Als vielseitiger Charakterdarsteller schaffte es Paul Newman zu einer steilen Hollywood-Karriere, die fünf Jahrzehnte dauerte. Nicht weniger bemerkenswert war allerdings auch sein politisches und philanthropisches Engagement. In diesen Tage wäre er 100 Jahre alt geworden.

Als Hollywood 1953 auf den schauspielerischen Newcomer Paul Newman aufmerksam wurde, hatte der damals 27-Jährige gerade erst seine Laufbahn mit finanziell wenig lukrativen und öffentlich kaum wahrgenommenen Jobs als Fernseh-Komparse oder Broadway-Zweitbesetzung begonnen. Daher war es schon ziemlich überraschend, dass sich der von seinem engsten Freundeskreis als scheue Persönlichkeit charakterisierte Newman für sein erstes großes Broadway-Engagement in dem von William Inge verfassten Theaterstück „Picknick“ gleich für die Hauptrolle beworben hatte. Das lehnte der verantwortliche Regisseur mit Hinweis auf die aus seiner Sicht nicht ausreichende Körpergröße Newmans von 1,78 Metern allerdings ab.
Aber auch in der tragenden Rolle des Alan Seymour stach Newman seine Kollegen bei dem mit 477 Aufführungen erfolgreichsten Stück der Saison darstellerisch aus und war zudem wegen seines ungewöhnlich attraktiven Aussehens der Eyecatcher auf der Bühne. Dieser Schönling mit den leuchtend meerblauen Augen, den dunkelblonden Haaren, der athletischen Figur und der charismatischen Ausstrahlung musste einfach den Agenten der Traumfabrik auffallen. Zudem profitierte Newman schon damals davon, dass er deutlich jünger wirkte; vom Image der scheinbar ewigen Jugend zehrte er bis weit in die 1970er-Jahre.

Auch die Ausbildung in der von Lee Strasberg geleiteten New Yorker Schauspielwerkstatt „The Actors Studio“ kam Newman zugute. Dieses galt damals als die wichtigste Kaderschmiede für ambitionierte Schauspiel-Talente dank seiner die Filmkunst revolutionierenden Lehre des sogenannten Method Acting. Diese Art des Spiels sorgte für ein möglichst perfektes Verschmelzen des Schauspielers mit seiner Rolle.
1958 Durchbruch in Hollywood
Marlon Brando gilt dank der Komplexität und des Einfallsreichtums seines emotionalen Ausdrucks als Pionier dieser damals neuen Darstellungskunst. Er hatte im „Actors Studio“ gelernt, wie aufstrebendes Rebellentum und männlicher Schmerz gleichzeitig auf der Leinwand verkörpert werden konnten. In Brandos Fußstapfen war James Dean getreten. Mit diesen beiden schon etablierten Kollegen musste Newman anfangs in Hollywood den Wettstreit um die begehrtesten Rollen aufnehmen. Wobei es ihm nach und nach gelang, vor der Kamera ganz eigene Männerbilder zu erschaffen, bei denen, so die „Welt“, „Verletzlichkeit, elegante List und Lakonie an die Stelle von roher Gewalt traten“. Gegen Dean zog er bei „Jenseits von Eden“ (1955) den Kürzeren, beim Casting für „Die Faust im Nacken“ (1954) musste er sich Brando geschlagen geben, mit dem er anfangs häufig in der Öffentlichkeit verwechselt wurde.

Newmans ersten beiden Hollywood-Filme „Der silberne Kelch“ (1954) und das Kriegsdrama „Anklage: Hochverrat“ (1956) floppten an den Kinokassen, wobei er sich für die Rolle eines griechischen Sklaven in seinem Debüt-Streifen so sehr geschämt hatte, dass er das Publikum in Zeitungsanzeigen um Entschuldigung bat. Doch schon mit der Rolle des Boxers Rocky Graziano in „Die Hölle ist in mir“ gelang ihm 1956 die Rehabilitierung. Mit der Hauptrolle in dem für sechs Oscars nominierten Kassenschlager „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Tennessee Williams schaffte er 1958 den Durchbruch in Hollywood. In seiner knapp 50 Jahre dauernden Schauspieler-Laufbahn brachte er es auf mehr als 50 Kinofilme, zählt man sein Mitwirken bei TV-Produktionen hinzu, erhöht sich die Zahl seiner Auftritte vor der Kamera auf mehr als 80.
Als fulminanter Charakterdarsteller war er in vielen Genres zuhause, wobei er eine Vorliebe, so die „Welt“, für „die sympathischen Antihelden, die zornigen Verlierer seiner frühen Filmerfolge und die unkonventionellen Schlaufüchse im Alter“ pflegte. Er konnte auf der Leinwand den rebellischen Strafgefangenen wie in „Der Unbeugsame“ (1967) ebenso eindrucksvoll verkörpern wie den lässigen Westernhelden, den alkoholkranken Anwalt in „The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ (1982) oder einen verbitterten Mafiaboss im Thriller „Road to Perdition“ (2002), seiner letzten Kino-Arbeit.

In seiner Glanzzeit in den 1960er- und 1970er-Jahren stieg er neben Steve McQueen und seinem Freund Robert Redford zur viel bewunderten Ikone von Hollywood auf. In dieser Ära entstanden Klassiker wie das Westerndrama „Der Wildeste unter Tausend“ (1963), mit dem Newman in seiner Rolle als Cowboy Hud Bannon laut der „Süddeutschen Zeitung“ endgültig den Status eines Superstars errungen hatte, die Westernkomödie „Zwei Banditen“ (1969), die Gangsterkomödie „Der Clou“ (1973) und der Edelwestern „Buffalo Bill und die Indianer“ (1976). Insgesamt zehn Mal war er für den Oscar nominiert. Er konnte den Goldjungen aber neben dem Ehren-Oscar nur einmal als bester Hauptdarsteller für die Rolle eines in die Jahre gekommenen Profi-Billardspielers in Martin Scorceses Filmdrama „Die Farbe des Geldes“ (1986) einheimsen. Was Newman, dem zeitlebens jegliche Star-Allüren abgingen, bei der Preisverleihung mit einer für ihn typischen Mischung aus Zufriedenheit und Ironie kommentierte: „Es ist, als würde man eine schöne Frau 80 Jahre lang verfolgen. Wenn sie endlich nachgibt, muss man gestehen, dass man müde ist. Ich hoffe, ich verdanke diese Ehre nicht nur dem Seniorenbonus.“
Erfolgreiche Lebensmittelfirma
Daneben war er gelegentlich auch als Filmproduzent mit seiner 1969 gegründeten First Artist Production Company tätig, führte zwischen 1968 und 1987 bei sechs Kinostreifen von „Die Liebe eines Sommers“ bis zu „Glasmenagerie“ Regie und übernahm zwischen 1982 und 1994 die Präsidentschaft des New Yorker „Actors Studio“. Seine späte Leidenschaft für den Automobil-Rennsport wurde durch sein Mitwirken beim Streifen „Indianapolis – Wagnis auf Leben und Tod“ (1969) geweckt. Er gründete eigene Rennställe, beispielsweise das Team Newman/Haas Racing, nahm selbst im Cockpit von Tourenwagen Platz und konnte dabei auch spektakuläre Erfolge erzielen. Beispielsweise einen zweiten Platz bei den 24 Stunden von Le Mans 1979, auch wenn dafür vor allem sein Co-Pilot Rolf Stommelen am Steuer eines Porsches verantwortlich zeichnete, oder den Sieg im fortgeschrittenen Alter von 70 Jahren mit seinem Team bei den 24 Stunden von Daytona 1995.

Privat nutzte er sein Faible für gutes Essen und Kochen und gründete eine schnell florierende Lebensmittelfirma „Newman’s Own“, die sämtliche Millionen-Gewinne für wohltätige Zwecke spendete, vor allem für bedürftige Kinder. Dieses philanthropische Engagement war ihm wahrscheinlich sogar noch wichtiger als seine Einmischung in die US-Politik. Er war aktiver Teilnehmer der Bürgerrechtsbewegung, unterstützte Abrüstungskampagnen während des Kalten Krieges, zählte zu den bekennenden Gegnern des Vietnamkriegs und machte sich in Wahlkämpfen für die Demokraten stark. Das hatte zur Folge, dass er auf der Feindesliste des US-Präsidenten Richard Nixon 1971 auf Platz 19 landete – und das erfüllte ihn mit beträchtlichem Stolz.
Paul Leonard Newman, von Freunden meist nur „PL“ genannt, wurde am 26. Januar

1925 in Shaker Heights, einem Vorort von Cleveland im US-Bundesstaat Ohio, als Sohn eines wohlhabenden Sportartikelgeschäft-Betreibers geboren. Nachdem er die örtliche High School abgeschlossen hatte, wollte er sich im Zweiten Weltkrieg bei der Navy zum Piloten ausbilden lassen, was jedoch an seiner Farbenblindheit scheiterte. Er war stattdessen drei Jahre, bis 1946, als Funker eines Torpedobootes im Einsatz. Nachdem er 1949 ein Studium der Theater- und Wirtschaftswissenschaften am Kenyon College in Gambler im US-Bundesstaat Ohio erfolgreich mit dem Bachelor of Arts absolviert hatte, musste er kurzzeitig gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau Jackie Witte das väterliche Geschäft übernehmen. Wenig später erhielt er ersten Schauspielunterricht bei einem einjährigen Besuch der Yale School of Drama in New Haven/Connecticut. 1951 zogen die Newmans nach New York, es kamen drei Kinder zur Welt. 1953 wurde Paul am Actors Studio aufgenommen.
Nach der Trennung des Paares 1958 heiratete Paul Newman Joanne Woodward, wieder eine Schauspielerin, die noch im gleichen Jahr mit dem Oscar prämiert wurde und mit der er 50 glückliche Jahre ohne jegliche Skandale verbrachte. Als eines der ersten Hollywood-Filmstarpaare ließen sich die Newmans mit ihren drei Kindern fern der Traumstadt in Westport/Connecticut nieder.
Dort starb Paul Newman, der sich 2007 offiziell von der Schauspielerei verabschiedet hatte, am 26. September 2008 im Alter von 83 Jahren an Lungenkrebs – Newman war zeitlebens leidenschaftlicher Kettenraucher.