Mit dem neu eröffneten „Como“ in Berlin-Charlottenburg huldigt der Berliner Küchenchef Dennis Uçak seiner kulinarischen Vorliebe für mediterrane Speisen. Dabei verbindet er italienisches Comfort Food mit Inspirationen aus der japanischen Küche.

Como – mit jenem Städtenamen können wahrscheinlich sowohl italophile Menschen als auch Fans von George Clooney etwas anfangen. Das Städtchen am Rande der italienischen Alpen ist an der Südseite des Comer Sees gelegen. Eine malerische Gegend, in der auch andere Promis wie Gianni Versace, Madonna oder Ronaldinho schmucke Villen besitzen oder besessen haben sollen.
Das Städtchen in der Lombardei hat auch Dennis Uçak in seinen Bann gezogen. Der Berliner Chefkoch macht dort nicht nur regelmäßig Urlaub mit der Familie, sondern hat auch sein neu eröffnetes Restaurant nach jenem Sehnsuchtsort benannt. Die neue Location unweit des Ernst-Reuter-Platzes ist zwei, drei Häuser neben dem Renaissance-Theater an der Knesebeckstraße 99 gelegen. Bis zum Umbau im vergangenen Jahr befand sich dort noch die Pizzeria „La Bocca di Culaccino“.

Eigentlich wollte die Vermieterin in den Räumen der Nummer 99 keinen gastronomischen Betrieb mehr haben. Stattdessen hatte sie eine Boutique im Sinn. Doch Dennis Uçak hatte Glück. Er kannte die Vermieterin noch aus seiner Zeit im Restaurant „Jord“, wie er im Gespräch erzählt. Und bekam den Zuschlag. Im neuen „Como“ will Dennis Uçaks gehobene Küche mit italienischem und japanischem Touch anbieten – und damit seine eigenen, bevorzugten kulinarischen Richtungen zusammenbringen. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Angelina Uçak, die für den Service und die Weinberatung zuständig ist, und seinem Küchenchef Pascal Klyszcz. Dabei versteht der gebürtige Berliner sein Angebot nicht als Fine-Dining-Küche, wie er sagt. „Wir kochen Casual Comfort Food ohne Chichi.“ Grundlage dessen sei aber immer das Handwerk der klassischen französischen Schule.
„Das Handwerk steht an erster Stelle“

Das Ambiente der Charlottenburger Location verbindet die Bürgerlichkeit des alten West-Berlins mit den schrilleren Tönen der wiedervereinten Hauptstadt Mitte der 2020er-Jahre. Zu dem dunklen Mobiliar, den hellgrünen Wänden und den weißen Tischdecken gesellen sich große farbige, abstrakte Gemälde des in Berlin ansässigen russischen Künstlers Ivan Gette. Unübersehbar sind auch die grünen Glasbausteine und die grellrote Leuchtschrift über dem Küchenpass. „No fake sh*t“ steht dort.

„Das spiegelt meine Philosophie wider“, sagt der Gastronom im Gespräch. „Wir legen Wert auf hohe Qualität, und das Handwerk steht an erster Stelle.“ So werde in der Küche zum Beispiel „echte Sahne“ mit 30-prozentigem Fettanteil eingesetzt. „Viele Lokale verwenden Küchensahne mit nur 15 Prozent Fett und vielen Emulgatoren“, weiß der Gastronom. Auch bei seinen Zulieferern achtet er auf Qualität. Den Käse etwa bezieht er von Fritz Lloyd Blomeyer, der seit mehr als 15 Jahren die gehobene Berliner Gastronomie mit Käse beliefert. Eine kleine Kostprobe in Sachen Qualität dürfen wir schon zu Anfang unseres Besuches erleben, nachdem der begleitende Fotograf und ich ein Stückchen Brot in ein Schälchen mit Picual-Olivenöl tunken. Das Aroma des flüssigen Etwas aus Granada überzeugt unsere Gaumen sofort.
Übersichtliche Speisekarte
Was das Handwerk von Dennis Uçak betrifft, so hat es sich der Gründer und Geschäftsführer, dessen Eltern ebenfalls in der Gastronomie gearbeitet haben, lange erarbeitet. „Wir hatten nicht viel Geld, doch meine Mutter wusste aus wenigen Zutaten immer etwas zu zaubern“, erinnert sich Dennis Uçak. Aufgewachsen in Berlin-Reinickendorf, absolvierte er als 14-Jähriger ein Schülerpraktikum in der Kantine des Finanzamtes Reinickendorf. „Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich zu Frau und Herrn Fischer kam, die mich damals anleiteten“, erzählt der heute 41-Jährige im Gespräch. Zum Beispiel habe er anfangs ein Brötchen einfach durchgeschnitten, was zahlreiche Brotkrümel zur Folge hatte. „Dann haben sie mir erklärt, dass man mit dem Sägemesser eher sägt, statt schneidet.“ Der Praktikant befolgte den Rat und sah das Resultat: Nach erneutem Aufschneiden gab es kaum noch Brotkrümel, und die Brötchen hatten eine „schöne, glatte Fläche“, wie er sagt. In den Praktikumswochen durfte der Teenager schließlich auch Buletten und Gulasch zubereiten. „Seitdem habe ich Blut geleckt“, erinnert sich Dennis Uçak. Nach seinem Schulabschluss lernte er das Handwerk dann von der Pike auf: Sein erstes Lehrjahr als Koch begann er in einer Pizzeria und wechselte noch während der Ausbildung in das legendäre „E.T.A. Hoffmann“ unter der Leitung von Thomas Kurt. Zu seinen weiteren Stationen zählten unter anderem das einstige Zwei-Sterne-Restaurant „Fischers Fritz“ und das Zwei-Sterne-Restaurant „Facil“, in dem er eine Zeit lang für die Patisserie zuständig war. Im „Parc Fermé“ im Berliner Meilenwerk war er dann schon Küchenchef. Zu weiteren Stationen zählen unter anderem Lokale wie das „Englers“, das „Oak“ und das Abendbrot-Restaurant „Jord“, bevor er die Räume an der Knesebeckstraße 99 übernahm.

Die Speisekarte ist übersichtlich gehalten: Es gibt mehrere Kleinigkeiten zum Teilen sowie Pasta, Fleischgerichte und Fisch. Noch bevor unsere kleine Auswahl an Gerichten auf dem Tisch steht, dürfen wir erst einmal an den japanisch inspirierten Cocktails nippen. Frisch und zitronig mutet der „Tokyoroni“ an. Die liquide Kreation besteht aus Toki Whisky, Italicus und einem „Dash Grapefruit Bitter“, wie mir Bartender Sven Lindenthal verrät. Hinzu kommt etwas hausgemachter „Lillet Asia“. Dazu wird der französische Wermut mit Shiso und Zitronengras verfeinert. „Strong“, befindet der begleitende Fotograf.

Süß und fruchtig hingegen schmeckt der „Asian Pornstar Martini“. Das stößt auch auf die Zustimmung meines Begleiters. „Lecker“, befindet er, nachdem er den Drink in das richtige Licht gesetzt und abgelichtet hat. Tatsächlich ist die Mischung aus Sake, Wodka, Passoa, Vanille, Maracuja-Püree, Limette und einem Extra-Shot Champagner gefährlich verführerisch für alle, die einen süßen Zahn haben.

Noch gefährlicher könnte der Espresso Martini werden: Die Mischung aus Wodka, Kaffeelikör, Vanille und Tonkabohne ist genau der richtige Wohlfühl-Drink für raue Winterabende in der Großstadt. Dabei sind wir zu dem Zeitpunkt noch nicht am Ende aller süßen Versuchungen angelangt. Schließlich werden wir später noch beim Dessert mit einer fluffigen Zabaione-Creme an gerösteten Erdnüssen und Karamell verwöhnt. Bis dahin schlemmen wir nacheinander und mit zunehmender Zufriedenheit einige Vor- und Hauptspeisen.
Cremige Textur und Umami-Aroma
Uns beide überzeugen Dennis Uçaks persönliche Favoriten wie etwa das Rindfleisch-Tataki an einer Mischung aus Ponzu-Soße und scharfer Chimichurri sowie das Katsu Milanese, ein zartes Kalbskotelett mit Zitrus-Aromen und der aus Japan inspirierten Panko-Panade an einer cremigen Sauce Béarnaise.
Heimlicher Star unseres Besuches soll aber eine vegetarische Beilage in Form von Blumenkohl-Püree werden. „Man glaubt kaum, dass das mal ein Blumenkohl war“, sagt der Fotograf und nimmt sich euphorisch noch ein weiteres Löffelchen. Ich bin sofort schockverliebt in die Paste aus zweifach geröstetem Blumenkohl. Davon könnte ich gleich einen ganzen Teller leer löffeln. Überzeugt bin ich nicht nur von ihrer cremigen Textur, sondern auch von ihrem Umami-Aroma. „Zuerst kommt der gestückelte Blumenkohl bei 180 Grad für 20 Minuten in den Backofen, danach rösten wir ihn noch einmal im Topf in Butter und mixen ihn mit reduzierter Sahne“, verrät Dennis Uçak.
Tja, denke ich, für vollendeten Geschmack bedarf es Handwerk und Geduld. Ob ich selbst zu Hause einen solch langen Atmen für die Zubereitung dieser Speisen hätte? Eher nicht. Stattdessen löffele ich lieber weiter und bin einfach zufrieden.