David Blackbourns Buch „Die Deutschen in der Welt“ ist ein ambitioniertes Unterfangen. Der etablierte Geschichtswissenschaftler untersucht 500 Jahre deutscher Geschichte, vom Mittelalter bis heute. Sein globaler Ansatz zeigt, wie neue Ideen, Güter und Menschen aus Deutschland mit dem Rest der Welt verbunden waren.
Das gelingt ihm am spannendsten im ersten Drittel, wenn er in einem beeindruckenden Panorama Deutsche beschreibt, die im 16. und 17. Jahrhundert wichtige Rollen spielten: deutsche Schiffsbauer für die Seemacht Portugal. Oder „bombardeiros alemães“, deutsche Kanoniere, die auf den Schiffen Vasco da Gamas und Magellans als die weltbesten ihrer Zunft galten. Wir lesen, wie ein Holzschnitt von Albrecht Dürer, der ein Nashorn zeigt, nicht nur die europäische Vorstellungswelt beseelte, sondern auch den internationalen Handel anstieß. Kulturelle Errungenschaften und Entwicklungen werden ebenso beleuchtet, so etwa die Rolle der Deutschen beim Aufbau eines modernen und internationalen Universitätssystems.
Der zweite Teil des Buches mit den Themen Drittes Reich und Holocaust macht Victor Klemperers Tagebuch, ein einmaliges Dokument über den Alltag der Judenverfolgung, zu einem ersten Bezugspunkt Blackbourns. Ausgangspunkt der Analyse sind vier Aspekte, bei denen die meisten Historiker übereinstimmen: Dazu gehört, dass die „Endlösung der Judenfrage“ keine Einzelentscheidung, sondern das Ergebnis einer Radikalisierung war und dass es ohne Hitler keinen Holocaust gegeben hätte. Im letzten Abschnitt beschäftigt sich der Autor mit der Geschichte ab 1949. Ganz aktuell wird darin auch auf die Scholz’sche „Zeitenwende“ und die Rolle der Deutschen im Ukrainekrieg eingegangen. Mit gut 1.000 Seiten ist Blackbourns Buch ein Parforceritt durch die Deutsche Geschichte. Trotzdem machen der elegante Schreibstil und ein oft sehr originelles und detailreiches Erzählen das Buch zu einem „Must-read“ für alle Geschichtsinteressierten.