Das Saarlandmuseum setzt in der Reihe „museum after work“ jeden Mittwoch einen Schwerpunkt. Ein Thema: „Unbekannte Berühmtheiten. Modelle in der Kunst der klassischen Moderne“.

Was sehen wir? Wen sehen wir eigentlich? Wie ist das Ganze inszeniert? Wir stellen uns vor jedem Werk die drei Fragen“, fordert die Wissenschaftliche Volontärin Meike Lander auf, und begibt sich mit der Besuchergruppe zu den Werken, die für die Spezialführung ausgewählt wurden. Der Hintergrund: Weibliche Aktmodelle waren an der Pariser Akademie eine Zeit lang nicht erlaubt. Wer als Künstler über eine private Werkstatt verfügte, war im Vorteil und engagierte Prostituierte, um Modell zu sitzen. Das brachte den Beruf des Modellsitzens zunächst in Verruf. Die Aktstudien dauerten viele Stunden und mehrere Tage, amouröse Beziehungen inklusive. Der Maler und sein Modell – ein geheimnisumwehtes Thema. Die Mitarbeiterin der Kunstvermittlung bringt einige Werke der Sammlung zum Sprechen und betont: „Für uns ist wichtig, wenn wir durch die Sammlung gehen, dass wir uns bewusst machen: Wir sehen de facto nicht das Modell, sondern das, was der Maler vom Modell auf die Leinwand gebracht hat. Wir sehen das, was er uns sehen lässt.“
„Wen kann man so freizügig malen?“

Paul Gauguin war sowohl Maler als auch Bildhauer, er gilt als einer der Väter der Moderne. Er reiste 1890 erstmals nach Tahiti. „Dort waren die Menschen noch unverdorben und lebten im Einklang mit der Natur“, beschreibt Meike Lander Gauguins Sichtweise. Das Original, das 1893 dort entstand, ist eine Holzschnitzerei. Wir stehen vor einer Bronze, einem Nachguss. „Gibt es das Original noch?“, fragt ein Besucher, „Ja, das steht im Musée d’Orsay“, antwortet die Expertin und erklärt: „Gauguin verewigte seine Geliebten in seinem Werk– das ist Tehura. Er hat sie in seinem Südseebuch positiv beschrieben, aber wenn man mit heutiger Befindlichkeit darauf schaut, merkt man: Das ist schon alles unterschwellig rassistisch.“ Er sei mit Vorurteilen dorthin gefahren und habe versucht, sie bestätigt zu finden, meint die Kunstexpertin. Auf der Rückseite der Bronze erkennt man eine Tahitianerin in der Natur – die Eva in der Südsee. Von Gauguin ist ein Manuskript bekannt, in dem Tehura den Namen Teha’amana trägt. Sie lebte auf Tahiti. Man kennt ihr Foto. Tehura soll 13 Jahre alt gewesen sein, Teha’amana aber muss älter gewesen sein, weiß die Forschung. Wir lösen das Rätsel nicht, erfahren aber Weiteres über Gauguins Arbeitsweise.

Max Pechstein war Mitglied der Künstlervereinigung „Brücke“, denen „Strahlende Farben, klare Formen“ wichtig waren, erzählt Meike Lander, und verrät, wen „Liegender Akt (Nidden)“ darstellt: „Die Person, die mit Pechstein 1911 nach Nidden gereist ist, war die frisch angetraute Frau Pechstein. Charlotte Kaprolat war im Alter von 15 ein begehrtes Modell und heiratete Pechstein als 18-Jährige.Nidden, das Fischerdorf an der Ostküste, verkörpert für Pechstein die Harmonie zwischen Mensch und Natur und dient ihm als eine Art „Südsee-Ersatz““. Die Farben Gelb und Rot verwendete Pechstein sowohl für die Landschaft als auch den Körper, um den Bezug deutlich zu machen. Pechsteins zweite Ehefrau war von rückwirkender Eifersucht geplagt. Sie tilgte den Namen von Charlotte, die häufig Pechsteins Modell gewesen war. Manche von Pechsteins „Südsee-Schönheiten“ zeigen wohl Charlotte, namentlich unerkannt und unbewiesen.
„Strahlende Farben, klare Formen“

Lovis Corinth zieht 1901 von München nach Berlin. Er eröffnet eine Malschule. Seine erste Schülerin war die 21-jährige Charlotte Berend, die ihm zudem Modell stand. „Wen kann man so freizügig malen?“, fragt Meike Lander. „Seine Frau, Charlotte Berend!“ Ein Jahr vor ihrer Heirat entsteht „Matinée“. Charlotte Berend-Corinth war selbst Künstlerin. In der fulminanten Doppel-Ausstellung 2021/22 „Lovis Corinth – Das Leben, ein Fest!“ und „Charlotte Berend-Corinth – Wiederentdeckt!“ konnte man das Künstlerpaar kennenlernen.

Max Slevogt ist in Leinsweiler-Neukastel in der Pfalz geboren und gilt als einer der größten deutschen impressionistischen Maler, Grafiker und Illustratoren. Die Dame im Kimono, die in der Modernen Galerie wartet, heißt Sada Yakko. Sie und ihre Schauspieltruppe zogen 1900 bis 1902 durch Europa und zeigten das Stück „Die Geisha und der Ritter“. Slevogt sitzt unter den Zuschauern. Er ist begeistert. Er eilt hinter die Bühne, um Sada Yakko zu bitten, sie malen zu dürfen. „Sada Yakko war ein Weltstar. Klee und Klimt wollten sie malen“, berichtet Meike Lander. Max Slevogt erhält die Erlaubnis, Skizzen anzufertigen, danach entsteht 1901 im Atelier das Porträt. Das Ergebnis ist im Großformat in Saarbrücken zu bestaunen.
„Museum after work“ zu besuchen lohnt, das findet auch Ellen Contier, die mit ihrem Mann Josef erstmals an der Spezialführung teilgenommen hat. Ihr gefällt, dass die Reihe eine „andere Perspektive“ eröffnet. Nach einem Crémant im „Kunstherz“ wird Flammkuchen bestellt. Kunst und Kulinarik after work passen zusammen.