Richard Gere ist ein Mann mit vielen Gesichtern: Hollywoodstar, Sexsymbol, Philanthrop, Buddhist. Welchen Aspekt seiner Persönlichkeit man auch herauspickt – er bedient ihn mit Stil und Nonchalance. Was ihm aber wirklich am Herzen liegt, ist seine buddhistische Überzeugung.

beim Film Festival in Venedig - Foto: IMAGO / ABACAPRESS
Richard Gere gerät ins Schwärmen. „‚Weisheit des Glücks‘ ist ein Dokument für die Ewigkeit“, sagt er. Und weiter: „Es ist ein außergewöhnlicher Film, von dem wir hoffen, dass er unser Denken und Fühlen gegenüber uns selbst und all jenen, mit denen wir diesen wundervollen Planeten teilen, tiefgreifend verändern wird.“ Große Worte. Wie geht das eigentlich zusammen – Buddhist und Hollywood-Star? Und wie hält er es mit den drei schlimmsten Karmas im Buddhismus: Schönheit, Reichtum und Ruhm?
Hat man das Vergnügen, Richard Gere bei einem Interview etwas näher kennen zu lernen, ist interessant zu beobachten, wie wenig er dem klischeehaften Image entspricht, das sich die Welt seit „American Gigolo“ und „Pretty Woman“ von ihm gemacht hat. In den 80er- und 90er Jahren war er ja der Prototyp des „Sexiest Man Alive“. Er hatte

angeblich zahllose Affären, darunter mit Kim Basinger und Priscilla Presley, war mit Super-Model Cindy Crawford verheiratet und bekam mit seiner zweiten Ehefrau, der Schauspielerin Carey Lowell, einen Sohn. Er gehörte zu den angesagtesten und bestbezahlten Schauspielern Hollywoods. Danach gefragt, kommt er gleich zur Sache: „Dieser ganze „Sexiest-Man-Alive“-Quatsch, dieses reduziert werden auf Erfolg und Geld ist doch nur grelles Blendwerk. Diese oberflächliche Betrachtungsweise meiner Person hat mich nie wirklich tangiert. Ich habe mich auch nie als Star empfunden oder fand mich gar besser als andere. Für mich gab und gibt es immer viel Wichtigeres im Leben. Zum Beispiel, ein nützliches Glied der Gesellschaft zu sein. Gutes zu tun. Empathie für die Mitmenschen zu haben, denen es nicht so gut geht auf dieser Welt. Und, wie Sie wissen, bin ich schon lange ein bekennender Buddhist.“
Über Nacht zum Hollywood-Beau

In der Tat hat eine Nepalreise, die er 1978 unternahm, einen bleibenden Eindruck bei dem damals 29-jährigen hinterlassen. Und schon lange davor interessierte er sich für die Lehren des Siddharta Gautama Buddha und fühlte sich zur fernöstlichen Spiritualität hingezogen. 1986 wurde er Student des in Indien im Exil lebenden Dalai Lama und bekannte sich Anfang der 90er Jahre öffentlich zum tibetanischen Buddhismus. Seitdem ist er mit dem Dalai Lama befreundet.
1978 war auch das Jahr, in dem Hollywood auf Richard Gere aufmerksam wurde. Er imponierte den Studiobossen vor allem durch sein attraktives Aussehen, weniger durch seine spirituelle Ausrichtung. Und dass er auch noch ganz passabel schauspielern konnte, war sicher auch kein Hindernis. Der Kult-Regisseur Terrence Malick holte ihn dann auch ohne zu zögern für sein bildgewaltiges Südstaaten-Epos „Tage des Himmels“ vor die Kamera. Gere spielt einen Mann, der nach einem Mord auf der Flucht ist und als Erntehelfer in Texas Unterschlupf findet. Als er dort im Affekt einen weiteren Mord begeht, wird er von der Polizei gejagt und erschossen. Durch seine virile, aber nie machohafte Männlichkeit und seine sinnliche Ausstrahlung wurde er über Nacht zum Hollywood-Beau par excellence. Paul Schrader besetzte ihn danach als aalglatten Gigolo in seinem Erotik-Thriller „Ein Mann für gewisse Stunden“. Es folgte das Melodram „Ein Offizier und Gentleman“, in dem er Debra Winger seine große Liebe gesteht. Und in „Atemlos“ – einer mit viel Action und scharfem Sex garnierten „amour fou“ – zeigt er, nicht ganz uneitel, gerne seinen nackten Körper.

Dass sein gutes Aussehen sein Talent als Schauspieler oft zu überschatten drohte, war ihm sehr wohl bewusst. Deshalb versuchte er in den kommenden Jahren sein Profil als Charakterdarsteller zu schärfen. Mit wechselndem Erfolg. Dann kam 1990 „Pretty Woman“. In einer der berühmtesten romantischen Komödien aus Hollywood ist er ein reicher Geschäftsmann, der auf dem Hollywood-Boulevard eine Prostituierte, gespielt von Julia Roberts, aufliest. Der Rest ist Geschichte. Wie er fast mühelos neben der wunderbar frech und sexy aufspielenden Julia Roberts besteht, ist wirklich sehenswert. Denn er spielt den Weltmann ohne ausgestellte Posen oder Allüren. Sondern souverän, immer mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. Und er stiehlt sogar manchmal der springlebendigen Julia Roberts die Schau, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Neun Jahre später werden die beiden in der Komödie „Die Braut, die sich nicht traut“ ihre prickelnde Sinnlichkeit noch einmal aufleben lassen.

Neben der Tätigkeit als Schauspieler ist Richard Gere auch als Philanthrop tätig, arbeitet aktiv bei vielen Hilfsorganisationen mit und setzt sich für die Freiheit Tibets ein. Im April 2018 heiratete der heute 75-Jährige seine – um 32 Jahre jüngere – Freundin Alejandra Silva nach einer buddhistischen Zeremonie auf seiner Ranch nahe New York. Das Paar hat eine mittlerweile fünfjährige Tochter und einen vierjährigen Sohn. Ein volles Programm also. Deshalb sei die ketzerische Frage erlaubt: „Mr. Gere, warum drehen Sie eigentlich noch Filme?“
„Haben wir etwas Gutes erreicht?“
Richard Gere lacht herzlich und lässt sich für seine Antwort Zeit. Dabei fasst er sich an seine randlose Brille, nippt an einer Tasse Grüntee und sagt: Weil ich die Schauspielerei nach wie vor sehr mag. Damit meine ich natürlich „das Zen des Filmemachens“, also die Dreharbeiten. Wie schön ist es, mit großartigen Schauspielern gemeinsam vor der Kamera zu stehen. Der menschliche Faktor ist mir immer sehr wichtig. Hatte ich eine gute Zeit? War da genügend kreative Energie? Haben wir zusammen etwas Gutes erreicht? Diese Dinge sind für mich entscheidend. Wie der Film später tatsächlich aussieht, darüber habe ich ja meist sehr wenig Kontrolle. Ebenso über die Kräfte des Universums, die bedingen, dass Leute den Film sehen wollen – oder eben nicht.

Und da ist er wieder – der buddhistische Touch. Aber gibt es vielleicht auch Gemeinsamkeiten zwischen der Schauspielerei und dem Buddhismus? „Sogar sehr viele“, meint Richard Gere kopfnickend. „Die Schauspielerei ist ja ein kreativer Prozess. Um den herstellen zu können, braucht es Freiheit, Vertrauen, Weisheit, Empathie, Leidenschaft, Mut, Selbsterkenntnis, die Fähigkeit Zugang zu seinem Inneren zu finden, die Fähigkeit, sich selbst positiv motivieren zu können, was dann wiederum positive Energie freisetzt. Ich betreibe die Schauspielerei ja nicht nur für mich selbst. Diese Art von Narzissmus ist mir völlig fremd. Ich bin Schauspieler, um etwas zu erzählen, das für andere Menschen vielleicht nützlich sein kann. Zusammen mit meinen Schauspieler-Kollegen versuchen wir, kollektiv etwas zum besseren Verständnis der Welt, des Lebens, der Menschen auf diesem Planeten beizutragen. Ich spreche von Transzendenz. Um all das geht es ja auch im Buddhismus. Wir kreisen doch ständig um so zentrale Fragen wie: Was ist das wahre Selbst? Sind wir alle voneinander getrennt? Oder sind wir alle eins?“

Und der Mann, der Bruce Willis bei den Dreharbeiten zu „Der Schakal“ angeblich zur Weißglut getrieben hat, weil er vor jedem Take meditierte, fährt fort: „Buddha hat in seiner Weisheit gesagt, dass es kein klares, eindeutiges, fest umrissenes Selbst gibt. Mein wirkliches Selbst ist immer in Bewegung. Ich kann es nie endgültig festmachen. Je tiefer ich nach Richard in mir suche, desto mehr verflüchtigt er sich. Aber es lohnt sich sehr, immer wieder erneut auf diese Suche zu gehen. „Ich“ ist eine Idee, ein Konzept. Und wenn wir damit anfangen, dieses Konzept zu analysieren und es auseinander pflücken, sehen wir, was es eigentlich eine Illusion war zu glauben, dass ich ich bin. Was wir tun können, ist, die Ecken und Kanten unserer Persönlichkeit abzurunden. Und kreativ damit umzugehen. Als Schauspieler. Als Mann, als Frau, als Mensch. Was ich aus meinen religiösen Lehren gelernt habe, ist: komplette Inklusion – die Einbeziehung aller Menschen.“
Hausverbot bei Oscarverleihung
Durch sein öffentliches Bekenntnis zum Buddhismus wurde Richard Gere auch zur Zielscheibe von Andersdenkenden. Als er 1993 bei der Oscar-Verleihung in einer Rede die chinesische Tibet-Politik anprangerte, bekam er für 20 Jahre Hausverbot. China erklärte ihn darauf hin sogar zur persona non grata und verbot ihm die Einreise und den Aufenthalt im Land. Was Richard Gere nicht davon abhielt, 1997 in dem Thriller „Red Corner“ einen Rechtsanwalt zu spielen, der sich mit der Regierung in Peking anlegt.
„Ich habe für meine Rolle in ‚Red Corner‘ in der ganzen Welt eigentlich nur positive Reaktionen bekommen. Bis auf China, natürlich. Aber es sind nicht die Menschen, die mich dort so vehement ablehnen – sondern die kommunistische Regierung. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Wenn diese faschistische, totalitäre Diktatur sich durch mich angegriffen fühlt, ist das völlig okay. Aber nicht ich bin auf Konfrontation mit dem Regime aus, genauso wenig wie der Dalai Lama.“ Wie wichtig ihm die enge Beziehung zum Dalai Lama ist, zeigt auch, dass er seinem Sohn Homer, 24, aus seiner Ehe mit Carrey Lowell, den tibetischen Beinamen Jigme – „Furchtlos“ gab.
Zurück nach Zürich. Dort wurde „Die Weisheit des Glücks“, ein cineastisches Portrait der Gedankenwelt des 14. Dalai Lama und Friedensnobelpreisträgers mit großem Beifall aufgenommen. Was Richard Gere sichtlich rührte. Und den Dalai Lama bei seinem wohl letzten Auftritt auf der großen Leinwand zu erleben, das ist sicher ein unmittelbares und sehr berührendes Ereignis.
Bleibt zum Schluss eigentlich nur noch die Frage, wie er es mit den drei schlimmsten Karmas im Buddhismus hält – nämlich mit Schönheit, Reichtum und außerdem Ruhm. „Ich kann sehr gut damit leben“, meint Richard Gere augenzwinkernd.