Europa ist auf die Herausforderungen, die mit der Amtsübernahme von Donald Trump zu erwarten sind, eingestellt, sagen die Abgeordneten David McAllister (CDU) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Es sind aber nicht die einzigen Bedrohungen, auf die sich das Europäische Parlament schon länger einstellt.
In Brüssel sind viele sichtlich um Sachlichkeit bemüht und darum, Nervositäten um den Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump abzufedern. Man kenne schließlich Trump aus seiner ersten Amtszeit und sei nun in der Europäischen Union deutlich besser vorbreitet. „Wir wissen, auf welchen Politikstil wir uns einstellen müssen“, betont David McAllister (CDU, Europäische Volkspartei EVP). Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament.
Ziel: Europa „weltpolitikfähig“
Die Amerikaner seien mit Abstand der wichtigste (Nato-) Verbündete und wichtigste Handelspartner. Für die Europäische Union komme es jetzt darauf an, „aus eigener Kraft Politik zu gestalten“, forderte McAllister und brachte das in einem Presse-Briefing der Vertretung des Europäischen Parlaments auf die Formel, die EU müsse „weltpolitikfähig werden“. Für ihn heißt das konkret: Mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen und die europäischen Volkswirtschaft „zu neuer Stärke“ zu führen. Statt reflexhaft auf jede Äußerung des Präsidenten zu reagieren, rät McAllister dazu, „pragmatisch und sachorientiert“ zu agieren, wo es um gemeinsame Interessen geht. Kurzum gehe es darum, „transatlantisch zu bleiben, zugleich europäischer zu werden“. Hinter diesen großen Überschriften verbergen sich einige ziemlich harte Fakten.
Die USA und die EU machen zusammen knapp 30 Prozent (McAllister spricht von 29 Prozent) des Welthandels aus. US-amerikanische Investitionen in Europa hätten ein Volumen von 3,7 Billionen US-Dollar und würden damit in der EU knapp fünf Millionen Arbeitsplätze sichern. Die Zahlen machen die Bedeutung guter Handelsbeziehungen, „für beide Seiten“, wie McAllister betont, sichtbar. Der neuen US-Administration müsse deutlich gemacht werden, dass Zölle, wie sie Trump im Wahlkampf angekündigt hat, „natürlich zu einer Gegenreaktion“ führen würden, was wiederum eine „Abwärtsspirale“ zur Folge hätte. „Zölle sind nie gut, sie sind erst recht nicht gut zwischen Partnern und Verbündeten“.
Im zweiten großen Bereich, nämlich der Nato, tragen die USA derzeit nach Angaben von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, 64 Prozent der Lasten, alle anderen die übrigen 36 Prozent. „Das ist kein gesundes Verhältnis“, meint McAllister. Deshalb ist für ihn klar: Das Zwei-Prozent-Ziel (bei den Rüstungsausgaben), das derzeit längst nicht alle NATO-Partner erreichen, ist „das absolute Minimum“. Allerdings gehe es nicht nur einfach darum, mehr Geld auszugeben, sondern das Geld auch effektiver auszugeben, was letztlich nur über europäische Zusammenarbeiten gehen könne.
Ein Punkt, bei dem auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann mitgehen kann. Die FDP-Politikerin hatte sich als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag einen Namen gemacht, nun leitet sie den entsprechenden Ausschuss im Europäischen Parlament. Zu der noch vor der offiziellen Amtsübernahme erhobenen Forderung nach einer Steigerung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent meinte Strack-Zimmermann: „Das ist ein klassischer Trump“. Er würde bei Deals erst mal eine „hohe Summe in den Ring werfen“, um am Schluss ein möglichst hohes Ergebnis zu erzielen. Deshalb rät sie: „Auch wenn der Stil uns irritiert, sollten wir sehr sachlich damit umgehen“. Sich ständig an dem Stil von Donald Trump abzuarbeiten, hält sie für „verschwendete Zeit“.
Strack-Zimmermann verwies aber auch darauf, dass sich strategische Ausgangslagen und Bedingungen ändern, und das nicht zuletzt im Zuge des Klimawandels. Durch das „ewige Eis“ sei der Zugang zum Nordatlantik in der Vergangenheit behindert worden. Das ändere sich nun. Was wiederum mit Chancen und Risiken verbunden sei. „Positiv könnten es neue Handelswege werden, sicherheitspolitisch ist das eine riesige Gefahr.“ Damit komme auch Kanada in eine strategische Lage, die das Land bislang nicht hatte. Insofern müsse man durchaus wahrnehmen, dass es ein sicherheitspolitisches Thema sei, unterstrich Strack-Zimmermann, ergänzte aber auch, dass der bisherige Umgang mit diesem Thema (unter anderem auch Stichwort Grönland) „ein Unding“ ist.
Sie sieht wie McAllister die Herausforderung für die Europäer, mehr für die eigene Sicherheit zu tun. Dass es erstmals einen eigenen Kommissar für Verteidigungsfragen gibt (Andrius Kubilius aus Litauen) und dass das Europäische Parlament einen Verteidigungsausschuss hat, seien klare Signale der Europäer. Allerdings muss die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Strack-Zimmermann einräumen: Sicherheit und Verteidigung sind nach wie vor in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten und die EU hat auch keine eigene Armee.
„Angriff auf unsere Köpfe“
So werde auch die Hauptaufgabe des neuen Verteidigungskommissars in erster Linie sein, für gemeinsame und abgestimmte Beschaffung zu sorgen. Nicht jeder Mitgliedstaat brauche alles, die Ausstattung sei auch unter geografischen Gesichtspunkten und den damit verbundenen Herausforderungen unterschiedlich, Spanien habe beispielsweise andere Bedürfnisse als osteuropäische Staaten, und auf Deutschland komme eine Rolle als Drehkreuz und die damit verbundenen Herausforderungen zu.
Auch im Bereich Sicherheit und Verteidigung machen einige Zahlen die Situation für die EU greifbar: Russland beschaffe in drei Monaten so viel militärisches Material wie die EU in einem ganzem Jahr, so die Verteidigungsexpertin. Wenn also heute davon gesprochen werde, dass Russland in ein paar Jahren in der Lage wäre, ein Nato-Land anzugreifen, sei das „kein leeres Gerede, das kann man hochrechnen“. Während noch über ein Zwei-, Dreieinhalb- oder Fünf-Prozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben diskutiert werde, gebe Russland rund neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dafür aus.
Strack-Zimmermann will sich, ebenso wie McAllister, nicht an einer Debatte um Prozentzahlen beteiligen. Für sie entscheidend ist, was „qualitativ dabei rauskommt“. Es nutze einerseits wenig, einfach nur viel Geld auszugeben, um eine Prozentzahl zu erreichen. Andererseits helfe auch nicht, viel Geld in einem Haushalt vorzusehen, das man anschließend aber gar nicht ausgeben könne, weil es an Produktionskapazitäten fehlt.
Dass Deutschland (und die anderen europäische Partner) mehr Geld in die Hand nehmen müssen, fordert Strack-Zimmermann aber auch schon länger, ebenso, dass man den Menschen die Gefahrenlage deutlich machen müsse. „Wir haben nicht einen Kalten Krieg 2.0, sondern drei, vier oder fünf Dimensionen der Gefahren“, sagt sie und nennt dabei hybride Angriffe ebenso wie Cyberspace oder Space (Weltraum). Was sie besonders besorgt: „Der Angriff auf unsere Köpfe“, bei dem die Russen stark seien, die Chinesen vermutlich aber noch stärker. Ziel dieser „Angriffe auf die Köpfe“ sei, den Menschen zu vermitteln, dass staatliche Institutionen nicht mehr funktionierten und das, was diese sagten, nicht stimmen würde. Damit werde ein Vertrauensverlust provoziert mit dem Ziel, westliche Demokratien von innen auszuhöhlen und zu chaotisieren. Auch vor diesem Hintergrund warnt McAllister davor, sich immer nur an den Stilfragen des amerikanischen Präsidenten abzuarbeiten („die sind unmöglich“), vielmehr sollten die Europäer klar zu den eigenen Prinzipien stehen.