten gruppieren sich Nationen, die sich streiten oder sogar blockieren. Wien ist von Warschau politisch so weit entfernt, wie Kalkutta vom Nordpol.
Ist es denn ein Wunder, dass die EU so ein schön buntes Einfallstor für selbsternannte Weltpolitiker ist? Der eigennützige US-Oligarch Elon Musk nutzt seine monetäre Macht für grenzenlose mediale Globalisierung, spuckt Gift und Galle, bietet Radikalen wirksame Plattformen.
Wir erleben einen Generalangriff auf unsere Demokratien. Trump und Musk sind nur die Schaumkrone der Riesenwelle. Und unsere Lenker? Die wirken oft klein oder ducken sich weg. Europa braucht Entschlossenheit. Sonst wird es nichts mit Verteidigung unseres freien Lebensstils und abendländischer Werte!
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.