Schelmisches Lächeln, unbeholfene Art: Hugh Grant war lange der perfekte Romantikkomödien-Darsteller. Damit ist jetzt Schluss. Im Film „Heretic“ spielt er einen diabolischen Gastgeber, was ihm sichtbares Vergnügen bereitet.

Fuck. Oh Fuck. Fuck. Fuck-a-di-Fuck. Fuck. Fuck.“ Etwa ein Dutzend Mal sagt Hugh Grant das F-Word in der Eröffnungs-Sequenz von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“. Und sonst nichts. Der Grund: Er ist viel zu spät aufgewacht und muss sich jetzt furchtbar beeilen, um noch rechtzeitig in die Kirche zur Trauung eines Freundes zu kommen. Diese „Fuck“-Kanonade war 1994 der Startschuss für seine fulminante Weltkarriere. Von da an wurde er jahrelang als Leading Man in romantischen Komödien wie „Notting Hill“, den „Bridget Jones“-Filmen „Schokolade zum Frühstück“ und „Am Rande des Wahnsinns“, „About a Boy“, „Tatsächlich… Liebe“ und „Ein Chef zum Verlieben“ besetzt und gefeiert.
„Es ist schon verrückt, dass ich so viele Jahre als Mr. Nice Guy durch die Filmlandschaft gegeistert bin. Es war nie ein Lebensziel von mir, ein Frauenliebling zu sein. Das können Sie mir wirklich glauben. Auch privat bin ich ganz sicher nicht der sentimentale Bursche, den ich so oft gespielt habe. Und auch nicht der sanfte und romantische Typ. Ich habe da schon eher ein paar dunkle Seiten, die ich auch gerne pflege. Das gebe ich gerne zu. Abgesehen davon haben die meisten Leute vermutlich vergessen, dass ich vor dem Film ‚Vier Hochzeiten und ein Todesfall‘ bereits eine Karriere als vielseitiger Charakterdarsteller hatte. Und erst danach sehr häufig in diesen Rom-Coms als der nette Liebhaber besetzt wurde. Ich bin ziemlich froh, dass diese Zeit nun endgültig hinter mir zu liegen scheint.“

Vor fünf Jahren hat Hugh Grant schon einmal versucht, sein Sonnyboy-Image zu sabotieren. In Guy Ritchies Krimi-Komödie „The Gentlemen“ spielt er erschreckend überzeugend einen schmierigen Privatdetektiv mit hässlicher Brille. „Ich hatte wirklich großen Spaß daran, diesen unattraktiven und extrem unsympathischen Typen zu spielen“, meint Hugh Grant mit einem Lächeln, „und diese abartige Sonnenbrille habe ich sogar höchstpersönlich ausgesucht.“ In seinem aktuellen Film, dem Horrorthriller „Heretic“, legt er jetzt noch eine Schippe drauf. Und zwar auf ganz infame, subversive Art und Weise. Denn den zwei Mädchen, die ihn in seinem Haus aufsuchen um ihn, mit missionarischem Eifer, zu Gott zu bekehren, begegnet er zunächst mit sanfter, onkelhafter Herzlichkeit. Und führt sie erst nach und nach immer tiefer in einen Höllenkreis ohne Wiederkehr, auf den selbst Dante stolz gewesen wäre. „Ich liebe es sehr, so komplexe und tiefgründige Charaktere wie Mr. Reed zu spielen“, meint Grant. „Machen wir uns nichts vor: Dieser Typ ist nicht nur ein perfider Ikonoklast, sondern sehr, sehr krank. Ich weiß auch nicht genau, warum mich solche Rollen immer stärker anziehen. Wahrscheinlich bringen sie etwas in mir zum Klingen.“

Auf die Frage, was genau das denn sein könnte, setzt Hugh Grant sein unergründliches Grinse-Katze-Gesicht auf und sagt: „Es fällt mir schwer, das zu beschreiben … Manchmal kann ich durchaus zynisch und auch ein bisschen verletzend sein. Außerdem liebe ich schwarzen Humor. Auch die mitunter grotesken Situationen, die dann entstehen können, wenn man zu anderen Leuten brutal ehrlich ist, finde ich oft umwerfend komisch. Mit meinen Freunden spiele ich gerne ‚Tabu‘. Das geht so: Man sagt sich ohne Vorwarnung gegenseitig die schlimmsten Dinge ins Gesicht. Und der Erste, der das nicht mehr ertragen kann und ‚Aufhören!‘ schreit, hat verloren. Ich habe übrigens noch nie verloren.“
Vorliebe für schwarzen Humor
Hugh Grant wurde am 9. September 1960 in London als Sohn eines Teppichhändlers und einer Lehrerin geboren. Nach dem Abitur studierte er in Oxford Schauspielerei und Anglistik und arbeitete nebenbei als Model für Fotoromane und Werbespots. Seinen ersten großen Kinoerfolg hatte er 1987 mit einer Rolle im Drama „Maurice“, für die er auf den Filmfestspielen in Venedig den Darstellerpreis erhielt. Der internationale Durchbruch gelang ihm dann 1994 mit der Komödie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“. Für seine Rolle als linkischer Frauenheld Charles wurde ihm der Golden Globe verliehen. Ungewollte Publicity bekam Hugh Grant, als er 1995 in einer Seitenstraße von Los Angeles mit einer Prostituierten im Auto von der Polizei erwischt wurde. Zu dieser Zeit war er mit der britischen Schauspielerin Liz Hurley zusammen, die trotz des Sex-Skandals auch weiterhin zu ihm stand. Ihre Beziehung hielt immerhin noch weitere fünf Jahre. Danach war er mit diversen Frauen liiert. Aus der Beziehung mit der Chinesin Tinglan Hong hat Hugh Grant eine Tochter und einen Sohn, beide sind noch im Teenager-Alter. 2018 heiratete er die schwedische TV-Produzentin Anna Eberstein; mit ihr hat er einen Sohn, 12, und zwei Töchter, 9 und 6.

Wie nicht wenige große Schauspieler ist auch Hugh Grant eher zufällig zur Schauspielerei gekommen. Seine ursprünglichen Ambitionen waren nämlich ganz andere: „Eigentlich wollte ich ein Super-Fußballer werden und einmal für die englische Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft spielen. Das war tatsächlich der größte Wunsch in meiner Jugend. Ich bin auch heute noch ein glühender Anhänger des FC Fulham. Warum ich es dann doch nicht geworden bin, lag wohl weniger an mangelndem Talent oder Ehrgeiz – sondern daran, dass ich im Grunde meines Herzens ein ziemlich faules Stück bin. Das bringt übrigens auch heute noch meinen Agenten zur Weißglut. Der kriegt jedes Mal regelrechte Schreikrämpfe, wenn ich all die tollen Angebote aus Hollywood ablehne. Da fällt mir ein: Ich sollte ihn vielleicht doch mal wieder anrufen. Wir haben sechs Monate kein Wort mehr miteinander gesprochen. Aber meine Devise heißt eben: Mensch bleiben! Nichts liegt mir ferner, als eine von diesen seelenlosen Kreaturen im Filmbusiness zu werden, die pausenlos dem Geld, dem Ruhm oder sonst was nachrennen.“

Auf die Wechselfälle des Lebens reagierte der heute 64-Jährige pragmatisch. Und ist sich dabei, wie er meint, auch weitestgehend treu geblieben. Eine typisch Grant’sche Sentenz über das Leben klingt ungefähr so: „Von dem Geschwätz, dass man sich immer wieder neu erfinden kann, halte ich gar nichts. Von Zeit zu Zeit kann man aber sich selbst und die Dinge im eigenen Leben durchaus wieder neu bewerten. Mal die Perspektive wechseln. Der andere Blick darauf ist dann oft sehr befreiend. Man kann dadurch auch eine Menge Ballast loswerden. Und bei der Rück- oder besser Neubesinnung den Blick nach vorne bitte nicht vergessen. Man muss höllisch aufpassen, dass man seinen Charakter ja nicht einzementiert. Bisher habe ich das, glaube ich, ziemlich erfolgreich vermieden. Ich habe immer versucht, mir eine gewisse ‚Leichtigkeit des Seins‘ zu bewahren. Den großen Anstrengungen im Leben bin ich jedenfalls immer gekonnt ausgewichen. Und auch jeglichem Tiefgang. Dabei nehme ich alles andere wirklich sehr ernst. Außer das Leben.“
Boulevard-Presse hörte ihn ab


Wie brutal das öffentliche Leben sein kann, wurde Hugh Grant 2011 schlagartig bewusst, als er erfuhr, dass sein Telefon monatelang von News of the World-Reportern illegal abgehört worden war. Und nicht nur das: „Es war wirklich unfassbar, was damals passiert ist. Ich habe sieben lange Jahre einige Blätter der englischen Boulevard-Presse verklagt – wegen übler Nachrede, Falschmeldungen und Lügen. Und dafür, dass sie meine Telefonanschlüsse angezapft und meine Krankenakten gestohlen haben. Einmal wurde sogar bei mir eingebrochen und meine Wohnung wurde verwanzt. Ich bin dann mit aller Macht gegen die Zeitungsbosse vorgegangen. Denn genau die wollte ich ja zur Rechenschaft ziehen – nicht deren Laufburschen.“ 2018 hat sich dann die zum Rupert-Murdoch-Imperium gehörende Mirror Group Newspapers bei Grant entschuldigt. Man erklärte, dass man sich damals wohl „moralisch falsch“ verhalten hätte. Hugh Grant bekam als Abfindung eine sechsstellige Summe, die er der Kampagne für saubere Presse namens ‚Hacked Off‘ spendete.
„Hugh ist auf jeden Fall keiner, der sich einen so erbärmlichen Übergriff in sein Privatleben gefallen lässt“, meint der Filmemacher Richard Curtis, der seinem Freund schon viele Rollen auf den Leib geschrieben hat, unter anderem für „Notting Hill“ und „Tatsächlich… Liebe“. „Hugh hat auch wenig bis gar keine Geduld mit Leuten, die ihm unverschämt kommen. Da kann er eiskalt sein.“ Einen oft ironischen, frivolen Umgang mit seinem Gegenüber pflegt Hugh Grant auch sehr gerne bei Auftritten auf dem roten Teppich oder bei Interviews – was ihm schon den Ruf einbrachte, schwierig oder provokant zu sein. Doch auch da schützt er sich mit manchmal scharfen Repliken wohl eher vor dummen Fragestellungen: „Was tragen Sie denn heute zur Premieren-Gala?“ „Meinen Anzug“. Trifft man im Gespräch aber den richtigen Nerv, kann er herrlich amüsant sein. Kleine Kostprobe gefällig? Bitteschön: „Mr. Grant, welches ist denn Ihr Lieblingslaster?“
Hugh Grant: „Gier, Eitelkeit – und ich trinke zu viel.“
„Sie trinken zu viel?“
„Ja, und das ist für mich als Schauspieler durchaus fatal. Reden wir Klartext: Ich bin 64 Jahre alt, und ich trinke zu viel. Da lässt die Merkfähigkeit schon oft zu wünschen übrig.“
„Sie kokettieren doch!“
„Absolut nicht! Allerdings halten sich meine Ausschweifungen wegen meiner Kinder in Grenzen. Kinder und Kater – das geht schlecht zusammen. Beim Trinken bin ich übrigens nicht wählerisch: Wein, Whisky, Gin, Bier … eigentlich alles, was ich in die Finger bekomme. Allerdings fröne ich diesem Laster erst nach 18 Uhr. Da bin ich eisern.“