Steffen Baumgart und László Bénes haben beim Hamburger SV gut zusammengearbeitet. Bei Union Berlin könnten der neue Trainer und der glücklose Neuzugang wieder voneinander profitieren – doch ein Selbstläufer wird das nicht.
Das mit der Marktwert-Berechnung ist so eine Sache. Natürlich hat niemand eine offizielle Lizenz, den Wert von Fußballern zu berechnen. Und dennoch sind in der Öffentlichkeit immer spezifische Summen im Umlauf, in Transferperioden wie jetzt im Winter erst recht. Diese haben nicht selten mit den am Ende tatsächlich gezahlten Ablösesummen wenig zu tun, dennoch dienen sie vor allem für Fans als Richtwerte. Und auch wenn es die Spieler, deren Berater und die Clubbosse kaum zugeben würden: Auch sie schauen darauf. Vor allem auf die regelmäßig stattfindenden Auf- und Abwertungen. Seine jüngste Marktwert-Anpassung dürfte László Bénes überhaupt nicht gefallen haben. Obwohl er im Sommer persönlich den Schritt von der Zweiten Liga in die Bundesliga geschafft hat, verlor der Mittelfeldspieler laut des Portals „transfermarkt.de“ eine Million Euro an Marktwert. Die bittere Wahrheit hinter dieser Spielerei lautet: Der Wechsel vom Hamburger SV zu Union Berlin hat sich für ihn bislang nicht bezahlt gemacht.
„Hätte ihn damals gern behalten“
Doch es gibt Hoffnung für Bénes – und die kommt in Gestalt eines alten Bekannten daher. Mit dem neuen Union-Trainer Steffen Baumgart arbeitete der slowakische Nationalspieler vor nicht allzu langer Zeit erfolgreich beim HSV zusammen, beide schätzen sich sehr. Es ist kein Geheimnis, dass Baumgart – als er noch Hamburgs Trainer war – Bénes unbedingt halten und ihm einen Wechsel ausreden wollte. „Ich hätte ihn damals gerne in Hamburg behalten. Ich habe ihm im Sommer gesagt, dass der Weg hierher nicht der richtige ist“, sagte Baumgart. Doch eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag und teils herausragende Leistungen in der Zweiten Liga hatten den 25-Jährigen für viele Erstligisten interessant gemacht. Am Ende erhielt Union den Zuschlag. „Jetzt würde ich ihm zustimmen und sagen, dass es der richtige Weg ist“, scherzte der neue Union-Coach.
Dass sich bei den Eisernen die Wege von Bénes und Baumgart wieder kreuzen, könnte für beide ein Gewinn sein. Unter dem Trainer war der Spielmacher in Hamburg unumstrittener Stammspieler, der im Mittelfeld den Rhythmus vorgab und fast alle Standards treten durfte. Kein Wunder, dass selbst Experten im vergangenen Sommer meinten, der Slowake sei Unions „Königstransfer“ und werde das oft uninspiriert wirkende Offensivspiel der Berliner mit Esprit veredeln. Doch es kam ganz anders.
Nach einem Super-Start als Joker, als er beim FSV Mainz 05 mit dem Ausgleichstor seinem neuen Verein immerhin einen Punkt rettete, lief es überhaupt nicht mehr rund. Nur einmal stand Bénes unter Ex-Trainer Bo Svensson in der Startelf, der Däne schätzte andere zentrale Mittelfeldspieler als stärker ein. Zumal Bénes’ Lieblingsposition auf der Zehn in Svenssons System nicht vorkam. „Bei Union spielen wir etwas anders. Beim HSV hatten wir sehr viel Ballbesitz“, sagte der Techniker, der seine Stärken klar mit dem Ball am Fuß hat. Die Arbeit gegen den Ball machen andere besser – und das wurde ihm unter Defensiv-Verfechter Svensson zum Verhängnis.

Bénes mutierte zum Dauer-Joker – nur, dass Impulse von ihm als Einwechselspieler wie in Mainz weitestgehend ausblieben. Bei Baumgarts Debüt im Testspiel gegen Holstein Kiel bewies Bénes, was für ein feiner Fußballer er ist. Er wirkte wieder deutlich motivierter und zielstrebiger. Der kreative Spielmacher gefiel mit cleveren Seitenverlagerungen, sicherem Passspiel und der Vorarbeit zum Tor von Yorbe Vertessen. Sollten die vergangenen schweren Monate unter Svensson sein Selbstvertrauen irgendwie angeknackst haben, war davon im ersten Spiel unter Baumgart nichts zu sehen. „Ich freue mich, mit ihm zu arbeiten“, sagte Baumgart. „Er ist ein sehr guter Fußballer.“ Und die braucht der Trainer unbedingt, um die Trendwende bei Union einzuleiten. Baumgart und Bénes können sich also gegenseitig helfen – aber wie gut wird „B&B“ in Köpenick laufen?
Viel hängt auch davon ab, ob Baumgart bereit ist, für den Slowaken die Grundformation zu ändern. Bei einem 4-4-2-System mit zwei tiefer stehenden Sechsern dürfte Bénes nicht über die Rolle des Einwechselspielers hinauskommen. Installiert Baumgart aber eine Mittelfeldraute, wäre Bénes wohl der erste Anwärter für die von ihm so geliebte Zehner-Position. Auch bei einem 4-2-3-1 wäre Platz für einen offensiven Mittelfeldspieler.
Nicht nur Bénes, auch andere Spieler wollen nun davon profitieren, dass unter Baumgart die Karten neu gemischt werden. Der unter Svensson komplett unberücksichtigte Andrej Ilic spürt plötzlich vom neuen Trainerteam Rückendeckung – und damit auch Rückenwind. Sein starker Auftritt beim Testspiel in Kiel freute Geburtstagskind Baumgart, der Mittelstürmer war stets anspielbar, behauptete die Bälle geschickt und überzeugte auch im Pressing. Außerdem spricht auch für Ilic, dass Baumgarts bevorzugtes Spielsystem sehr flankenlastig ist, und im Kopfball ist der Angreifer aus Serbien besonders stark. Beim ersten Bundesligaspiel unter Baumgart in Heidenheim wurde Ilic nach einer Stunde für Jordan eingewechselt, die 0:2-Niederlage konnte auch er nicht verhindern. Bénes fehlte wegen einer Magenverstimmung.
Urteil im Feuerzeug-Eklat
Baumgart war nach seinem verpatzten Einstand aber keineswegs sauer auf die Spieler. „Meine Jungs haben viel davon gemacht, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagte der Coach. Doch auch er wusste, dass die Pleite nach der Winterpause ein herber Stimmungsdämpfer war. Gegen den FSV Mainz 05 am Sonntag (19. Januar) müssen Punkte her – unabhängig vom Ergebnis im Heimspiel gegen den FC Augsburg vier Tage zuvor. Baumgart forderte vor allem eine größere Konzentration: „In der Bundesliga werden Fehler knallhart bestraft, gerade, wenn du die Dinger vorne nicht machst.“ Seine Rückkehr in die Bundesliga genoss Baumgart dennoch. „Bundesliga machen zu dürfen, ist einfach immer schön. Ich habe Spaß, arbeite gerne mit den Jungs“, sagte er. „Ich versuche, alle Sachen am Rand zu genießen und hoffe, dass es eine sehr lange Zeit hier jetzt wird.“
Getrübt wurde die Stimmung bei Union Berlin aber auch durch das Urteil im Feuerzeug-Eklat. Das DFB-Sportgericht hatte das Spiel der Berliner gegen den VfL Bochum, das am 14. Dezember 1:1 endete, mit 2:0 für den Abstiegskonkurrenten gewertet. Der Grund: Bochums Torwart Patrick Drewes war mit einem Feuerzeug am Kopf getroffen worden und konnte nicht weiterspielen. Das Spiel war kurz vor dem Ende wegen des Vorfalls unterbrochen worden. Union will dieses Urteil nicht akzeptieren und kündigte Einspruch vor dem DFB-Bundesgericht an. Und nicht nur das: Unions Club-Präsident Dirk Zingler sprach von einem „Skandal“ und reagierte mit scharfer Kritik an DFB-Chefankläger Anton Nachreiner vom DFB-Kontrollausschuss. „Er wollte ein Urteil erzwingen, um die Gewalt auf den Rängen zu bekämpfen. Dann wird auch gerne mal ein Schiedsrichter geopfert.“ Auch die Bochumer Verantwortlichen bekamen ihr Fett weg. „Dass Bochum den Vorgang nutzt, um sich sportlich einen Vorteil zu verschaffen, das finde ich einen unfairen Skandal“, wetterte Zingler. „Da soll sich Bochum an die Nase fassen. Da haben sie nicht fair gespielt.“