Am 25. Januar ist es wieder so weit: Auf der legendären Streif in Kitzbühel kämpfen die besten Speedfahrer um den Sieg der Weltcup-Abfahrt-Saison.
Über die schon Anfang Februar 2025 im österreichischen Saalbach-Hinterglemm anstehende alpine Ski-WM dürften sich die besten Speedfahrer des Weltcup-Zirkus Mitte Januar noch keine großen Gedanken gemacht haben. Denn mit der schier endlos langen Lauberhorn-Abfahrt im Schweizerischen Wengen und der Hahnenkamm-Abfahrt auf der legendären Streif in der Tiroler Nobel-Ski-Gemeinde Kitzbühel warteten zunächst noch die prestigeträchtigsten Rennstrecken der Saison, die gleichzeitig auch die größten sportlichen Herausforderungen an die Athleten stellen.

Fast wichtiger als ein Olympia-Sieg
Wobei seit jeher speziell der Sieg auf der Streif, die nach einem Bauern benannt wurde, der dort einst eine Alm bewirtschaftet hatte, für jeden alpinen Ski-Profi so etwas wie den Ritterschlag und die Aufnahme in den Abfahrts-Olymp bedeutet. Und daher von allen Beteiligten nahezu gleichrangig mit dem Gewinn der Goldmedaille im olympischen Abfahrtsrennen eingestuft wird. Mit einem feinen Unterschied, wie es der frühere norwegische Weltklasse-Allrounder Aksel Lund Svindal mal auf den Punkt brachte: „Bei Olympia kann es auch einen Zufallssieger geben. Auf der Streif gewinnen immer die Besten.“
Die Strecke gilt als Synonym für das Maximum im alpinen Ski-Sport. Sich auf dem berühmt-berüchtigten Berg wagemutig vom Starthäuschen in luftiger Höhe von 1.665 Metern über eine mit Tücken und Mega-Sprüngen geradezu gespickte Gesamtstrecke von 3.312 Metern und einem Höhenunterschied von 860 Metern gen Zielhang hinabzustürzen, wo Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 150 Kilometern pro Stunde erreicht werden können, ähnelt einem Ritt auf der Rasierklinge. Wer hier triumphieren will, muss volles Risiko gehen – und dafür auch bereit sein, das Karriereende infolge eines schweres Sturzes in Kauf zu nehmen. Wofür es in der Vergangenheit schon eine ganze Reihe prominenter Beispiele gab, wie 1999 den österreichischen Abfahrts-Olympiasieger Patrick Ortlieb oder 1987 den Kanadier Todd Brooker, Streif-Sieger von 1983. Jeder noch so kleine Fahrfehler wird unerbittlich bestraft. Für jeden Knackpunkt auf der Strecke können bekannte Namen angeführt werden, die dort ihre Sieg-Ambitionen vorzeitig begraben mussten. Kurzum: Die Streif in Kitzbühel ist die wohl anspruchsvollste, gefährlichste und brutalste Abfahrt des alpinen Weltcups. Oder: Was Wimbledon für den Tennissport oder Monte Carlo für die Formel 1 ist, das ist die Streif für jeden alpinen Speed-Spezialisten.

Großes Medieninteresse
Entsprechend groß werden auch bei der 85. Hahnenkamm-Auflage vom 24. bis zum 26. Januar wieder Medienspektakel, Zuschauerinteresse und Party-Rummel sein. Diesmal stehen an drei Wettkampftagen – neben der am Samstag, 25. Januar, um 11.30 Uhr im Beisein von rund 50.000 frenetisch jubelnden Besuchern startenden Abfahrt als absolutem Highlight – ein Tag zuvor ein Super-G und am Schlusstag ein traditionell auf dem Ganslernhang ausgetragener Slalom auf dem Programm. Im Unterschied zu den Jahren 2021 bis 2024, als auf der Streif jeweils zwei Abfahrten bestritten wurden – wobei die vorgeschaltete sogenannte Kitzbühel-Abfahrt keinen Eingang in die Annalen der offiziellen Streif-Siegerliste gefunden hatte – , war die FIS bei der Planung der Weltcup-Saison 2024/2025 wieder zu einem einzigen Abfahrtslauf in Kitzbühel zurückgekehrt. Die Piste hatte sich schon Anfang Januar 2025 dank einer kompakten Unterlage aus Kunstschnee in bestem Zustand präsentiert. Zusätzlicher Neuschnee wurde danach in die Sturzräume verschoben. Gemeinhin gilt, dass auf der Streif erfahrene Top-Fahrer im Vorteil sind, wie es das Beispiel des fünffachen Schweizer Rekordsiegers Didier Cuche zu belegen scheint, der seinen letzten Triumph 2012 im schon fortgeschrittenen Alter von 37 Jahren feiern konnte. Es gibt jedoch auch Ausnahmen von dieser Regel: Österreichs Ski-Legende Franz Klammer und der Schweizer Roland Collombin konnten die Konkurrenz schon im Alter von 21 Jahren bezwingen.

Beim Blick auf den Favoritenkreis für das Rennen, das wieder mit einem Rekord-Preisgeld aufwarten kann (der Sieger allein erhält 100.000 Euro), scheinen die Eidgenossen ein guter Tipp zu sein. Nicht zuletzt deshalb, weil sich der 30-jährige französische Ski-Star Cyprien Sarrazin Ende Dezember 2024 beim Training zur Abfahrt im italienischen Bormio schwer verletzt hatte – und damit den anhaltenden Diskussionen rund um die Sicherheit der Fahrer auf den spektakulärsten Rennstrecken neue Nahrung zugeführt gab. Sarrazin, Spitzname „Psycho“, wird daher heuer nicht als Streif-Titelverteidiger an den Start gehen. Er hatte im Januar 2024 seine Überlegenheit auf der legendären Piste sogar mit einem Doppelsieg bei der Kitzbühel- und der Hahnenkamm-Abfahrt demonstrieren können.
Die Athleten des DSV rund um Romed Baumann dürften nach dem Rücktritt des einstigen Frontmanns Thomas Dreßen (Streif-Sieger 2018), nach dem bislang mehr als enttäuschenden Saisonverlauf und dem verletzungsbedingten Ausfall Simon Jochers keine Rolle im Kampf um die Streif-Podestplätze spielen.

Ganz anders sieht es bei den Schweizern aus. Die hatten Mitte Januar die ersten vier Plätze im Weltcup-Abfahrts-Ranking belegt und konnten auch bei der Lauberhornabfahrt in Wengen am 18. Januar 2025 mit einem Doppelsieg durch Marco Odermatt vor Franjo von Allmen ihre aktuelle Überlegenheit demonstrieren. Es war der vierte Schweizer Doppelsieg im vierten Abfahrtsrennen der aktuellen Saison. Der Super-Star und amtierende Abfahrts-Weltmeister Marco Odermatt, Dominator im Riesenslalom und Weltcup-Gesamtsieger der Saisons 2021/22, 2022/23 und 2023/24, war auch schon bei der Streif 2024 der einzige ernsthafte Konkurrent von Sarrazin gewesen. Allerdings musste er sich mit dem zweiten Platz begnügen und konnte bei der zusätzlichen Kitzbühel-Abfahrt den dritten Platz erringen.
Für die aktuelle Saison hat er sich nur ein einziges Ziel gesetzt: „Ich will im Januar erstmals die Hahnenkamm-Abfahrt gewinnen.“ Sogar die WM in Saalbach mit der möglichen Abfahrt-Titelverteidigung rückte er dafür an die zweite Stelle: „Wenn ich nur noch ein Rennen gewinnen kann, würde ich mir definitiv Kitzbühel aussuchen. Es ist auf meiner Liste das letzte verbleibende Ziel, die Hahnenkamm-Abfahrt zu gewinnen.“ Seine Chancen dafür stehen ungemein gut, zumal er in der aktuellen Saison mit den Siegen in Gröden sowie jüngst eben in Wengen seine Top-Verfassung auch in der Abfahrt unter Beweis stellte.
In vier Sekunden von Null auf Hundert
Allenfalls aus dem eigenen Lager hat er mit ernsthafter Konkurrenz zu rechnen. Beispielsweise vom jungen Senkrechtstarter Franjo von Allmen (Jahrgang 2001), der schon 2024 auf der Streif kurz vor seinem Ausscheiden in Zielnähe auf Podest-Kurs lag und in der aktuellen Saison in Gröden, Bormio und Wengen auf dem zweiten Platz landete.
Oder auch von seinen Landsleuten Justin Murisier, dem Sieger von Beaver Creek, oder Alexis Monney, dem Triumphator von Bormio. Allerdings sollte man zusätzlich auch die beiden Altmeister Vincent Kriechmayr (in Wengen gestürzt, Start auf der Streif unwahrscheinlich) aus Österreich und den Italiener Dominik Paris auf dem Schirm haben, obwohl Letzterer in der aktuellen Saison bislang nur bescheidene Leistungen gebracht hatte, aber die Streif immerhin schon dreimal für sich entscheiden konnte. Weitere Podest-Kandidaten sind der Slowene Miha Hrobat, der Franzose Nils Allègre, der Kanadier Cameron Alexander oder der US-Amerikaner Ryan Cochran-Siegle.

Das erste Hahnenkamm-Rennen fand bereits 1931 statt. 1937 wurde erstmals auf der heutigen Streif-Strecke gefahren – mit dem gebürtigen Kitzbüheler Thaddäus Schwabl als erstem Sieger. Im Laufe der Zeit wurden die Fahrzeiten wurden immer schneller, den bis heute gültigen Rekord stellte der Österreicher Fritz Strobl 1997 mit 1:51:58 Minuten auf.
„Es fühlt sich an wie in einem Starfighter, nur eben ohne Starfighter“, sagte der frühere US-Star Bode Miller über das Feeling auf der Streif. Auf dem 160 Meter langen und 51 Prozent steilen Starthang beschleunigen die Athleten in weniger als vier Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde. Dann folgt auch schon der erste gewaltige Sprung von bis zu 80 Metern in die legendäre Mausefalle, dem mit einem Gefälle von 85 Prozent steilsten Abschnitt der gesamten Strecke.
Von der Mausefalle geht es weiter ins Karussell, wo die Fahrer in der Kurve Fliehkräften des Dreifachen ihres Körpergewichts standhalten müssen. Nach Bewältigung des Steilhangs muss möglichst viel Geschwindigkeit in die Gleitpassage hin zu Brückenschuss und Gschöss mitgenommen werden. Danach geht es mit einem kleineren Sprung in die schräg hängende Alte Schneise. Dann folgen Seidlalmsprung, Lärchenschuss und Hausbergkante. Nach dem Einbiegen in die Hausberg Querfahrt wartet der Zielschuss mit weitem Sprung und der Zielpassage in einer Höhe von 805 Meter über dem Meeresspiegel.