Ben Jungfleisch ist drauf und dran, sich einen Traum zu erfüllen, den fast alle Jungs in seinem Alter träumen: den von der Karriere als Fußballprofi. Seine Familie unterstützt ihn dabei, wo sie nur kann.
Ben, 16 Jahre alt, steht als Jugendspieler bei Herren-Zweitligist 1. FC Kaiserslautern unter Vertrag und wurde im Mai und Juni dieses Jahres gleich zweimal zu Lehrgängen der U16-Nationalmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eingeladen. Seit zwei Jahren ist er Internatsschüler am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern, einer Eliteschule des Sports und des Fußballs. An den Wochenenden und in den Ferien wohnt er bei seiner Familie in Schafbrücke: Vater Patrick (49 Jahre), Mutter Silvia (46) und Bruder Tom (13).
Schon mit drei Jahren angefangen zu spielen
„Also ich hatte bis dahin mit Fußball nix am Hut. Meine Frau auch nicht“, verrät Patrick Jungfleisch, der selbst im Kampfsport aktiv war und eine genetische Weitergabe fußballerischen Talents ausschließt: „Mein Ding ist eher die Kunst“, merkt der als Reso international bekannte Urban Art-Künstler und Galerist an. „Ben kam auf die Welt und wollte vom ersten Tag an Fußball spielen“, berichtet Patrick Jungfleisch. Im Alter von drei Jahren und damit noch vor dem Eintritt in den Kindergarten schloss sich Ben der DJK Ensheim an und nahm am Vereinstraining der „Minis“ (G-Jugend) teil. „Es war eine echte Herausforderung, einen Verein zu finden, der ihn schon mit nur drei Jahren aufnimmt“, erinnert sich Papa Patrick. Sechs Jahre später klopfte Herren-Drittligist 1. FC Saarbrücken bei den Jungfleischs an und lockte Ben mit der Aussicht auf eine dem Talent angemessenen sportlichen Förderung und Forderung erfolgreich in die vereinseigene Nachwuchsabteilung. Nach dreieinhalb Jahren der erste Dämpfer – der sich allerdings als Glücksfall herausstellte: Weil es beim FCS für ihn nicht mehr voranging, machte Ben mit seinem Wechsel zum SV Saar 05 Jugendfußball einen kleinen Schritt zurück. Während einer guten Saison in der U14 wurde er in die Saar-Auswahl berufen, wo er durch starke Leistungen unter anderem auch den 1. FC Kaiserslautern auf sich aufmerksam machte. Zum 1. Juli 2022 wurde er vom pfälzischen Traditionsverein und langjährigen Bundesligisten verpflichtet. „Das war natürlich sehr cool. Ich hätte damals nicht mehr gedacht, dass so eine Chance noch einmal kommt“, gibt der inzwischen 16-Jährige zu.
Das erste Jahr in Kaiserslautern war erfolgreich, aber auch hart: Bens Mannschaft gewann den Meistertitel in der Regionalliga Südwest – ein beeindruckender Erfolg. Gleichzeitig meisterte Ben die Herausforderungen des täglichen Pendelns und zeigte großen Einsatz, indem er sich in die neue Mannschaft integrierte und seinen Platz eroberte. Damals wohnte er noch zu Hause und wurde von einem Fahrdienst des Vereins nach der Schule abgeholt, zum Training nach Kaiserslautern und danach wieder nach Hause gebracht. „Das war schon recht anstrengend“, gibt Ben zu. Als sich wenig später die Möglichkeit ergab, an das mit dem FCK kooperierende Sportinternat zu wechseln, packte er die Gelegenheit am Schopf und machte den ersten großen Schritt auf dem Weg zur Profikarriere: nämlich raus aus den heimischen Gefilden. Seither wohnt er zusammen mit seinem Zimmerkumpel und anderen Fußballern und weiteren Nachwuchs-Athletinnen und Athleten anderer Sportarten in einem großen Haus mit Küche, Waschküche und allem, was es sonst noch braucht.
Mit 14 Jahren von zu Hause weg
Ob er anfangs Heimweh hatte? „Es geht“, antwortet Ben und führt recht sachlich aus: „Natürlich ist es etwas anderes, aber Essen und Trinken bekommen wir dort genug. Eigentlich ist wie zu Hause, nur dass die Eltern nicht da sind.“ Das sehen die Eltern verständlicherweise etwas anders und beurteilen die Lage über die bloße Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung hinaus: „Er war gerade mal vierzehneinhalb Jahre alt, als er von zu Hause weggezogen ist. Das war für mich schon hart“, gibt Patrick Jungfleisch zu. Obwohl er selbst mit Fußball nichts am Hut hatte, ebneten er und seine Frau Silvia ihrem Sohn den Weg und ermöglichten ihm die ersten Schritte hin zu einer möglichen Profikarriere: „In den ersten Wochen bin ich immer mittwochs zu ihm hingefahren, um mit ihm gemeinsam zu essen. Das war so etwas wie mein Abnabelungsprozess“, erzählt er und stellt klar: „Inzwischen ist alles gut, ich weiß, dass er dort im Internat und im Verein in guten Händen ist und außerdem ist Kaiserslautern ja nicht so weit weg.“

Doch auch vermeintlich kurze Strecken „läppern sich“, werden sie ständig gefahren. So entstehen für die Eltern unter anderem nicht unerhebliche Reisekosten. Ben verbringt die Wochenenden und Ferien zu Hause, wird dafür von den Eltern abgeholt. Zu den an den Wochenenden stattfindenden Spielen geht es zurück nach Kaiserslautern und danach wieder nach Hause. Alle zwei Wochen stehen Auswärtsspiele an. Dann geht es für die Mannschaft von Kaiserslautern aus mit dem Mannschaftsbus weiter zu den Spielorten in ganz Südwestdeutschland. Da Ben mit seiner Mannschaft gerade auch die Qualifikation in die Bundesliga geschafft hat, kommen Gegner aus anderen Teilen Deutschlands dazu. So oder so bringt die zunehmende Professionalisierung für die ganze Familie grundlegende Veränderungen mit sich: In den Ferien wird Ben täglich zum Training nach Kaiserslautern gefahren. In den drei Sommermonaten des vergangenen Jahres kamen für Vater Patrick Jungfleisch rund 10.000 Auto-Kilometer nur für den Fußball zusammen. „Natürlich könnte er auch an den Wochenenden und in den Ferien in Kaiserslautern bleiben. Aber wir wollen ihn ja auch so oft es geht sehen“, erklärt Jungfleisch: „Wir wollen, dass unsere beiden Kinder glücklich sind. Und der Fußball ist einfach Bens Ding. Die Motivation und die Leistung müssen von ihm kommen, aber wir kümmern uns um das Drumherum und versuchen, ihn so gut zu unterstützen, wie es nur geht.“ Dafür hat sich der Papa auch fachlich in die Sportart gefuchst. „Was das Fußballerische betrifft, so kann ich inzwischen schon etwas mehr mitreden, als noch zu Beginn. Das ist auch ein Muss – ich muss ja mit ihm mithalten können, um nicht zu riskieren, dass die Bindung zwischen uns verloren geht“, weiß Patrick Jungfleisch, der seinen Sohn zu allen Spielen begleitet.
Fernab der gemeinsamen Zeit ist Ben Jungfleisch schon in jungen Jahren auf sich selbst gestellt. Montags dauert der Unterricht bis 16 Uhr, danach findet das Vereinstraining statt. Ansonsten erstreckt sich der Unterricht über sechs oder sieben Schulstunden, danach geht es zum Mittagessen und zur Hausaufgabenbetreuung. Nach einem kleinen Mittagsschläfchen geht es weiter zum Training, das um 17.45 Uhr beginnt. Dienstags- und donnerstagsmorgens startet Bens Tag jeweils schon um 6 Uhr mit einer Trainingseinheit im Kraftraum, angeleitet vom FCK-Athletiktrainer. Einmal pro Woche nimmt er sich die Zeit, zwei Stunden früher zum Training zu kommen, um gezielt an individuellen Einheiten zu arbeiten. Und wann ist Freizeit? „Mittwochs haben wir kein Training und da sind wir meistens zusammen unterwegs“, sagt Ben, der dann am liebsten mit seinen Freunden Basketball spielt, durch die Stadt schlendert oder Playstation zockt – natürlich bevorzugt eine Fußballsimulation.
Der DFB hat ihn zu Lehrgängen eingeladen
Während andere Jugendliche im gleichen Alter ihren freizeitlichen Schwerpunkt hin zum Feiern am Wochenende verschieben, arbeitet Ben Jungfleisch hart an der Erfüllung seines großen Traums. Er vermisst oder bereut nichts. Auch nicht, wenn er zweimal die Woche morgens um sechs die Hanteln schwingt, während wohl die meisten 16-Jährigen um diese Zeit noch im Bett liegen und schlafen. Ben will einfach mehr: „Manchmal kostet es mich Überwindung, so früh aufzustehen. Aber ich weiß genau, wofür ich das alles tue und das treibt mich an“, sagt der junge Fußballer wirkt dabei sehr überzeugend. „Also bei mir war das in dem Alter ganz anders“, verrät Vater Patrick und ist von der Einstellung seines Sohnes beeindruckt: „Er ist brutal fokussiert. Gerade an Spieltagen. Am Tag davor geht er früher ins Bett als sonst, steht früh auf und zieht sich direkt an. Ab dann wartet er nur noch auf mich und sagt: ‚So, Papa, können wir jetzt endlich losfahren?‘ So was hätte es bei mir nicht gegeben.“
Bens Fleiß, Disziplin und Leistungsbereitschaft zahlten sich aus. Seit er Internatsschüler ist, geht es auch sportlich wieder aufwärts. In der U16 rückte Ben vom zentralen Mittelfeld auf die rechte Außenposition. Dort kann er seine Stärken Schnelligkeit und Technik voll ausspielen. „Von Außenverteidigung bis nach vorne habe ich die ganze Seite für mich allein“, erklärt er nicht ohne Stolz. Sein persönliches Ziel ist es, seine Fähigkeiten im Torabschluss weiter zu perfektionieren.
Bens Stärken sind auch dem DFB nicht entgangen. Vor gut einem halben Jahr wurde er erstmals zu Lehrgängen der Nationalmannschaft berufen. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Team von Cheftrainer Marc-Patrick Meister sowie den Co-Trainern Shkodran Mustafi und Sven Bender betreut – ihrerseits Ex-Profis, Nationalspieler und Weltmeister von 2014. „Die kannte ich vorher nur aus dem Fernsehen und das war schon ein gutes Gefühl, sie persönlich zu treffen“, erzählt Ben, der wegen der kurzfristigen Absage des geplanten Gegners Irland noch auf sein Länderspiel-Debüt warten muss. Nach einer kurzen Pause sagt er: „Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal so weit schaffe.“ Nach dem Abitur will er sich voll auf den Fußball konzentrieren und weiter alles dafür tun, sich eines Tages den großen Traum zu erfüllen, den so viele Jungs in seinem Alter träumen: den von einer Karriere als Fußballprofi.