Ob Bombettas für eingefleischte Fans, siebengängige Menüs für Vegetarier, eine würzige Muschelpfanne oder feinstes Olivenöl von tausendjährigen Bäumen: Apulien überzeugt mit einer wohltuend bodenständigen Küche.

Es gibt Orte für Vegetarier, und es gibt andere Orte. „Al Vecchio Fornello“ gehört definitiv zu den anderen Orten. Vor diesem Fleischerladen im historischen Städtchen Cisternino stehen die Kunden Schlange. Tag für Tag, Nacht für Nacht. Denn „Al Vecchio Fornello“ ist nicht einfach nur eine traditionelle Metzgerei, die hochwertiges Fleisch aus der Region anbietet, sondern eine Institution in Sachen Kulinarik. Die Virtuosen mit dem Hackebeilchen haben nämlich den „alten Herd“ nicht nur im Namenszug, sondern tatsächlich auch im Laden. Auf dem wird seit nunmehr 80 Jahren gekocht.

Das Konzept ist so einfach wie genial: Die Leute kommen an die Fleischtheke, suchen sich ihre Lieblingsstücke aus und lassen diese sogleich zubereiten. Bezahlt wird nach Gewicht. Dazu können Salate, Gemüse und Kartoffeln geordert werden. Gegessen wird ein paar Meter weiter im rustikalen Grillrestaurant, das sozusagen Teil der Fleischerei ist.
Mutter Erde liefert alle Ingredienzien für ein üppiges Mahl

Seit anno dazumal sind die puglisieschen Bombettas, die „kleinen Bomben“, der Renner: Mini-Fleischröllchen, gefüllt mit geschmolzenem Käse und gewürztem, hauchdünnem Bauchspeck vom Schwein. Auch ansonsten lässt die Theke keinerlei Wunsch offen, außer vielleicht dem, das richtige Maß zu finden: Filets, Entrecôtes und Ribeyes vom Rind und Kalb, Lammkarrees, Schweinekoteletts, Innereien, Zitronenwurst … Also so ziemlich alles, was eingefleischte Fans vergöttern. Und nach der Völlerei? Sollte man unbedingt an seinen Kalorien arbeiten und einen Verdauungsspaziergang durch das historische Zentrum mit seinen weißgetünchten Häusern, engen Gassen, Bögen, kunstvoll ausgeleuchteten Treppen und Innenhöfen unternehmen. Cisternino gehört zur Vereinigung „I borghi più belli d’Italia“, der „schönsten Orte Italiens“.
Nicht minder historisch eingebettet ist die „Trattoria Terra Madre“ in Alberobello, der Stadt mit den urigen Trulli-Häusern, die sogar den Weg in die Unesco-Welterbe-Liste fanden. Der Name ist Programm: Mutter Erde liefert alle Ingredienzien, die das kulinarische Herz eines Vegetariers vom ersten Häppchen an höherschlagen lassen. Das mit Zucchini gefüllte und mit Zucchiniblüten-Pesto garnierte Rote-Beete-Tortelloni entfaltet den Zauber eines wohlgerundeten vollen Geschmacks auf der Zunge. Kein Wunder.

„Unser Gemüse wächst seit 2015 zwischen Trockenmauern auf eigenen Äckern, die wir in kleine Parzellen geteilt haben, den Terra Madre Gardens“, erklärt Alessandro Paiano, der Chef und gute Geist des Hauses. „Wir wenden die Herstellungsprinzipien unserer Vorfahren an, stellen sogar unseren organischen Dünger selbst her, jäten täglich Unkraut und pflügen fast genauso oft die rotbraune eisenhaltige Erde. Das bringt Sauerstoff in den Boden und hält Mäuse und Maulwürfe fern.“
Konventionelle Lebensmittel würden durch den Einsatz von synthetischen Düngemitteln, Herbiziden und Pestiziden viel zu schnell produziert und bekanntermaßen auf Dauer die Gesundheit schädigen, so der Maître. Die junge Generation drohe sich zudem hinter Technologie zu verstecken und den Respekt vor dem Land unter ihren Füßen zu verlieren. „Kinder sind herzlich willkommen bei uns, sie dürfen laut und ausgelassen sein“, fährt Alessandro mit einem Glanz in den Augen fort. „Neben all dem, was sie in der Schule lernen, müssen sie sich auch mal die Hände schmutzig machen. Beim Spargelstechen oder Kartoffeln ernten, sich mal von den Dornen eines Brombeerstrauchs pieken lassen. Das vermitteln wir Schulklassen aus Apulien und Studenten aus dem In- und Ausland, die unser ganzheitliches Konzept verstehen wollen.“
Gerichte bewusst einfach gehalten

Rundum überzeugend fügen sich die Terra Madre-Rezepturen ein. Generell sollen die sonnengereiften Gemüse für sich sprechen, die Gerichte sind bewusst einfach gehalten. Wie das siebengängige vegetarische Menü, das die Trattoria über die Grenzen Apuliens hinaus bekannt machte. Ein sympathisches junges Team serviert die leichten Kompositionen auf betagten Porzellantellern, die den Bezug zur Bodenhaftung als Lebenskonzept kaum besser symbolisieren könnten. Das Gedeck schlägt mit absolut fairen 40 Euro zu Buche.
Da man sich anschließend nicht überladen fühlt, wird der „Struscio“, der rituelle Spaziergang als Freizeitvariante, umso vergnüglicher sein. Alberobello symbolisiert Apulien wie keine andere Stadt. Die weißgetünchten Trulli-Häuser mit ihren eigentümlichen kegelförmigen Dächern verleihen dem Ort seinen ganz eigenen, unverwechselbaren Charme.

Was eint das Grillrestaurant in Cisternino und die Trattoria in Alberobello? Beide Gasthäuser verfolgen ein stringentes Konzept, verzichten auf jeglichen Schnickschnack, verwenden hochwertige lokale Lebensmittel, bereiten ihre Speisen mit vorindustrieller Handwerkskunst und noch viel mehr Leidenschaft zu – und verwenden bestes Olivenöl, das Sinnbild mediterraner Küche.
Eines der besten Olivenöle Apuliens, ja vermutlich sogar Italiens und der Welt, stellt Antonella Rosati auf ihrem Familien-Landgut Tenuta Foggiali bei Ostuni her. Hier wuchs die junge Antonella auf, spielte mit ihren Freundinnen unter monumentalen, tausendjährigen Ölbäumen, versteckte sich im ausgehöhlten Stamm von „Opa“, dem Methusalem des Hains, der auch heute immer noch hochwertige Oliven trägt.

„Wenn Opa sprechen könnte, er hätte sicher viele Geschichten zu erzählen aus seinem 2.000-jährigen Leben“, sagt Antonella. „Von seinen jungen Jahren im Römischen Reich, von schweren Stürmen, sintflutartigen Regenfällen, von langen Trockenperioden, der Pest und den ungezählten namenlosen Bäuerinnen und Bauern, von unehelichen Kindern und anderen persönlichen Schicksalen. Von Menschen, die sich zeitlebens um den Platz an der Sonne betrogen fühlten.“ Der Baum hat wirklich vieles erlebt.
Nur einen Steinwurf entfernt tischt „Mama Maria“ im „Silvè“ das Beste aus dem Meer auf. Ohne Empfehlung würde man vermutlich an dem zimmergroßen Gastraum in einer unscheinbaren Seitengasse vorbeilaufen. Die Küche ist noch viel kleiner. Was Maria und ihr Sohn Silvestro Valentini dort auf kleinstem Raum zaubern, ist wirklich beachtlich. Cozze alla Puglia, die apulische Miesmuschelpfanne, gehe immer, verrät der Junior.
„Als Erstes dünstet Mama Peperoncini und Knoblauch in Olivenöl an, dann kommen Tomatenstückchen und die Gewürzmischung – ein gut gehütetes Familiengeheimnis – und schließlich die Muscheln hinzu.“ Das Ergebnis? Einfach göttlich. „Wir garnieren das Ganze mit schönster italienischer Musik aus längst vergangenen Tagen.“ Die tönt aus einem uralten Plattenspieler, der immerhin schon mit Strom läuft. Im „Silvè“ schwelgt man in der Vergangenheit und genießt die Gegenwart aufs Vorzüglichste. Mehr Apulien geht nicht.