Drei Fragen
„Österreich darf keine Blaupause werden“
Diese Bundestagswahl könnte auf die Zukunft unseres Landes mehr Auswirkungen haben, als vielen Wählern offenbar klar ist, sagt der Publizist Hans-Ulrich Jörges mit Blick auf den 23. Februar.
Herr Jörges, als politischer Journalist sind Sie mit dem Buch „Der Kobalt-Kanzler“ unter die Romanautoren gegangen. Wer ist denn dieser Kobalt-Kanzler, doch nicht etwa Olaf Scholz?
(lacht) Nein, über den würde ich keinen Roman schreiben, das besorgt er schon ganz allein. Mein Roman hat einen sehr ernsten Hintergrund. Der Kobalt-Kanzler ist ein Kanzler der AfD, der in einer Koalition mit der CDU regiert. Und er heißt deshalb so, weil Kobalt ein Blauton ist. Das ist das Branding, dass sich die AfD selbst zugelegt hat, um sympathisch zu wirken. Deshalb Kobalt-Kanzler. In dieser Koalition gerät Deutschland völlig aus den Fugen durch Maßnahmen, die durch die AfD angestoßen und von dem CDU-Koalitionspartner mitgetragen werden. Und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf. Ein rein fiktionaler Roman.
Der aber in Österreich Gegenwart ist, dort verhandelt die rechte FPÖ mit dem österreichischen Pendant zur CDU, der ÖVP, über eine mögliche Koalition.
Diese völlig überraschende Entwicklung, mit der niemand rechnen konnte, vollzog sich erst, nachdem mein Roman fertiggestellt war, und ich habe das in den ersten Stunden gar nicht glauben wollen. Ein rechtsextremer Kanzler, der mit der österreichischen Volkspartei koalieren will, nachdem die ÖVP ihre Brandmauer gegen die FPÖ innerhalb von wenigen Stunden hat fallen lassen. Dazu reichte eine Personalie bei der Volkspartei und plötzlich waren Österreichs Rechte kanzlertauglich, dass darf keine Blaupause für Deutschland werden.
Wie groß ist Ihre Sorge vor der anstehenden Bundestagswahl, was befürchten Sie?
Diese Bundestagswahl könnte auf die Zukunft unseres Landes mehr Auswirkungen haben, als vielen Wählern offenbar klar ist. Das heißt nicht, dass das jetzt schon passiert, nach dem 23. Februar. Aber bei der darauffolgenden Wahl 2029, wenn die dann gewählte Regierung es wieder nicht schafft, die deutschen Probleme fühlbar zu lösen, beispielsweise den Zerfall der Bahnen aufzuhalten, dann glaube ich, wird man in vier Jahren feststellen, dass die AfD doch mehrheitsfähig ist und die wird dann offensiv den Regierungsanspruch erheben. Da klingt es schon fast wie eine Warnung, die CDU-Chef Merz jetzt im Vorfeld formuliert hat, als er sagte, wenn wir das jetzt nach der Wahl 2025 nicht hinbekommen, haben wir nach der Wahl 2029 dann ganz andere Probleme. Interview: Sven Bargel

Stabile Wasserversorgung sichern
Will Deutschland tatsächlich die Energiewende im gesetzten Zeitrahmen schaffen, dann spielt nicht nur Wasserstoff eine wesentliche Rolle, sondern auch die Wasserversorgung angesichts des Klimawandels, mahnt der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und nennt damit auch schon eine zentrale Aufgabe für die neue Bundesregierung. „Zur Sicherung der resilienten Versorgung mit Wasser muss die neue Bundesregierung 2025 wichtige Gesetzesvorhaben abschließen. Zu lange schon wartet die Branche auf wirksame Düngegesetze, auf die Gesetze zur Verbesserung der physischen und IT-Sicherheit von Wasserversorgungsanlagen und auf die Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie in die Praxis“, kritisiert Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW. Um die deutsche Wasserversorgung künftig besser an die Anforderungen des Klimawandels anzupassen, ist eine deutliche Vereinfachung von Genehmigungsverfahren von Wasserinfrastrukturprojekten notwendig, etwa durch die Standardisierung der Planungsverfahren, fordert die Linke.
Karlspreis für von der Leyen
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erhält in diesem Jahr den renommierten „Karlspreis“. Sie sei eine „starke Stimme Europas in der Welt“ und nehme in einer Zeit epochaler Herausforderungen, in der die Europäische Union von außen durch den Aggressionskrieg Russlands und von innen durch Rassisten und Demagogen bedroht werde, die Interessen Europas kraftvoll wahr, begründete das Karlspreis-Direktorium seine Entscheidung. Der Vorsitzende des Kommittees, Jürgen Linden, bezeichnete von der Leyen als „das Gesicht Europas in der Welt“.
Der Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als die höchste Auszeichnung für Verdienste um die europäische Einigung. Er wurde erstmals vor 75 Jahren verliehen. Zu den ersten Preisträgern gehörten die europäischen Gründungsväter Konrad Adenauer, Jean Monnet, Alcide de Caspari, Winston Churchill und Robert Schuman.
Bald Handy-Verbot an Schulen?
Im Saarland wird nun auch intensiv über ein Verbot von Smarphones an Schulen diskutiert. Zuvor hatte das hessische Kultusministerium ein solches Verbot angekündigt. In Luxemburg wird es ab Ostern eingeführt.
Die saarländische Kultusministerin hält zunächst wenig von einem generellen Verbot. Das würde nämlich ausblenden, dass Smartphones überwiegend und intensiv in der Freizeit und zu Hause genutzt werden. Deshalb sei es sinnvoll, stärker auf Medienbildung zu setzen. Ulrich Commerçon, SPD-Fraktionschef im Landtag, betonte, Schulen hätten volle Rückendeckung, wenn sie Smartphones aus dem Unterricht verbannen. Er deutet aber an, wenn Schulen zur eigenen Absicherung bei solchen Verboten mehr Unterstützung bräuchten, müsse man das überlegen.
Die CDU spricht sich für ein generelles Verbot zumindest an Grundschulen aus. Die bildungspolitische Sprecherin Jutta Schmitt-Lang sagte, dort hätten private Handys „keinen pädagogischen Mehrwert“ und sorgten eher für Ablenkung und Streit.
Bundesgesetz für faire Löhne gefordert
Die Saar-SPD setzt sich für ein Bundesgesetz nach dem Vorbild des saarländischen Tariftreuegesetzes ein. Dieses saarländische Fairer-Lohn-Gesetz sei ein Erfolgsmodell, betont der Landtagsabgeordnete Damhat Sisamci. Das saarländische Gesetz ist 2021 für 14 Branchen eingeführt und 2024 auf weitere Branchen ausgedehnt worden. Insbesondere bei Branchen, die von Mindestlöhnen geprägt seien, schaffe das Gesetz faire Arbeitsbedingungen. Dem Vorwurf, es handele sich dabei um ein „Bürokratiemonster“, hielt Sisamci entgegen, dass die Muster-Verpflichtungserklärung zur Tariftreue bei Vergabe öffentlicher Aufträge lediglich zwei Seiten umfasse. Die Neufassung im vergangenen Jahr habe das Verfahren auch für Kommunen vereinfacht, der bürokratische Aufwand sei „auf ein Minimum reduziert“.
Patientenschützer kritisieren neue ePA

In drei Regionen Deutschlands wird bis Ende Februar die elektronische Patientenakte (ePA) in einem Probelauf getestet. Im Vorfeld hat es bereits scharfe Kritik an der Datensicherheit der ePA gegeben. Nun kommt weitere Kritik von der Stiftung Patientenschutz, für die die elektronische Patientenakte eben nicht der Start in ein neues Zeitalter der Digitalisierung des Gesundheitswesens ist. „Karl Lauterbach ist ein Meister der Superlative, was nur leider mit der Realität nicht übereinkommt. Allein fotokopierte Befunde und Daten machen es den Ärztinnen und Ärzten nicht leichter, einen schnellen Überblick zu bekommen. Filterung, Verknüpfung und Analyse der Datenmengen lässt die E-Akte nicht zu“, kritisiert Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz. „Dass Menschen ohne Zugang zum Internet außen vor bleiben, ist ein schwerer Webfehler. Ebenso besteht die Gefahr, dass das digitale System in geschützte Grundrechte eingreift. Ein Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht würde der neuen digitalen Ära ein schnelles Ende setzen“, befürchtet Patientenschützer Brysch.

Krieg
Diskussion um Ukraine
Eigentlich sollten Anfang Januar drei Milliarden Euro als Ukraine-Nothilfen bereitgestellt werden. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz verweigert, für die Grünen in der Bundesregierung überraschend, die Freigabe des Geldes. Vor allem Außenministerin Annalena Baerbock reagierte mehr als verschnupft. „Für manche Politiker ist die Frage, wie kann ich bei einer Bundestagswahl im Zweifel schnell ein paar Stimmen gewinnen, wichtiger als die Verantwortung Europas, Frieden und Freiheit wirklich zu sichern“, sagte Baerbock. Volle Breitseite gegen ihren Regierungschef, der aber darauf überhaupt nicht reagierte. Es war nun ausgerechnet Kanzler Scholz, der der FDP nach dem Ampel-Bruch vorgeworfen hatte, für die Unterstützung der Ukraine keine neuen Schulden aufnehmen zu wollen, nun blockiert er selber diese umstrittenen Ukraine Nothilfe. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch goss obendrein noch Öl ins Feuer und erklärte die Kanzlerentscheidung damit, dass man der Ukraine nichts geben könne, was man dann den deutschen Rentnern vorenthalten oder wegnehmen müsse.
Weniger Mehrweg, mehr Getränkedosen

Entgegen aller politischen Beteuerungen: Getränkedosen sind auf dem Vormarsch, und die nicht minder ökologisch problematischen Einweg-Plastikflaschen sind weiter dominant, so die jüngste Erhebung zu Transportgebinden im Getränkebereich. Dabei liegt die Mehrwegquote bei nicht mal 43 Prozent, obwohl das Verpackungsgesetz dem Handel eine Quote von 70 Prozent vorschreibt. Einweg-Plastikflaschen bleiben mit einem Anteil von rund 48 Prozent die dominierende Getränkeverpackung. Trotz Pfand wird nicht mal die Hälfte davon recycelt. Die umweltschädlicheren Getränkedosen konnten erneut ihren Marktanteil auf 6,5 Prozent steigern, verlässliche Zahlen zur Wiederverwertung liegen hier nicht vor. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert von der künftigen Bundesregierung endlich die Einleitung einer Kehrtwende: weg von Einweg und hin zu Mehrweg. Die Umwelthilfe befürchtet, dass auch die ambitionslose EU-Verpackungsverordnung keine Besserung bringen wird. Die vorgesehene EU-Mehrwegquote von zehn Prozent sei viel zu niedrig angesetzt und mit Ausnahmeregelungen gespickt, so die Umwelthilfe.

Partei
Parteiinterne Intrige
Grünen-Direktkandidat Stefan Gelbhaar aus Berlin-Pankow verlor sein Wahlmandat, nachdem gegen ihn Vorwürfe der sexuellen Belästigung erhoben wurden. Sein Kreisverband ließ ihn fallen, mehrere eidesstattliche Versicherungen zu den Belästigungen von betroffenen Frauen wurden vorgelegt, der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen. Nun belastet der Vorgang den Bundestagswahlkampf der Grünen, nachdem bekannt geworden ist, dass mindestens eine Klagende, „Anne K.“, mit hoher Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht existiert. Weitere eidesstattliche Versicherungen sollen gefälscht worden sein. Dahinter steckt offenbar ein Parteimitglied aus dem Nachbarkreisverband Berlin-Mitte, das vor Weihnachten die Anschuldigungen aufgeworfen und die eidesstattlichen Versicherungen vorgelegt hatte. Doch die Geschichte scheint nicht zu stimmen, die Betreffende hat ihre Parteifunktionen aufgegeben und ist bei den Grünen ausgetreten, um Schaden von der Partei abzuwenden, wie es heißt. Dem offenbar zu Unrecht Beschuldigten Gelbhaar hilft es wenig. Er wird dem kommenden Bundestag definitiv nicht angehören.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Unser Nachbarland Österreich entwickelt sich wohl zu einem europäischen Unsicherheitsfaktor. Und das ausgerechnet parallel zur schwierigen Zäsur in den USA. Grund: Die Annäherung der dominierenden Rechtspopulismus-Partei FPÖ und der konservativen ÖVP. Unter einem Kanzler Herbert Kickl steht die Alpenrepublik vor einem politischen Spurwechsel, der die Richtung ganz Europas verändern könnte.
Zwar bekannte sich FPÖ-Chef Kickl jüngst zur EU-Mitgliedschaft. Doch seine Aussagen und Ziele wecken weiterhin Besorgnis bei Europafans. Das Land von Mozart, Kafka und Lauda könne zum EU-Problemfall werden, heißt es. Kickl sei und bleibe EU-kritisch und nationalistisch gesinnt.
„Die FPÖ ist untragbar“, schreibt Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Zusammen mit Ungarn und der Slowakei bildet Österreich eine Abweichlerachse. Sie reicht bis nach Italien und in die Niederlande sowie nach Frankreich. Die Minderheitsregierung in Paris laviert zwischen starken EU-Skeptikern von rechts wie von links.
Wird sich Kickl nun am ungarischen Amtskollegen Viktor Orbán orientieren und Presse oder Justiz einschränken? „Österreich wird noch enger und fremdenfeindlicher werden“, so ein Politologe. Die FPÖ steht für harte Migrationspolitik und Betonung nationaler Souveränität – der Dauerkonflikt mit Brüssel ist vorprogrammiert.
Indessen hat die ÖVP ihr Wahlversprechen gebrochen, nicht mit der FPÖ zu koalieren. Plötzlich ist die Kanzlerpartei nur ein Juniorpartner. Hätte sie die Kraft, gegenzuhalten, wenn Kickl sich von der EU abkoppelt? Es bleibt offen, ob Österreich ein verlässlicher Partner bleibt oder sich entfremdet.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.