Erstmals haben Forscher alle wesentlichen zur Migräne-Behandlung zugelassenen Medikamente einer vergleichenden Wirksamkeitsprüfung unterzogen. Mit den hierzulande schon seit 1993 zugelassenen Triptanen als klarem Sieger.
Gesundheitsexperten haben inzwischen mehr als 200 unterschiedliche Arten von Kopfschmerzen ausfindig machen können, von denen laut der Techniker Krankenkasse (TK) in Deutschland über 54 Millionen Menschen betroffen sind. Mehr als 70 Prozent der deutschen Bevölkerung leiden laut der TK unter gelegentlichen oder auch chronischen Kopfschmerzen. Wobei unter den sogenannten primären Kopfschmerzen, bei denen keine Ursache erkennbar ist und die ein eigenständiges, nicht auf andere Gesundheitsprobleme rückführbares Krankheitsbild zeigen, der Spannungskopfschmerz am häufigsten auftritt. Auf dem zweiten Platz ist die Migräne zu finden, die global zu den Volkskrankheiten gezählt wird. Neuesten Schätzungen zufolge sind weltweit mehr als eine Milliarde Menschen davon in Mitleidenschaft gezogen. Unter den Erkrankungen, die eine hohe Belastung sind und die Lebensqualität erheblich reduzieren, wird Migräne global schon auf dem zweiten Platz eingestuft. In Deutschland ist Migräne die mit Abstand häufigste neurologische Erkrankung. Laut der „Deutschen Apotheker Zeitung“ wird die Prävalenz in Deutschland aktuell auf 20 Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer geschätzt.
Migräne zählt zu den Volkskrankheiten
Häufig werden auch Zahlen aus einer Erhebung genannt, die das Robert-Koch-Institut im Jahr 2020 veröffentlicht hatte. Demnach hatten 14,8 Prozent aller Bundesbürgerinnen und sechs Prozent aller Bundesbürger angegeben, in den zurückliegenden zwölf Monaten unter einer Migräne gelitten zu haben. Eine ebenfalls 2020 veröffentlichte Studie war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Anteil der Menschen in der deutschen Bevölkerung, der wahrscheinlich unter einer Migräne leidet, sogar bei rund 20 Prozent angesiedelt werden kann. Da Migräne in breiten Teilen der Öffentlichkeit noch immer fälschlicherweise als Frauenkrankheit angesehen wird, wird sie von vielen betroffenen Männern nicht akzeptiert und bleibt daher unbehandelt. Auch wird häufig übersehen, dass Migräne auch schon in sehr jungen Jahren auftreten kann. Laut der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft sind hierzulande fast zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen davon betroffen. Dennoch pflegen Migräneanfälle am häufigsten zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr aufzutreten.
Bislang gilt Migräne als nicht heilbar, allerdings gibt es diverse Hilfsmittel, um die schmerzhaften Symptome lindern zu können. Hauptgrund für die Nichtheilbarkeit ist das Fehlen sicherer Erkenntnisse über die Ursachen der Erkrankung. Deshalb wird auch von einer sogenannten idiopathischen Erkrankung gesprochen, also einer ohne fassbare Ursache. Eine genetische Veranlagung scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Inzwischen wird auch eine entzündliche Veränderung von an der Schmerzübertragung beteiligten Nervenbahnen im Gehirn als Migräne-Initiator in Betracht gezogen.
Als Auslöser oder Trigger der Attacken konnten längst verschiedene Faktoren ermittelt werden: Stress, Schlafmangel, hormonelle Schwankungen, Flüssigkeitsmangel, Wetterschwankungen, Reizüberflutungen, Fastenkuren oder bestimmte Genuss- und Suchtmittel.
Bei einer Migräne kommt es zu wiederholten starken, meist pulsierend-pochenden Kopfschmerzattacken mit einer durchschnittlichen Dauer von jeweils vier bis 72 Stunden. Hinzu kommen oft weitere belastende Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder Lärm- und Lichtempfindlichkeit.
Bei 15 Prozent aller Migräne-Patienten treten bis zu einer Stunde vor den eigentlichen Kopfschmerzen andere neurologische Reiz- oder Ausfallerscheinungen auf, zum Beispiel Sehstörungen (Augenflimmern), Empfindungsstörungen (Kribbeln), Gleichgewichtsstörungen (Schwindel) oder Sprechstörungen, was als sogenannte Aura bezeichnet wird. Wichtigstes Instrument zur Diagnose einer Migräne-Erkrankung ist neben der neurologischen Untersuchung das Arzt-Patienten-Gespräch. Dafür kann ein vom Patienten über mehrere Wochen geführtes sogenanntes Kopfschmerztagebuch eine hilfreiche Unterstützung sein.

Obwohl es eine ganze Reihe professioneller Therapiemöglichkeiten und hilfreicher Anleitungen zur Prophylaxe gibt, versuchen viele Betroffene die Symptome oft noch immer zunächst durch Selbstmedikation mit rezeptfreien Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol zu bekämpfen. Sehr zum Missfallen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Kopfschmerzerkrankungen hierzulande noch immer generell als unterbehandelt eingestuft hat: „Die Kopfschmerztherapie gehört in ärztliche Hände“, so die DGN.
Paracetamol konnte nicht überzeugen
Für Betroffene, die häufiger unter Migräneattacken leiden, wird inzwischen neben der medikamentösen Akuttherapie eine individuell abgestimmte Prophylaxe empfohlen. Dazu gehören auch Verfahren wie die sogenannte Trigeminusstimulation oder die klassische Vergabe von Pharmaka zur Migräneprophylaxe wie Betablocker, Antiepileptika oder Amitriptylin, ein gut untersuchter Wirkstoff gegen Depressionen und chronische Schmerzen. Inzwischen gibt es auch neuere Medikamente wie sogenannte monoklonale Antikörper (von denen inzwischen bereits vier verfügbar sind), die eingesetzt werden können. Diese verhindern das Andocken des bei einer Migräne-Attacke in großen Mengen ausgeschütteten Eiweißes CGRP an bestimmte Stellen der Hirnnerven oder können es sogar unschädlich machen. Das Eiweiß kann die an der Schmerzverarbeitung beteiligten Nervenfasern reizen.
Es gibt aber auch verschiedene Medikamente zur Behandlung einer akuten Migräne. Diesbezüglich gibt es längst diverse Empfehlungen oder auch hochoffizielle Leitlinien, von denen die aktuell gültige Version Anfang 2023 unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft veröffentlicht wurde. Wobei die Leitlinie erstmals als Alternative zu den schon gebräuchlichen Triptanen die beiden neuen Substanzklassen der Ditane und Gepanten berücksichtigt. Ditane setzen im Unterschied zu den Triptanen nur an einem einzigen Rezeptor an und unterbinden dabei selektiv die Freisetzung von für die Schmerzwahrnehmung wesentlichen Neurotransmittern. Gepanten ähneln den bei der Migräne-Prophylaxe eingesetzten monoklonalen CGRP-Antikörpern und docken spezifisch am CGRP-Rezeptor an. Die neuen Substanzklassen sind vor allem deswegen interessant, weil Triptane bei Herz-Kreislauf-Risikogruppen wegen der damit verbundenen Verengung der Blutgefäße nicht in Betracht gezogen werden können.
Ein Forschungsteam der American Academy of Neurology hatte schon Ende 2023 eine Vergleichsstudie bezüglich der Wirksamkeit verschiedener Migräne-Mittel im Fachmagazin „Neurology“ veröffentlicht. Auf Basis von App-Daten, die von 300.000 Betroffenen über einen Zeitraum von sechs Jahren betreffs Medikamentenauswahl und Schmerzdokumentation erstellt wurden, konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass gleich mehrere Pharmaprodukte deutlich wirksamer waren als das häufig bevorzugte Ibuprofen. Die Triptane waren 5,4 mal wirksamer, selbst ein uraltes Medikament gegen Migräne namens Ergotamin war noch dreimal effektiver als Ibuprofen. Eine Kombination von Paracetamol mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Koffein war laut den Forschern sogar 69 Prozent wirksamer als Ibuprofen. Das allerdings den direkten Wirksamkeitsvergleich mit Paracetamol um Längen für sich entscheiden konnte.
Wenig überraschend daher, dass Paracetamol auch der größte Verlierer in der ersten umfassenden Vergleichsstudie war, die auf Basis von 137 Untersuchungen mit insgesamt rund 90.000 Teilnehmern die Wirksamkeit von 17 Migränemitteln inklusive der neuesten Ditane- und Gepante-Medikamente auf den Prüfstand gestellt hatte. Paracetamol schnitt gegen Migräneattacken kaum besser als ein Placebo ab.
Wesentlich besser war das Ergebnis für Ibuprofen, das besonders „in Bezug auf seine nachhaltige Wirkung punkten“ konnte, sprich es konnte seine Effektivität bei Schmerzfreiheit nach 24 Stunden unter Beweis stellen. Eindeutige Sieger der Vergleichsanalyse, die jüngst im renommierten Fachmagazin „BMJ“ („British Medical Journal“) veröffentlicht wurde, waren die Triptane, die in so gut wie allen Bereichen, auch bezüglich der Linderung von Begleitsymptomen, die Konkurrenz klar in den Schatten stellen konnten.